Koalition will private Pflegeversicherung fördern:Fünf Euro für die Falschen

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Schwarz-Gelb gibt den netten Onkel: Fünf Euro im Monat soll es geben, wenn man sich privat gegen das Risiko versichert, zum Pflegefall zu werden. Doch das hilft den Falschen. Gerade die besonders Betroffenen werden sich nicht zusätzlich absichern können - und die Pläne könnten zudem die gesetzliche Pflegeversicherung gefährden.

Guido Bohsem

Wollen die Regierenden ihre Bürger erziehen, treten sie wahlweise in zwei Rollen auf: Erscheint ihnen die Sache dringlich, geben sie den strengen Vormund. Ein Gesetz wird erlassen und basta. Wer sich nicht dran hält, wird bestraft. Ist ihnen die Sache nicht ganz so wichtig, spielen die Regierenden lieber den netten Onkel. Der straft nicht, sondern er belohnt genehmes Verhalten mit Geschenken.

Bei der privaten Pflege-Vorsorge, dem Pflege-Riester, soll es nach Beschluss der schwarz-gelben Koalition der nette Onkel sein, wenn auch in einer mäßig spendablen Ausführung. Fünf Euro im Monat will der Staat springen lassen, wenn ein Bürger sich gegen das Risiko versichert, zum Pflegefall zu werden. So soll die Lücke zwischen den Leistungen der (erzwungenen) gesetzlichen Pflegeversicherung und den tatsächlichen Kosten geschlossen werden.

Das hört sich ganz gut an. Doch greift die Koalition das Problem an der falschen Stelle an; und sie verwendet das falsche Handwerkszeug. Um das zu verstehen, muss man Folgendes wissen: Richtig teuer wird es für den Staat und damit für die Steuerzahler, wenn immer mehr Leute nicht mehr in der Lage sind, die Pflegekosten aus der eigenen Rente zu finanzieren. Das betrifft vor allem Langzeitarbeitslose und Menschen mit niedrigem Einkommen. Doch ausgerechnet diese Gruppe wird nicht in der Lage sein, einen Pflege-Riester abzuschließen. Wer Monat für Monat kaum über die Runden kommt, macht sich mehr Sorgen um die Gegenwart als um die Zukunft. Keinesfalls zahlt er 50 oder 60 Euro im Monat für eine zusätzliche Pflegeversicherung.

Wozu auch? Denn eine zusätzliche Absicherung lohnt sich für sie gar nicht. Kann ein armer Mensch die Kosten für das Pflegeheim nicht zahlen, springt die Sozialhilfe ein. Das heißt, wer sich als Langzeitarbeitsloser oder Geringverdiener einen Pflege-Riester anschafft, mindert nicht das eigene Finanzrisiko, sondern allenfalls das staatliche.

Ganz anders stellt sich die Lage für Gutverdiener oder Vermögende dar. Wer ein komfortables Auskommen hat, kann sich eine private Pflege-Police auch ohne Zuschuss leisten. Der Pflege-Riester bedeutet für diese Gruppe demnach vor allem eines: ein aus Steuergeldern gestütztes Programm zum Schutz des Erbes.

All das wäre vielleicht noch zu tolerieren, wenn das Vorhaben die gesetzliche Pflegeversicherung stärken würde. Doch das ist nicht der Fall. Sollte einmal wider Erwarten eine Mehrheit der 80 Millionen Bundesbürger einen privaten Versicherungsvertrag abschließen, kann das Folgen für die gesetzlichen Vereinbarungen haben: Eine weit verbreitete private Absicherung könnte den Regierenden dann als bequeme Argumentationshilfe für Kürzungen bei der gesetzlichen Pflegeversicherung dienen. Das kann unter Umständen richtig sein, wie es bei der Riester-Rente richtig war. Der große Unterschied ist jedoch, dass bei der Riester-Rente gleich von Kürzungen gesprochen wurde und nicht von einem Geschenk.

© SZ vom 06.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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