Koalitionsbruch in Österreich:Ende einer zerrütteten Beziehung

Die große Koalition in Wien war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die ÖVP will nun aus der Agonie der SPÖ Profit ziehen, doch lachender Dritter wird vermutlich die rechtspopulistische FPÖ sein.

Michael Frank, Wien

Das alte, etwas überstrapazierte Postulat, lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, passt gut auf das, was da in Österreich in den letzten anderthalb Jahren stattgefunden hat.

Koalitionsbruch in Österreich: Er tritt ab: Bundeskanzler Alfred Gusenbauer.

Er tritt ab: Bundeskanzler Alfred Gusenbauer.

(Foto: Foto: Reuters)

Beide Koalitionspartner, Volkspartei und Sozialdemokraten, haben sich binnen eineinhalb Jahren ihres gemeinsamen Regierens nicht in ihre jeweils neue Rolle finden können.

Die Sozialdemokraten haben ihre plötzliche Ankunft in der Regierungsverantwortung bis heute nicht wirklich verdaut. Sie scheiterten an dem Vorhaben, großartige Versprechungen aus Wahlkampfzeiten in der Regierungsverantwortung durchsetzen. Bald standen sie im Ruf, vor dem eisernen Widerstand der christsozialen ÖVP allzu oft klein beigegeben zu haben.

Die ÖVP wiederum hat den Verlust des Kanzleramtes für eine Art Irrtum der Geschichte gehalten. Beide Seiten blockierten einander seither, stritten mehr als die Inhalte hergaben. Die Volkspartei richtete ihr Hauptaugenmerk darauf, ja nichts von dem, was sie in der Rechtskoalition beschlossen hatte, wieder abgeben zu müssen.

Insbesondere aber war sich das Personal, angefangen bei Kanzler Gusenbauer und Vizekanzler Molterer, von Haus aus nicht grün. Vor allem der frühere Bundeskanzler Schüssel wirkte als Fraktionsvorsitzender der ÖVP im Hintergrund eher zersetzend als konstruktiv .

Lesen Sie auf Seite zwei, was den Ausschlag für das Ende der zerrütteten Beziehung von SPÖ und ÖVP gegeben hat.

Ende einer zerrütteten Beziehung

Den Ausschlag hat am Ende einer zerrütteten Beziehung aber die Agonie der Sozialdemokraten gegeben. Vor kurzem erst hat Bundeskanzler Alfred Gusenbauer den Parteivorsitz abgegeben. Eigentlich wollte die SPÖ den als Umfaller empfundenen Gusenbauer als Kanzler absetzen, ihm dafür zum Trost die Parteiführung belassen. Gusenbauer drehte den Spieß um, schlug vor, den Infrastrukturminister und Koalitionskoordinator Werner Faymann zum Parteivorsitzenden zu machen, während er künftig den Rücken frei habe und ein starker Kanzler sein werde.

Nun hat auch Gusenbauer eingesehen, dass er die Vergangenheit und nicht die Zukunft der SPÖ ist: Zur Neuwahl im September tritt er gar nicht mehr an. Spitzenkandidat wird nun Faymann - der damit die unumstrittene Nummer eins in der Partei ist.

Die ÖVP geht mit Spitzenkandidat Wilhelm Molterer zuversichtlich in die Wahl, Umfragen sagen ihr im Moment den ersten Platz voraus. Doch das kann trügerisch sein: Österreichs Bevölkerung bestraft gerne jene, die vorzeitige Neuwahlen vom Zaun gebrochen haben. Wer ist schuld daran, das wird die große Frage des Wahlkampfes.

So richtig wollte die Wahl auf beiden Seiten niemand, da niemand einschätzen kann, wie sehr die rechtsnationalen Freiheitlichen von der zerrütteten Lage profitieren werden.

In letzten Umfragen haben sie wieder eine Marge über 20 Prozent erreicht, wie zu den besten Zeiten des Jörg Haider. Diesmal mussten sie nicht viel dafür tun, konnten in Ruhe abwarten, dass der gegenseitige Zermürbungsprozess in der Koalition ihnen die Wähler zutreibe.

Die Grünen, die in all den Auseinandersetzungen der letzten anderthalb Jahre eine konstruktive Rolle des Moderators und Ordnungsrufers gespielt haben, sind darüber chronisch konturenlos geworden und haben dem populistischen Getöse aus den anderen Parteien nur mehr wenig entgegenzusetzen.

Bleibt die klamme Erwartung, dass nach der vorgezogenen Neuwahl wieder eine große Koalition nötig wird. Oder dass eine der großen Parteien eine Koalition mit der FPÖ eingehen muss.

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