Koalitionsstreit zum Frühstück:Je später der Gast, desto mieser die Laune

Andrea Nahles kommt zum Koalitionsgipfel ins Kanzleramt

Andrea Nahles, Vorsitzende der SPD, vor dem Bundeskanzleramt.

(Foto: picture alliance/dpa)
  • Der Koalitionsgipfel am späten Dienstagabend hat keine Einigung im Asylstreit gebracht. Danach treten die Verhandler von CDU, CSU und SPD nacheinander im Frühstücksfernsehen auf.
  • Der ewige Unionsfraktionschef Kauder betont die Handlungsfähigkeit der Union, SPD-Chefin Nahles ist unerquickt und CSU-Landesgruppenchef Dobrindt ist im Kampfmodus.
  • Was alle betonen: Sie haben sich auf Details beim Baukindergeld einigen können.

Von Nico Fried, Berlin

Früher hielten Koalitionäre es noch für nötig, den des Nachts vor dem Kanzleramt wartenden Journalisten nach ihren Krisensitzungen ein paar Brosamen der Information zuzuwerfen. Damals trat häufig Volker Kauder vor die Kameras. Kauder ist der ewige Fraktionsvorsitzende der Union, so ewig wie seine Kanzlerin. Kauder begann seine Ausführungen jahrelang stets mit den Worten: Die Koalition, welche auch immer, habe wieder gezeigt, dass sie handlungsfähig sei.

Mittlerweile gehen Kauder und die übrigen Herrschaften nach Sitzungen des Koalitionsausschusses erst einmal ins Bett und stellen sich morgens leidlich ausgeschlafen ins Frühstücksfernsehen. Ansonsten aber ist alles gleich: Als Erster kommt um kurz nach sieben Uhr der ewige Fraktionschef und seine Botschaft lautet, die Koalition sei handlungsfähig.

An diesem Mittwochmorgen macht er das an der Einigung über das Baukindergeld fest. Es soll nun für drei Jahre begrenzt beantragt werden können, maximal 12 000 Euro über zehn Jahre, die Begrenzung der erlaubten Quadratmeterzahl ist vom Tisch, und die Koalitionäre erwarten sich davon einen "schnellen Schub für den Wohnungsbau", wie es Kauder formuliert. Mehr Konkretes ist in den vier Stunden nicht herausgekommen, die Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU), Alexander Dobrindt (CSU), Andrea Nahles und Olaf Scholz (beide SPD) und Kauder beisammensaßen. Das sei aber keineswegs ein Zeichen dafür, dass die Arbeit der Koalition vom unionsinternen Streit über die Migration behindert werde. "Das stimmt ja nicht", mosert Kauder.

Eine Einigung in der Migrationsfrage hat es im Koalitionsausschuss nicht gegeben. Das sei auch gar nicht zu erwarten gewesen, so Kauder. Die SPD habe erst einmal wissen wollen, "wie die Dinge stehen".

Wenn die entsprechenden Informationen zur Zufriedenheit des sozialdemokratischen Koalitionspartners ausgefallen sein sollten, dann lässt sich Andrea Nahles das jedenfalls nicht anmerken. Die SPD-Partei- und Fraktionschefin durfte vor ihrem Auftritt im Fernsehen eine knappe halbe Stunde länger schlafen als Kauder, aber ihre Laune wirkt eher, als sei es andersherum gewesen.

Zwar ist Nahles zufrieden mit der Einigung beim Baukindergeld, auch wenn sie noch nicht verrät, wie der Finanzrahmen von zwei Milliarden Euro bei dieser Regelung eigentlich eingehalten werden soll. Was den Rest betrifft, zeigt sich Nahles aber unerquickt. Seinen berühmten Masterplan hat Innenminister Horst Seehofer wieder nicht mitgebracht, nur in Auszügen mündlich vorgetragen. Allerdings sagt die SPD-Frau auch, dass ihr dieser Plan mittlerweile sowieso egal sei. Der Migrationsstreit schwele weiter in der Union. Es sei zwar "okay", dass man nun die Verhandlungen der Kanzlerin in Brüssel abwarten wolle. Trotzdem sei es "unbefriedigend, dass wir auch in dieser Woche eine Hängepartie haben und nicht wissen, wie sie zu Ende geht". Man erwarte jetzt endlich eine Einigung und die Rückkehr der Union zur Sacharbeit.

In der Sache stellt sich Nahles erneut an die Seite der Kanzlerin. Was Seehofer mit den Abweisungen bestimmter Asylbewerber an der Grenze vorhabe, könne sich auf ganz Europa auswirken. "Das ist wie ein Dominoeffekt", sagt Nahles. Deshalb dürfe sich dieser "Alleingang nicht durchsetzen". Eine Lösung müssten aber schon die Unionsparteien und insbesondere Merkel und Seehofer finden. "Ich kann die Konflikte zwischen CDU und CSU nicht lösen."

Am längsten durfte Alexander Dobrindt in der Heia bleiben. Das macht aber auch keinen Unterschied, Dobrindt ist immer im Kampfmodus. Er hat seinen Auftritt im TV um acht Uhr und lobt als Erstes, man höre und staune, die Einigung beim Baukindergeld. Das sei schon "ein wesentlicher Punkt".

Zum Streit in der Union über die Migration aber hat er wenig Neues zu berichten - schon gar nicht irgendein Entgegenkommen. Die CSU wolle die Asylpolitik "vom Kopf auf die Füße stellen". Von ihrem Plan, bereits in anderen EU-Staaten registrierte Asylbewerber an der Grenze abzuweisen, werde die CSU nur abweichen, wenn es ein "gleiches, adäquates Verfahren" mit den europäischen Partnern gebe. Das müsse sich beim Gipfel am Wochenende entscheiden. Mehr Zeit für die Kanzlerin gibt's nicht. "Wir müssen jetzt handeln."

Unterm Strich waren es also, abgesehen selbstverständlich vom Baukindergeld, vier Stunden, in denen die Koalition nicht wirklich weitergekommen ist, und die Union schon gar nicht. "Sehr ernst" sei die Diskussion gewesen, berichtet Volker Kauder. Und Dobrindt sagt, man wisse ja, dass man derzeit eine "angespannte Lage" habe.

Immerhin im Zeitplan gibt es nun noch eine Neuerung: Nachdem am Sonntag in Berlin und München die Spitzengremien von CDU und CSU über Merkels Ergebnisse aus Brüssel beraten haben, soll am Montag die Unionsfraktion beraten - "miteinander", wie Kauder betont, was ja dieser Tage keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Mindestens so lange, wie Kauder bereits Fraktionschef ist, hat er sich auch daran gewöhnt, den ewigen Optimisten zu geben. "Ja, klar", antwortet er auf die Frage der an diesem Morgen voll beschäftigten ARD-Moderatorin Anke Plättner, ob die Koalition noch eine Zukunft habe. Und seine Erklärung dafür ist simpel: "Solange gesprochen wird, ist darauf zu hoffen, dass eine Einigung erzielt wird."

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