Koalitionspoker in NRW:Hass trifft es besser

SPD, Grüne und FDP sprechen über ein Bündnis in Düsseldorf. Darüber, dass die zwei kleinen Parteien sich nicht ausstehen können, reden sie nicht.

Bernd Dörries

Vielleicht steht dieser Punkt nicht auf der Tagesordnung, weil es nur wenig Hoffnung gibt, dass er zu lösen ist. Vielleicht reicht die Zeit nicht dafür. Vielleicht ist es manchmal aber auch besser zu vergessen als alles aufzuarbeiten und durchzusprechen. Wahrscheinlich ist es in diesem Fall die einzige Möglichkeit: Wenn sich an diesem Dienstag SPD, FDP und Grüne zu ihren ersten Sondierungsgesprächen über eine mögliche Koalition in Nordrhein-Westfalen treffen, dann soll ein Thema nicht besprochen werden, obwohl es als das größte Hindernis für eine Ampel-Koalition gelten kann: das schwierige Verhältnis zwischen FDP und Grünen. Hass trifft es wahrscheinlich besser.

Vorstandssitzung NRW-FDP

Stadtbekannte Grünenfresser: Die FDP-Politiker Pinkwart und Papke.

(Foto: dpa)

Normalerweise ist es bei der Koalitionssuche so: Die Parteien schauen zuerst, ob man grundsätzlich zusammenpasst und versuchen dann, sich in den Details zu einigen. Bei der Ampel wird es umgekehrt sein. Man fängt mit den Details an. Und hofft, dass irgendwann daraus ein gemeinsames Verhältnis und gegenseitiges politisches Verständnis entsteht, das man als gut bezeichnen kann. Das ist die Frage. Im Landtag hat der Grünen-Abgeordnete Horst Becker die Liberalen vor Monaten als "marktradikale Extremisten" bezeichnet. FDP-Landeschef Andreas Pinkwart meinte über die Grünen: "Sie ruinieren unser Land, wenn man sie nur lässt." Und sein Fraktionschef Gerhard Papke, ein stadtbekannter Grünenfresser, sagte im Wahlkampf, es gehe um nicht weniger als "die Grünen oder wir". Jetzt sollen Grüne und FDP zusammenkommen. Es gibt einige in beiden Parteien, die das überfordert.

Die Frage, wer eigentlich angefangen hat mit dem Streit, wird am Dienstag ebenfalls ausgeklammert. Für die Grünen begann alles mit Jürgen Möllemann, der die FDP nach Jahren der Abstinenz im Jahr 2000 mit triumphalen 9,8 Prozent zurück in den Landtag führte. Möllemann und sein Tross sind damals durch den Landtag gelaufen, um sich die schönsten Büros auszusuchen und standen plötzlich in den Räumen der Grünen. Die sahen ihr Territorium in Gefahr, denn wenig später stand Möllemann auch auf der Rolltreppe der Staatskanzlei, auf dem Weg zu Ministerpräsident Wolfgang Clement, um ein wenig darüber zu plaudern, ob der nicht die FDP für die Grünen eintauschen würde. Tat er nicht. Aber die Grünen wussten nun, dass sie ihr Alleinstellungsmerkmal als Königsmacher los waren.

Viele Grünen sehen in der FDP bis heute die Partei Möllemanns, obwohl der schon lange tot ist. "Die saßen damals doch auch schon alle im Landtag und haben nichts gemacht", sagt einer von den Grünen über die Verhandlungspartner von heute. Möllemann hatte im Jahr 2002 ein antisemitisches Flugblatt verteilt, dass mit illegalen Mitteln finanziert war. Und er hatte den grünen Landtagsabgeordneten Jamal Karsli zum Wechsel in die FDP-Fraktion bewogen, weil dieser in seiner Partei wegen seiner Ansichten zu Israel vor dem Ausschluss stand. Karsli verirrte sich schnell in seinen seltsamen Ansichten und kam nicht mehr in den Landtag. Möllemann aber freute sich noch länger über den Überläufer.

In Wahlanalysen ist oft die Rede davon, dass sich das Klientel von Grünen und der FDP recht ähnlich sei. Das Einkommensniveau und der Bildungsgrad werden als Gemeinsamkeiten genannt. Hinter diesen Überschriften liegt aber eine kulturelle Sozialisation, die sehr unterschiedlich ist. Die Grünen zitieren gerne den Spruch, dass ihre Wähler wollen, dass es allen besser geht. Während die Wähler der FDP wollen, dass es ihnen besser geht. Die Liberalen verdächtigen die Grünen hingegen, die "Staatswirtschaft" einführen zu wollen. Als im Jahr 2005 gewählt wurde, gab es allein in NRW mehr als eine Million Arbeitslose, und Möllemann und die FDP warfen den Grünen vor, dass ihnen die Feldhamster wichtiger seien als die Menschen. Die Hamsterkampagne zielte vor allem auf die damalige Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne), die Industrieansiedlungen verhindern wolle, um den kleinen Hamster zu schützen. "Geldhamster" nannten die Grünen die FDP im Gegenzug. Auch 2010 zogen die beiden wieder übereinander her, obwohl die Wählerwanderung zwischen ihnen sehr gering ist. Es ist eine sehr persönliche Sache geworden. Das ist die Ausgangslage, über die nicht gesprochen wird.

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