Koalitionsgespräche mit der Union:Wunschzettel der Sozialdemokraten

SPD-Parteikonvent

Pampig zu Personalfragen: SPD-Chef Sigmar Gabriel

(Foto: dpa)

Kurz vor Beginn der Verhandlungen mit der Union formuliert die SPD zehn Punkte als harte Bedingungen für ein Regierungsbündnis. Doch letztlich geht es ihr vor allem um drei Themen. Bedeckt gibt sich Parteichef Gabriel bei der Frage möglicher Ministerposten. Personalia sind eine delikate Angelegenheit - vor allem in der jetzigen Situation.

Von Susanne Höll, Berlin

Der Vorsitzende sieht müde aus, als er sich kurz nach 16 Uhr an diesem milden, warmen Oktobersonntag unter die ausgestreckte Hand der Willy-Brandt-Bronzestatue in der SPD-Zentrale in Berlin tritt. Müde, aber zufrieden. Gerade hat der kleine Parteitag nach einer, wie es heißt, sehr sachlichen, gesitteten und allseits als angenehm empfundenen Debatte ihm und den anderen aus der Führung erlaubt, mit der Union über eine Koalition zu verhandeln.

85 Prozent Zustimmung, hat Gabriel ausgerechnet. Breite Mehrheit. Man könne "froh und stolz" sein, Mitglied dieser Partei zu sein, wird er später sagen. Er ist vor allem froh, dass er bei seiner ebenso heiklen wie mühsamen Operation Regierungsbildung auch diesmal nicht ins Straucheln kam. Vor drei Wochen noch hätte man sich das so nicht gedacht.

Da protestierten die eigenen Leute lautstark gegen eine Neuauflage von Schwarz-Rot; ganz besonders laut die aus Nordrhein-Westfalen. Und was macht deren Landeschefin Hannelore Kraft an diesem Sonntag? Wirbt, so erzählen Teilnehmer, vor den 229 Delegierten intensiv für Verhandlungen. Und meint, einige Dinge zurechtrücken zu müssen. Was habe man nicht alles über sie erzählt, sagt sie dem Vernehmen nach.

Lob für Gabriels umsichtige Führung

Dass sie nur bis Wanne-Eickel blicken könne. Dieser Satz stammt vom Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler. Der hatte sich über den Widerstand aus NRW ebenso gewundert wie die Sozialdemokraten. Die hatten der Ministerpräsidentin immerhin etwas mehr Weitsicht attestiert. Sie schaue von Aachen bis Porta Westfalica, sagte einer von ihnen.

Egal, vergessen. Auch Gabriel meint nun, Kraft sei nie auf einen Baum geklettert. Vor nicht allzu langer Zeit hat er das noch anders gesehen. Aber der Vorsitzende ist wohltemperiert. Er ist gelobt worden, von Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Für seine umsichtige Führung in der schwierigen Koalitionsfrage.

Das ist bedeutsam, allein schon deshalb, weil Steinbrück Gabriel mitten im Bundestagswahlkampf öffentlich in den Senkel gestellt hatte, der Extratouren und Eigenmächtigkeiten wegen. Gabriel dachte damals über Rücktritt nach und manche andere in der Führung über einen neuen Parteivorsitzenden. Egal. Auch das längst vergessen.

Gabriel und andere Sozialdemokraten mühen sich intensiv, den Zehn-Punkte-Plan als harte Bedingungen der SPD für die Koalitionsverhandlungen zu präsentieren. Dabei finden sich höchstens drei rote Linien, die die Genossen nicht übertreten wollen: Einen gesetzlichen und flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro muss es geben, eine doppelte Staatsbürgerschaft und keine Kürzungen von Sozialleistungen zur Finanzierung anderer politischer Projekte. Steuererhöhungen verlangen die Sozialdemokraten nicht mehr ausdrücklich, vom Tisch seien sie aber nicht, sagt Gabriel.

Personalfragen - eine delikate Angelegenheit

Zu einem Thema allerdings kann man ihm auch an diesem Sonntag kein einziges Wort entlocken: zu Personalfragen. Ob er immer noch Vizekanzler werden wolle, wird er gefragt. Hätte er nie gewollt, und das habe sich bislang auch nicht geändert.

Dann wird er gepudert und zieht von Fernsehkamera zu Fernsehkamera, wird in nahezu alle Sender geschaltet. Auch da geht es immer wieder um Personal. Am Ende dieses langen Tages wird Gabriel dann doch noch mal etwas pampig. "Wenn man anfängt, sich schon als Minister zu sehen, ist man nicht mehr frei, Verhandlungen zu führen", bescheidet er einem Fragesteller.

Personalia sind immer eine delikate Angelegenheit, in der SPD dieser Tage sogar besonders delikat. Denn Gabriel und andere müssen sich des Verdachts der Basis erwehren, sie wollten unbedingt in Ministerwürden und verkauften deshalb die sozialdemokratische Seele. Deshalb wurde bislang nur unter vier Augen über Ressortverteilungen gesprochen. Vorentscheidungen gibt es bislang nur wenige.

Klar ist aber, dass die SPD das Arbeitsministerium beanspruchen will. Das Familienressort finden sie auch begehrenswert, zumal mit Manuela Schwesig, der Sozialministerin aus Mecklenburg-Vorpommern, eine passende Chefin zur Verfügung stünde. Bildung und Forschung würde die SPD ebenfalls locken; fraglich nur, ob die Union dieses Ministerium abgäbe.

Doch die wichtigsten Fragen sind offen. Wirtschaft oder Finanzen? Außen oder Innen? Sechs Ressorts, davon gehen die Sozialdemokraten aus, werden sie besetzen können. Noch scheiden sich die Geister. Etliche, darunter Finanzpolitiker und Haushälter, halten es für unumgänglich, dass das Finanzministerium an die SPD geht, am besten an einen Vizekanzler Sigmar Gabriel. Der Finanzminister sei der Einzige mit Vetorecht im Kabinett, damit auf ähnlicher Stufe wie die Kanzlerin.

Wer was werden könnte

In der SPD-Führung halten einige dagegen: Ohne Steuererhöhungen müsse sich dieser Minister mit Kollegen, den begierigen Bundesländern und dem Rest Europas um Geld streiten und schlechte Nachrichten verkünden. Manchen begeistert deshalb die Idee, die Zuständigkeit für Energie ganz im Wirtschaftsressort anzusiedeln. Dort, so meinen die Befürworter, könne ein Genosse zeigen, dass die Sozialdemokraten durchaus etwas von Wirtschaft verstünden. Bislang glauben die Deutschen das Gegenteil, wie Wahlanalysen belegen.

SPD-Chef Gabriel schwankt dem Vernehmen nach auch persönlich in Personalfragen. Schnelle Entscheidungen sind nicht zu erwarten, denn sie führen oft zu Enttäuschungen bei denen, die nicht das bekommen, was sie gern hätten. So möchte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gern bleiben, was er ist. Andere sehen ihn dagegen als Chef eines neu strukturierten Außenamts, vielleicht auch als Finanzminister.

Der Parlamentarische SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann wäre gern Innenminister, könnte aber auch andere Ressorts führen. Generalsekretärin Andrea Nahles wiederum würde am liebsten an die Spitze des Arbeitsministeriums gehen, aber wenn Steinmeier in eine Regierung wechselte, wäre sie vielleicht auch an der Fraktionsführung interessiert.

In zwei Monaten, so sagt Gabriel, werde hoffentlich Klarheit herrschen. Dann sollte die Koalition stehen und die SPD-Basis ihr Schlussvotum gefällt haben. "Weihnachten muss auch mal Schluss sein", sagt der Vorsitzende.

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