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Koalition verlängert Anti-Terror-Gesetze:Übrigens, wir regieren noch

Lange hat die Regierungskoalition um die Anti-Terror-Gesetze gestritten, pünktlich zur Sommerpause einigen sich Innenminister und Justizministerin endlich. Ihr lauer Kompromiss soll aber nur eines bezwecken: das schwarz-gelbe Bündnis als handlungsfähig darzustellen.

Thorsten Denkler, Berlin

Wenigstens ein Streitthema hat die Koalition jetzt doch noch vor der Sommerpause abgeräumt. Am Dienstagabend haben sich Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) auf eine befristete Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze geeinigt. Keine zwei Stunden brauchten sie, um sich im Abgeordnetenbüro des CSU-Ministers zu verständigen. Erstaunlich schnell bei einem Streit, der die Koalition seit Monaten beschäftigt.

Leutheusser-Schnarrenberger will, dass die FDP wenigstens noch als Bürgerrechtspartei wahrgenommen wird. Die Anti-Terror-Gesetze, die zum Jahresende auslaufen, sollten auf das Nötigste reduziert werden. Der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich hingegen sieht seine Aufgabe darin, sich als Law-and-Order-Mann zu profilieren. Er wollte nicht nur alle Anti-Terror-Gesetze verlängern, sondern auch noch neue Befugnisse für die Sicherheitsbehörden.

Durchgesetzt haben sich jetzt beide irgendwie und irgendwie auch nicht. Was sie da zusammengezimmert haben, ist ein Kompromiss ohne Sieger und Besiegte.

Gegenüber dem Ist-Zustand ändert sich nicht viel. Von den zehn Anti-Terror-Gesetzen werden sechs auf erneut vier Jahre befristet weitergeführt. Vier ohnehin irrelevante Befugnisse fallen weg. Darunter die Mikrofonverkabelung von Polizeibeamten zwecks Eigensicherung, bekannt auch als kleiner Lauschangriff. Sie kam nicht einmal zur Anwendung.

Dafür können die Behörden mit "Effizienzsteigerungen" rechnen, wie Friedrich sagt, wenn sie auf Flug- und Bankdaten von Verdächtigen zugreifen wollen. Etwa, indem sie jetzt auch auf zentrale Buchungssysteme zugreifen und Kontostandsabfragen durchführen können. Keine echte Neuerung, wie der Minister versichert, sondern lediglich eine Arbeitserleichterung.

Andererseits wird die Schwelle für die Anwendung der verbliebenen Anti-Terror-Gesetze leicht erhöht. Künftig müssen dafür echte Tatsachen und nicht allein Verdachtsmomente vorliegen. Und die Leiter der Sicherheitsbehörden, bisher oberste Kontrollinstanz, müssen sich künftig gegenüber dem zuständigen Ministerium verantworten.

In der Praxis dürfte das nur geringe Auswirkungen haben. Auch ein Verdacht muss mit Tatsachen begründet sein. Und dass sich der Chef des Bundeskriminalamts vom zuständigen Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium etwas sagen lässt, dürfte eher unwahrscheinlich sein.

Wenn die FDP etwas auf der Habenseite verbuchen will, dann vielleicht, dass sich Friedrich nicht mit weitergehenden Forderungen durchsetzen konnte. Der Zugriff auf Bankschließfächer oder die Erhebung von Bußgeldern bei Auskunftsverweigerung ist vom Tisch.

Weil das alles dann doch wohl etwas wenig ist, soll noch eine Regierungskommission unter Federführung der Bundesministerien für Justiz und Inneres eingesetzt werden. Sie soll die deutsche Sicherheitsgesetzgebung seit dem 11. September 2001 genauer unter die Lupe nehmen und hat auch den Auftrag, überflüssige Doppelstrukturen zu identifizieren. Das könnte etwa den Militärischen Abschirmdienst (MAD) treffen, der kaum andere Aufgaben wahrnimmt, als etwa der Bundesnachrichtendienst.

Ob es Ergebnisse noch vor Ende der Legislaturperiode geben soll, muss noch geklärt werden. Leutheusser-Schnarrenberger will bis dahin zumindest Zwischenergebnisse der Kommission sehen.

So dünn die Einigung auch ist, so sehr hoffen beide Ressortchefs, dass sie hilft, die Bundesregierung in ein besseres Licht zu rücken. Mehrfach betont Leutheusser-Schnarrenberger, dies sei ein Kompromiss zweier Fachminister, der ohne einen Vermittler zustande gekommen sei. Sie wiederholt das allerdings so oft, dass wohl nicht auszuschließen ist, dass im Hintergrund der eine oder andere Partei-, Fraktions- und Regierungschef seine Finger mit im Spiel hatte.

"Wir sind dazu gewählt, Entscheidungen zu treffen und wir haben es gemacht", sagt Friedrich, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. Am Schluss setzt er nach: "Die Regierung regiert. Wenn Sie etwas anderes lesen, glauben Sie es nicht."

Noch scheint Friedrich zumindest seinen Humor nicht verloren zu haben.

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