Koalitionen:Nur ein bisschen Liebe

AfD-Parteitag - Gauland und Pazderski

Der Berliner Landesvorsitzende Pazderski (r.) will, dass die AfD in den politischen Debatten konstruktiv mitredet. Fraktionschef Gauland (l.) will dagegen den Nimbus als Protestpartei wahren.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Manche in der AfD wollen die fortschreitende Radikalisierung der Partei stoppen. Sie würden stattdessen einiges dafür tun, um von Union oder FDP als möglicher Bündnispartner akzeptiert zu werden.

Von Jens Schneider

Es sollte ihre Stärke sein, nicht dazuzugehören. Gegen die anderen zu sein, damit ist die AfD seit ihrer Gründung im Jahr 2013 groß geworden. Die anderen, das sind in ihren Worten "Altparteien", etabliert und durch Jahre an der Macht verbraucht. Das sind noch die milden Attribute. Viele AfD-Gründer kamen von dort, der inzwischen ausgetretene Bernd Lucke war 33 Jahre Christdemokrat, Alexander Gauland mehr als vier Jahrzehnte.

Wer sich dann - wie Lucke oder auch Frauke Petry - Gedanken über eine mögliche Regierungsbeteiligung machen wollte, stieß in der AfD schnell auf Widerstand. Die Partei wanderte darüber weiter nach rechts, viele Moderate gingen. Es folgte ein beispielloser Aufstieg, der Einzug in 13 Landtage und in den Bundestag. Und nun dreht sich der Ton, bei einigen.

Ein Teil der Spitzenpolitiker der AfD will erkennbar dazugehören zu einem politischen System, das sie bisher so heftig verunglimpft haben. Andere dagegen empören sich, dass man nicht so werden solle wie die anderen. Misstrauisch sprechen sie über ihre Abgeordneten, die nun die Vorzüge ihrer Mandate entdeckten. In Hannover auf dem Parteitag könnte es Streit geben über Doppelmandate, wie sie nicht nur Parteichef Jörg Meuthen für sich reklamiert - und vielleicht sogar über die Frage einer Regierungsbeteiligung.

Manches an diesen Debatten erinnert an die quälenden Prozesse der Grünen, die durch viele Häutungen in Jahrzehnten zu einer etablierten Regierungspartei wurden. Allerdings gibt es da zwei gravierende Unterschiede: Die Grünen haben nie Ressentiments gegen andere Menschen zu ihrem wichtigsten politischen Mittel gemacht, wie es die AfD tut. Und sie nahmen eine Entwicklung zur Mitte. Die AfD aber begann rechts der Mitte und bewegte sich noch weiter nach rechts. Die eher moderaten Kräfte traten aus. So war es auch nur ein rhetorisches Spielchen, als jetzt Teile der AfD-Führung Union und FDP eine Tolerierung anboten, nachdem die Jamaika-Sondierungen gescheitert waren. Es geschah im Wissen, dass das Angebot ausgeschlagen, ja sogar ignoriert würde.

In Sachsen und Sachsen-Anhalt stehen Teile der Union der AfD näher als der SPD

Anders sieht das beim Vorstoß des Berliner Landesvorsitzenden Georg Pazderski aus, der die AfD auf Bundesebene verändern will. Auch er war lange in der CDU und ist im Berliner Abgeordnetenhaus sichtlich darum bemüht, in den politischen Debatten konstruktiv mitzureden. Auch er hält einen scharf rechtskonservativen Kurs, sucht aber den Kontakt zu anderen Fraktionen im Abgeordnetenhaus, gerade zu CDU und FDP, die er als potenzielle Partner sieht. Allerdings räumt er unumwunden ein, dass seine Partei "für die Übernahme von Verantwortung noch fitter" werden müsse. Und er gibt zu, dass dieser "Lernprozess", wie er es nennt, "seinen Preis" haben könnte: Wähler, die sich von der AfD abwenden. Die umworbenen Parteien in Berlin halten indes Distanz, auch wegen des Zustands der AfD.

Größere Affinität zwischen Union und den Rechtspopulisten gibt es in Sachsen-Anhalt oder Sachsen, wo Teile der CDU-Fraktion der AfD näher stehen als dem Koalitionspartner SPD. Noch hält man Abstand, auch mit Rücksicht auf CDU und CSU insgesamt. Und in der AfD dominieren auf Bundesebene Kräfte, die, wie Fraktionschef Gauland, den Nimbus als Protestpartei wahren wollen - in der großspurigen Hoffnung, einmal aufzusteigen auf Augenhöhe zur Union.

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