Koalitionsfraktionen:Doch Völkermord

Der Wortlaut des Antrags von Union und SPD zum Völkermord an den Armeniern.

Im Streit um die Einordnung des Massakers an den Armeniern vor hundert Jahren haben sich die Fraktionsspitzen von Union und SPD auf einen Antragsentwurf verständigt, der nun doch den Begriff "Völkermord" enthält:

"Der Bundestag verneigt sich vor den Opfern der Vertreibungen und Massaker an den Armeniern, die vor 100 Jahren ihren Anfang nahmen. Er beklagt die Taten der damaligen türkischen Regierung, die zur fast vollständigen Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich geführt haben. Er bedauert die unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches, das trotz eindeutiger Informationen über die organisierte Vertreibung und Vernichtung der Armenier nicht versucht hat, diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu stoppen. Das Gedenken des Deutschen Bundestages ist auch Ausdruck besonderen Respektes vor der wohl ältesten christlichen Nation der Erde.

Im Auftrag des jungtürkischen Regimes begann am 24. April 1915 im osmanischen Konstantinopel die planmäßige Vertreibung und Vernichtung von über einer Million ethnischer Armenier. Ihr Schicksal steht beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von denen das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist. Dabei wissen wir um die Einzigartigkeit des Holocaust, für den Deutschland Schuld und Verantwortung trägt.

Undated handout photo of a family of Armenian deportees

Die Gräben der Vergangenheit: Vor 100 Jahren begingen Soldaten des Osmanischen Reichs zahllose Gräuel an der armenischen Bevölkerung.

(Foto: Reuters)

Der Bundestag bekräftigt seinen Beschluss aus dem Jahr 2005, der dem Gedenken der Opfer wie auch der historischen Aufarbeitung der Geschehnisse gewidmet war und das Ziel verfolgte, zur Versöhnung zwischen Türken und Armeniern beizutragen. Dieser Versöhnungsprozess ist in den vergangenen Jahren ins Stocken geraten und bedarf dringend neuer Impulse. Auch Deutschland ist in der Pflicht, sich der eigenen Verantwortung zu stellen. Dazu gehört, Türken und Armenier dabei zu unterstützen, über die Gräben der Vergangenheit hinweg nach Wegen der Versöhnung und Verständigung zu suchen. (. . .)

Der Deutsche Bundestag ist der Ansicht, dass das Gedenken an die Opfer der Massaker und Vertreibungen der Armenier unter Berücksichtigung der deutschen Rolle einschließlich seiner Vermittlung an die aus der Türkei stammenden Mitbürgerinnen und Mitbürger auch einen Beitrag zur Integration darstellt. (. . .) Der Bundestag nimmt die seit 2005 unternommenen Versuche von Vertretern Armeniens und der Türkei wahr, in Fragen des Erinnerns und der Normalisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen aufeinander zuzugehen. Das Verhältnis beider Staaten ist jedoch weiterhin spannungsreich und von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Deutschland sollte Türken und Armenier dabei unterstützen, über die Gräben der Vergangenheit hinweg Wege der Versöhnung zu beschreiten. Eine konstruktive Aufarbeitung der Geschichte ist dabei als Basis für eine Verständigung in Gegenwart und Zukunft unerlässlich.

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