Koalitionspoker:FDP ziert sich beim Gesundheitsfonds

Zähes Ringen: Ursula von der Leyen hat eine Einigung mit der FDP beim Gesundheitsfonds verkündet - vorschnell, wie sich jetzt erweist.

Der Zeitplan ist eigentlich eng: Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel rechnet mit einem Abschluss der schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen in wenigen Tagen. In der nächsten Woche werde es endgültige Entscheidungen geben, sagte sie am Samstag vor einem weiteren Treffen der großen Koalitionsrunde von CDU, CSU und FDP in Berlin.

Koalitionspoker: Philipp Rösler, FDP-Verhandlungsführer, lässt die Union warten - und fordert ein "Gesundheitssystem aus einem Guss"

Philipp Rösler, FDP-Verhandlungsführer, lässt die Union warten - und fordert ein "Gesundheitssystem aus einem Guss"

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Der niedersächsische Ministerpräsident und CDU-Vize Christian Wulff sagte, Ziel sei es, in der übernächsten Woche eine schwarz-gelbe Regierung zu bilden. Auch andere Verhandlungsteilnehmer zeigten sich überzeugt, die Gespräche nach dem Zeitplan abschließen zu können.

Zur Zeit aber ist vor allem die Zukunft des Gesundheitsfonds weiterhin ein Streitthema. FDP-Verhandlungsführer Philipp Rösler widersprach vor der Fortsetzung der Verhandlungen der Darstellung der Union, in den Koalitionsverhandlungen sei die Beibehaltung des umstrittenen Gesundheitsfonds vereinbart worden. "Darüber haben wir uns nicht verständigt", sagte er. "Wir sind noch zu keinem Ergebnis gekommen", fügte er hinzu. Die Koalitionspartner müssten ein "Gesundheitssystem aus einem Guss" schaffen, das auf Jahre hinaus Bestand habe.

Die Unions-Chefunterhändlerin für Gesundheit, Ursula von der Leyen, hatte nach mehr als zehnstündigen Beratungen am frühen Samstagmorgen erklärt, der Finanzpool solle weiterentwickelt werden, abgeschafft werde er aber nicht. Die FDP fordert die Abschaffung der Geldsammelstelle. Die Äußerungen von der Leyens kommentierte Rösler mit den Worten: "Sie ist die Verhandlungsführerin der Union, ich bin der Verhandlungsführer der FDP." Röslers Chef Guido Westerwelle wollte sich nicht inhaltlich äußern: "Jetzt verhandeln wir erst mal."

Unions-Fraktionschef Volker Kauder bekräftigte die Unionsposition. Es sei wichtig, dass die CDU weiter am Gesundheitsfonds festhalte, denn der sei richtig. Man werde über das Thema Gesundheit noch weiter zu verhandeln haben. Eine verfahrene Situation, die auch CSU-Unterhändler Markus Söder kommentierte: "Das ist eine ganz, ganz schwierige Kiste." Seine Parteikollegen äußerten sich dennoch optimistisch. Bis zum geplanten CSU-Parteitag am 26. Oktober werde der Koalitionsvertrag "unterschriftsfähig" sein, meinte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte: "Es gibt von allen Seiten guten Willen. Wir verhandeln um eine Koalition, die wir alle gewollt haben."

Damit ist weiterhin unklar, ob und wie das prognostizierte Loch der Kassen von fast 7,5 Milliarden Euro im nächsten Jahr gestopft werden kann. Und in die Verhandlungen platzt auch eine weitere Meldung über zusätzliche Belastungen bei den Krankenkassen. Die 15 Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) müssen nach einem Medienbericht bis Ende Oktober etwa eine Milliarde Euro an den Gesundheitsfonds zurückzahlen.

Millionenrückzahlungen bei der AOK

Der Grund sei eine erneute Korrektur der Auszahlungen aus dem Fonds durch das zuständige Bundesversicherungsamt auf der Basis neuer Krankheitsdaten, berichtete das Nachrichtenmagazin Focus vorab aus seiner neuen Ausgabe.

Koalitionspoker: Weitere Kosten für die AOKs.

Weitere Kosten für die AOKs.

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Die AOKs erhielten pro Versicherten und Monat nun 3,24 Euro weniger als zunächst veranschlagt. AOK-Verbands-Chef Herbert Reichelt hoffe, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei.

"Erst im Herbst 2010, wenn alle Daten für den Schlussausgleich 2009 vorliegen, werden wir die Gesamtwirkung sicher bewerten können", sagte Reichelt dem Magazin.

Gewinner der Neuberechnung sind dem Bericht zufolge die Betriebskrankenkassen (BKK), die im Schnitt mit 4,32 Euro zusätzlich kalkulieren können. Innungskrankenkassen erhalten 3,57 Euro mehr und für die acht Ersatzkassen ergibt sich ein kleiner Gewinn von 34 Cent.

Der Vorstandsvorsitzende der Barmer-Ersatzkasse, Johannes Vöcking, fordert angesichts des Milliarden-Fehlbetrags eine Allianz aus Staat, Wirtschaft, Versicherten und der Gesundheitsbranche. "Wir brauchen einen Sozialpakt zur Stärkung der Krankenversicherung. Die Lasten müssen gerecht auf alle Schultern verteilt werden", sagte Vöcking der Bild am Sonntag.

Das Defizit dürfe nicht, so Vöcking, "mit bloßen Beitragserhöhungen gestopft werden" - erst recht nicht einseitig zu Lasten der Versicherten. Auch Leistungskürzungen lehnte er ab.

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