Koalitionsgipfel:Union und SPD einigen sich bei Diesel und Zuwanderung

  • Die große Koalition hat gezeigt, dass sie noch gemeinsam regieren kann.
  • In einer Marathonsitzung verständigten sich CDU/CSU und SPD auf ein Lösungskonzept für den Diesel-Streit.
  • Details beispielsweise zum Thema Nachrüstung wollen die zuständigen Fachressorts im Laufe des Dienstags bekannt geben.
  • Auch bei der Zuwanderung herrscht Einigkeit: "Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten" sollen bereits am Dienstag im Kabinett beschlossen werden.

Von Michael Bauchmüller und Mike Szymanski, Berlin

Nach mehr als sechs Stunden Beratung haben sich die Spitzen der Koalition in den frühen Morgenstunden in zentralen Streitfragen geeinigt. Sie vereinbarten im Kampf gegen Diesel-Fahrverbote in deutschen Städten ein "Konzept für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität". Zudem verständigten sich CDU, CSU und SPD auf Eckpunkte für ein Einwanderungsgesetz. An dem Treffen nahmen die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU), Andrea Nahles (SPD), die Fraktionschefs sowie Fachminister teil.

Zuvor hatte es langen Streit darüber gegeben, ob die Hersteller eine Nachrüstung der Fahrzeuge mit modernen Abgasfiltern anbieten oder zumindest finanzieren sollen. Auf die Frage, ob die Einigung auch das Angebot der technischen Nachrüstung für ältere Diesel-Pkws vorsehe, sagte SPD-Chefin Andrea Nahles: "Die gibt es, die Einigung."

In dem Beschlusspapier des Koalitionsausschusses heißt es: Besitzer älterer Diesel-Fahrzeuge in besonders schadstoffbelasteten Städten und deren Umland sollen zwischen einem Umtausch- und einen Nachrüstangebot wählen können. "Die deutschen Automobilhersteller haben dem Bund zugesagt, den Fahrzeughaltern von Euro 4 und Euro 5 Diesel-Fahrzeugen ein Tauschprogramm mit attraktiven Umstiegsprämien oder Rabatten anzubieten".

Anders als bei Rabatten in der Vergangenheit soll der Tausch auch gegen ein anderes Gebrauchtfahrzeug möglich sein - nicht nur gegen ein Neufahrzeug. Wolle ein Euro-5-Halter dagegen eine Hardware-Nachrüstung mit einem SCR-System und sei diese verfügbar und geeignet, erwarte der Bund vom jeweiligen Autohersteller, dass er die Kosten hierfür einschließlich Einbau übernehme. Die Haftung trügen die Nachrüster. Die Hardware-Nachrüstungen sollen den Stickoxidausstoß auf weniger als 270 mg/km reduzieren.

Testfall für das gemeinsame Regieren

Die Einigung im Diesel-Streit verschafft auch der Koalition erst einmal Luft. Konflikte hatten das Regierungsbündnis gleich zweimal in nur einem halben Jahr an den Rand des Bruchs geführt. Die Zusammenkunft vom Montag war von Beteiligten selbst als Testfall bewertet worden, ob ein gemeinsames Regieren überhaupt noch möglich ist. Nach Monaten des Dauerstreits sollte der Abend den Übergang zur Sacharbeit markieren. Die Koalition habe "sehr konstruktiv getagt", sagte der neue Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus nach der Nachtsitzung. "Das zeigt, dass diese Koalition viel Schwung hat."

So erzielten die Koalitionspartner auch einen Durchbruch im Streit um ein Einwanderungsgesetz. Die "Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten" sollen bereits an diesem Dienstag im Kabinett beschlossen werden. Die SPD würde es abgelehnten Asylbewerbern gerne ermöglichen, dauerhaft in Deutschland zu bleiben, wenn sie gut integriert sind und Arbeit haben. Die Union lehnte einen solchen "Spurwechsel" in ein neues Zuwanderungsrecht ab.

Im Entwurfspapier haben sich die Koalitionspartner auf einen Kompromiss verständigt. "Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration halten wir fest", heißt es darin. Dennoch hat sich offenbar auch die Union in dieser Debatte auf die SPD zubewegt. "Wir werden im Aufenthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind", heißt es weiter.

Ausländische Abschlüsse sollen schneller anerkannt werden

Im Kern geht es bei dem geplanten Fachkräfteeinwanderungsgesetz darum, dass Deutschland für qualifizierte internationale Fachkräfte attraktiver wird. Das Gesetz soll deren Zuzug ordnen und steuern. Bedarf und Qualifikation sollen zentrale Kriterien sein. Abschlüsse sollen schneller anerkannt werden, Deutschlernen soll bereits im Ausland erleichtert werden. Fachkräfte aus dem Ausland sollen auch für einen Zeitraum von sechs Monaten nach Deutschland einreisen dürfen, um hierzulande auf Jobsuche gehen zu können. Auch dieser Punkt war zuletzt strittig. Bewerber müssen nachweisen, dass sie für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Diese Regelung soll zunächst auf fünf Jahre befristet werden.

Auch andere Streitfragen hat die Koalition beigelegt. So will sie noch in diesem Monat die Bedingungen für einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien beschließen. Hier hatte schon der Koalitionsvertrag zusätzliche Ausschreibungen für Wind- und Solarparks vorgesehen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte sie aber bisher nicht umgesetzt. Der zusätzliche Ökostrom soll helfen, die deutschen Klimaziele zu erreichen. Bei den Klimavorgaben für Autos dagegen legte sich die Koalition endgültig darauf fest, die Pläne der EU-Kommission zu unterstützen. Das Umweltministerium war lange für schärfere Grenzwerte eingetreten.

Verbot der Ferkelkastration wird vertagt

Beim Tierschutz verständigten sich Union und SPD darauf, das völlige Verbot der Ferkelkastration noch einmal um zwei Jahre hinauszuschieben. Andernfalls hätten Ferkel vom kommenden Jahr an nicht mehr kastriert werden dürfen. Unter Tierschützern und Landwirten herrscht Streit über die möglichen Alternativen.

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