Koalitionsdiskussion bei der CDU:Irgendwie links liegen lassen

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Daniel Günther bei einem Wahlkampfauftritt in Mölln. (Foto: dpa)
  • Daniel Günther hat in einem Interview mit der Rheinischen Post eine Kooperation mit der Linkspartei nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
  • "Fast 30 Jahre nach dem Mauerfall gibt es auch durch eine Reihe regionaler Kooperationen ein gutes Stück Normalisierung zwischen CDU und Linken", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident.
  • Seine Partei reagiert darauf irritiert bis entsetzt.

Von Nico Fried, Berlin

Als Mann von der Küste kennt Daniel Günther sich aus mit einer steifen Brise. Doch was dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten von der CDU am Wochenende aus der eigenen Partei an Gegenwind ins Gesicht blies, erlebt er zwischen Nord- und Ostsee auch nicht alle Tage. Günther, 45 Jahre alt und seit etwas mehr als einem Jahr Chef einer von CDU, FDP und Grünen getragenen Regierung in Kiel, hatte in einem Interview ganz allgemein über die komplizierten politischen Mehrheitsverhältnisse in Ostdeutschland geplaudert, insbesondere aber über das Verhältnis der CDU zur Linken. Was er da von sich gab, kam seinen Parteifreunden in etwa so vor wie das Pferd des Deichgrafen Hauke Haien in Theodor Storms Novelle vom Schimmelreiter: gespenstisch.

Günther hatte der Rheinischen Post gesagt: "Wenn Wahlergebnisse es nicht hergeben sollten, dass gegen die Linke eine Koalition gebildet wird, muss trotzdem eine handlungsfähige Regierung gebildet werden." In Ostdeutschland sei die Parteienlandschaft anders als im Westen. "Wenn da vernünftige Menschen in der Linkspartei am Werk sind, vertut man sich nichts damit, nach vernünftigen Lösungen zu suchen." Da müsse die CDU pragmatisch sein und auf Scheuklappen verzichten. "Fast 30 Jahre nach dem Mauerfall gibt es auch durch eine Reihe regionaler Kooperationen ein gutes Stück Normalisierung zwischen CDU und Linken", so Günther.

Daniel Günther im Gespräch
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Schleswig-Holsteins Ministerpräsident verteidigt Parteichefin Merkel. Der CDU-Politiker ist über das Vorgehen der CSU empört: "Es gibt überhaupt keine Notwendigkeit, das jetzt übers Knie zu brechen."

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Das aber sieht man in seiner Partei mehrheitlich ganz anders. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer war alarmiert und verkündete alsbald: "Wir lehnen eine Zusammenarbeit mit Linken und AfD weiterhin klar ab", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. "Es reicht nicht, wenn da der eine oder andere pragmatische Kopf dabei ist." Auch für CDU-Vize Volker Bouffier ist eine Koalition seiner Partei mit der Linken unvorstellbar. "Die CDU und die Linkspartei trennen Welten", sagte der hessische Ministerpräsident. "Deshalb ist das für die Union und erst recht für die CDU Hessen keine Option." Bouffier steht derzeit im Landtagswahlkampf. Nach Umfragen reicht es für seine schwarz-grüne Koalition nicht mehr für die Mehrheit, die CDU bräuchte dann einen weiteren Regierungspartner.

Mit Thomas Strobl meldete sich ein weiterer stellvertretender CDU-Vorsitzender zu Wort und wies Günthers Überlegungen zurück. "Es gilt klipp und klar: Die Christlich Demokratische Union macht nichts mit Extremisten, nichts mit Links-, nichts mit Rechtsradikalen", sagte Strobl, der auch Innenminister in Stuttgart ist, der Rhein-Neckar-Zeitung. Mit Extremisten "koalieren, kooperieren oder kollaborieren Christdemokraten nicht." Darüber sei sich die CDU-Spitze einig. Offenbar damit das so bleibt, will Strobl das Thema demnächst im CDU-Präsidium ansprechen.

In der ostdeutschen CDU fand Günther zwar Widerhall, aber keinen positiven. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schrieb bei Twitter, die Positionen von CDU und Linken seien "unvereinbar". Alexander Dierks, Generalsekretär der Sachsen-CDU, schimpfte, offenbar mit Blick auf manche generelle Entwicklung in der CDU: "Langsam wird es verrückt." Man habe eine Zusammenarbeit in den letzten fast 30 Jahren immer abgelehnt. Vincent Kokert, CDU-Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern, findet, dass für eine Koalition derzeit die politischen Schnittmengen fehlten. Kokert immerhin schränkte ein: Er erlebe die Linke im Osten als relativ pragmatische Partei. "Viele ihrer Verantwortungsträger haben keinen Bezug mehr zum DDR-Unrecht." Der einzige führende ostdeutsche CDU-Politiker, der sich bereits in der Vergangenheit offen für eine Zusammenarbeit gezeigt hatte, Brandenburgs CDU-Chef Ingo Senftleben, sprang Günther nicht bei - obwohl der sich auf ihn bezogen hatte.

Nach einigen Stunden im Sturm reagierte Günther am Samstag mit einer Klarstellung. "Eine Koalition mit der Linkspartei lehne ich entschieden ab", sagte er. Ziel der Union müsse es sein, die politischen Ränder auf beiden Seiten kleinzuhalten. Seine Äußerung habe sich auf die konkrete Diskussion für den Fall bezogen, dass nach einer Landtagswahl keine Mehrheiten gegen Linke und AfD möglich seien. Diese Situation sei der CDU vor zwei Jahren in Sachsen-Anhalt nur knapp erspart geblieben.

Und die Linke selbst? Kaum Reaktionen. Den Fraktionschef im Bundestag, Dietmar Bartsch, ließ der kurzfristige Hauch eines "wind of change" in der CDU unbeeindruckt. "Demokratische Parteien müssen prinzipiell gesprächsbereit sein, aber Union und Linke trennen in zentralen Fragen politische Welten", sagte Bartsch, der zu den Pragmatikern gezählt wird. Das werde die Linke "in allen Wahlkämpfen auch sichtbar machen."

© SZ vom 13.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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