KoalitionEs droht ein Männerüberschuss

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Bärbel Bas, Arbeitsministerin und designierte Nachfolgerin von SPD-Co-Chefin Saskia Esken, könnte künftig die einzige Frau im Koalitionsausschuss sein.
Bärbel Bas, Arbeitsministerin und designierte Nachfolgerin von SPD-Co-Chefin Saskia Esken, könnte künftig die einzige Frau im Koalitionsausschuss sein. (Foto: Lisi Niesner/REUTERS)

An den Schaltstellen der Macht sitzen in der neuen Koalition so viele Männer, dass Union und SPD ein Problem haben: Der gemeinsame Koalitionsausschuss könnte ein fast reines Herrengremium werden.

Von Georg Ismar und Henrike Roßbach, Berlin

Als CSU-Chef Markus Söder zwei Tage nach der Bundestagswahl mit dem Kommentar „Wir sind bereit für einen Politikwechsel“ das Foto einer sechsköpfigen Männerrunde der Unionsspitze postete, hagelte es Hohn und Spott und Empörung. Der Tenor war, ob die Frauen in der Küche gewesen seien, als das Foto gemacht wurde. Demnächst könnten ähnliche Bilder drohen – wenn der Koalitionsausschuss der neuen Bundesregierung zum ersten Mal zusammentritt, das wichtigste informelle Entscheidungsgremium einer jeden Koalition.

In diesem Kreis sind die führenden Köpfe aus Partei, Fraktion und Regierung versammelt. Schwarz-Rot will regelmäßig in diesem Format tagen, um schwelende Konflikte schon in ihren Anfängen zu befrieden.

Man will es also anders machen als die zankende Ampel, auch was die Größe des Koalitionsausschusses angeht. Der nämlich war in der vergangenen Legislaturperiode derart groß geraten, dass er als Austragungsort zur Konfliktlösung nicht funktionierte. Die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sind beinahe schon traumatisiert von den Koalitionsausschüssen dieser Zeit, die oft zu endlosen Nachtsitzungen ausarteten. Klingbeil pocht daher dieses Mal auf ein mögliches kleines Format. Denkbar wären demnach sechs bis neun Leute.

Wie sich der Ausschuss zusammensetzt, sei „in finaler Abstimmung“, sagt Klingbeils Sprecherin

Wenn aber tatsächlich nur das absolute Top-Personal von Union und SPD im Koalitionsausschuss präsent sein sollte, ergäbe sich daraus ein heikles Gruppenbild mit Dame: Die einzige Frau wäre bislang SPD-Co-Chefin Saskia Esken – und nach dem SPD-Parteitag Ende Juni ihre designierte Nachfolgerin Bärbel Bas.

Auf Seiten der SPD gingen zwar vier von sieben Ministerposten an Frauen. Aber mit Co-Parteichef Klingbeil, Matthias Miersch als Fraktionschef und Tim Klüssendorf als designiertem neuen Generalsekretär sind diese für den Koalitionsausschuss eigentlich gesetzten Positionen männlich besetzt – genau wie bei CDU und CSU. Schon bei den Pressekonferenzen in den Koalitionsverhandlungen war Esken neben CDU-Chef Friedrich Merz, Söder und Klingbeil stets die einzige Frau.

Im Koalitionsvertrag heißt es: „Die Koalitionsparteien werden sich einvernehmlich auf die Besetzung des Koalitionsausschusses verständigen.“ Noch steht diese Verständigung offenbar aus. „Die Zusammensetzung des Koalitionsausschusses ist in finaler Abstimmung“, sagt Klingbeils Sprecherin.

Was die Union mache? Deren Sache, heißt es in der SPD

Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen, die schon den internen Umgang mit Esken im Streit um deren politische Zukunft kritisiert hatte, will auf SPD-Seite einen Verstoß gegen eine 50:50-Besetzung im Koalitionsausschuss nicht hinnehmen. „Parität ist kein Nice-to-have“, sagt die Vorsitzende Maria Noichl der Süddeutschen Zeitung, es sei ein Demokratieversprechen. „Es ist nicht akzeptabel, wenn der innerste Kern der Regierung Frauen aussperrt“, so Noichl. „Männer denken, das wäre Zufall. Frauen wissen, das ist Methode.“ Sie verlangt, dass die SPD zum Beispiel zwei Männer und zwei Frauen in das Gremium entsendet. Eine Option – zusätzlich zu Esken beziehungsweise zukünftig Bas – wäre aus ihrer Sicht die stellvertretende Parteivorsitzende Anke Rehlinger.

Bislang jedoch kann die SPD nur versichern, dass man mindestens eine Frau in den Koalitionsausschuss schicken werde. Was die Union mache, sei deren Sache.

Die „Sache“ allerdings hat auf Unionsseite eine über die Causa Koalitionsausschuss hinausgehende Tragweite. Vom Kanzleramt über das Kabinett bis zur Fraktion nämlich ist die Präsenz von Unionsfrauen in der allerersten Reihe mit „übersichtlich“ am besten beschrieben. Im Kanzleramt hat Merz schon fünf Abteilungsleiterposten mit Männern besetzt. Auch sein Büroleiter, sein Regierungssprecher, sein Kanzleramtsminister, der Staatssekretär: alles Männer. Einzige Ausnahme: Christiane Schenderlein, Staatsministerin im Kanzleramt für Sport und Ehrenamt.

Der Pool für die sogenannten Teppichhändler ist begrenzt

In den Ministerien sieht es etwas besser aus. Unter den Unionsministern, Parlamentarischen Staatssekretären und Staatsministern liegt der Frauenanteil immer bei mindestens einem Drittel. Nun allerdings zeigte sich beim Blick auf die neu sortierte Fraktion: Nachdem schon die neue Spitze mit Fraktionschef Jens Spahn, dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer Steffen Bilger und CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann abermals rein männlich besetzt wurde, gehen jetzt auch von den elf Stellvertreterposten nur drei an Frauen – und mit den Themen Bildung/Familie, Europa und Forschung/Staatsmodernisierung nicht die ganz großen Schwergewichte.

Auch von den fünf Parlamentarischen Geschäftsführern sind vier Männer, und selbst bei den fachpolitischen Sprechern kommen auf 19 Männer nur vier Frauen – für Gesundheit, Kultur, Familie und Recht.

Wenn man sich dazu in der Unionsfraktion umhört, begegnet einem zwar eine gewisse Zerknirschtheit. Allerdings wird – von verantwortlichen Männern – stets darauf verwiesen, dass der Frauenanteil in der Fraktion eben nur bei 23 Prozent liege. Der Pool, aus dem die sogenannten Teppichhändler bei der Verteilung der Posten schöpfen könnten, sei somit begrenzt. Zudem könnten Parlamentsneulinge meist nicht sofort Vize oder Sprecher werden, und ein gewisser Regionalproporz müsse auch eingehalten werden.

Andrea Lindholz (CSU), in der vergangenen Legislaturperiode selbst Fraktionsvize für Innenpolitik, davor Vorsitzende des Innenausschusses und inzwischen Bundestagsvizepräsidentin, sagt zu dem Komplex: „Aus meiner Perspektive gesprochen: Wichtig ist es, Frauen in der Politik gerade schon auf Orts- und Kreisebene als Kandidatinnen für politische Ämter zu fördern, Mut zu machen und selbst als Vorbild voranzugehen.“ Dann stehe am Ende auch ausreichend Personal für Spitzenpositionen zur Verfügung.

Die Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion bereitet derzeit eine Positionierung vor. Mitte März hatte sie in einem Beschluss einen Frauenanteil von 50 Prozent verlangt, „bei den zu besetzenden Positionen innerhalb der Fraktion, in weiteren Gremien, bei Beauftragungen und bei der bevorstehenden Regierungsverantwortung“. Am neuen Personaltableau lässt sich ablesen, wie sehr das die Fraktionsführung beeindruckt hat.

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