Süddeutsche Zeitung

Koalitionskrach:Von Rückgrat und Verantwortung

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Im Streit um die Herausgabe der NSA-Suchbegriffe durch den BND ermahnen sich die Regierungsparteien gegenseitig.

Von Nico Fried

Während die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel sich zu den koalitionsinternen Querelen über den Umgang mit der Spionageaffäre weiter nicht äußert, hat CSU-Chef Horst Seehofer am Montag den SPD-Vorsitzenden und Vizekanzler Sigmar Gabriel ins Visier genommen. "Das Vorgehen von Herrn Gabriel in der Sache BND halte ich für inakzeptabel", sagte Seehofer vor einer Sitzung des CSU-Vorstands. "Das entspricht nicht der Staats-Verantwortung, die eine Regierungspartei hat", sagte er. "Das geht nicht."

Gabriel hatte am Wochenende erneut gefordert, dass die sogenannte Selektorenliste den für die Überwachung der Geheimdienste zuständigen Gremien des Bundestages vorgelegt werden solle. Aus dieser Liste soll hervorgehen, wen der BND im Auftrag der NSA ausspioniert haben soll und ob auch Wirtschaftsspionage betrieben wurde. Für den Fall, dass die USA mit einer Einschränkung der Geheimdienstarbeit drohten, sagte Gabriel, es wäre "eine komische Partnerschaft, wenn die USA mit Erpressung und Drohung arbeiten würden. Da muss man als Bundesregierung auch mal Rückgrat zeigen."

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) nannte im ZDF die "schrillen Töne aus der SPD-Parteizentrale" eine "Belastung in der Koalition". Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), sekundierte im Deutschlandfunk: "Dieser Vorwurf von Gabriel, dass mehr Rückgrat gezeigt werden müsste, ist wirklich eine bodenlose Frechheit."

Das Auswärtige Amt hält eine Weitergabe der Selektoren an den Bundestag für zulässig

Eine Entscheidung der Bundesregierung über den Umgang mit der Liste ist nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert noch nicht gefallen. "Das Konsultationsverfahren mit den USA dauert an", sagte er am Montag. Sobald die Gespräche abgeschlossen seien, werde es eine "abgewogene Entscheidung" geben. Das Auswärtige Amt ist nach eigenen Angaben in einer vom Kanzleramt erbetenen Analyse zu dem Ergebnis gekommen, dass Deutschland völkerrechtlich nicht zur Geheimhaltung der Selektoren-Liste verpflichtet ist - auch dann nicht, wenn die USA ihre Zustimmung zur Weitergabe an Bundestags-Gremien verweigern. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes betonte, dass es "aus unserer Sicht jedenfalls möglich sein kann und muss", die Interessen der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit in Einklang zu bringen mit dem "völlig nachvollziehbaren Aufklärungsinteresse" des Bundestags und der Öffentlichkeit. Wie eine Weitergabe an die zuständigen Bundestagabgeordneten laufen könne, müsse noch geklärt werden. Als eine Variante gilt, Vertretern der Kontrollgremien in einem geschütztem Raum Zugang zu den Akten zu ermöglichen. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi äußerte sich am Montag zuversichtlich, "dass es eine Einigung über ein geeignetes Verfahren in den nächsten Tagen geben kann". Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl, CDU, reagierte umgehend: Die SPD scheine "auf den Weg der Vernunft" zurückzukehren.

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Quelle:
SZ vom 19.05.2015
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