KoalitionsgesprächeStrengere Linie in der Sozialpolitik

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Zentrale Elemente des Bürgergelds will die angehende Regierungskoalition nun wieder rückgängig machen.
Zentrale Elemente des Bürgergelds will die angehende Regierungskoalition nun wieder rückgängig machen. (Foto: Carsten Koall/dpa)

Union und SPD planen schärfere Regeln für Hilfebezieher, das Bürgergeld soll weitgehend abgewickelt werden. Auf eine härtere Gangart gegenüber Asylbewerbern und die Reform der Renten konnten sich die Unterhändler dagegen bisher nicht einigen.

Von Roland Preuß, Berlin

Millionen Hilfebezieher in Deutschland müssen sich auf strengere Regeln einstellen. Dies zeichnet sich bei den Koalitionsgesprächen von Union und SPD ab, auch wenn zentrale Punkte noch umstritten sind. Der Verhandlungsstand lässt sich ablesen am Ergebnis der schwarz-roten Arbeitsgruppe zur Arbeits- und Sozialpolitik; das entsprechende zehnseitige Papier liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Demnach soll das Bürgergeld zu einer „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umgestaltet werden. Dies hatten die Verhandlungsspitzen bereits in ihrem Sondierungspapier Anfang März grundsätzlich festgehalten. Der sogenannte Vermittlungsvorrang wird demzufolge wieder eingeführt; das heißt, erwerbsfähige Menschen sollen vor allem in Jobs vermittelt werden und nicht in eine Aus- oder Fortbildung. Zudem sollen die bisherigen Schonzeiten für mögliches Vermögen oder eine relativ teure Wohnung wegfallen. Vermögenswerte sollen nur noch nach „Lebensleistung“ und nicht auf die Unterstützung angerechnet, Sanktionen gegen Hilfebezieher, die gegen Regeln verstoßen, verschärft werden. Zentrale Elemente des von der SPD mit eingeführten Bürgergelds würden damit rückgängig gemacht.

Die regelmäßigen Erhöhungen der Unterstützung sollen ebenfalls nach den Regeln des alten Hartz-IV-Systems vorgenommen werden. Auch das ist weniger vorteilhaft für Hilfebezieher, weil die Erhöhungen im Bürgergeld mögliche Preissteigerungen vorwegnehmen sollten. Umstritten sind noch folgende Punkte: Die SPD fordert für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen „mindestens eine Milliarde Euro zusätzlich“. Die Union verlangt eine Rückkehr zu „Eingliederungsvereinbarungen“, in denen Rechte und Pflichten von Arbeitslosen und Jobcenter verbindlich geregelt werden.

Eine Kommission soll Vorschläge für eine Reform des Sozialstaats erarbeiten

Ferner streben die Koalitionspartner in spe eine umfassende Reform des Sozialstaats an. Der bestehende Dschungel an Zuständigkeiten und Schnittstellen erfordere „eine grundsätzliche Betrachtung“, heißt es in dem Papier. Eine Kommission soll zusammen mit Ländern und Kommunen noch in diesem Jahr Vorschläge erarbeiten.

Eine härtere Linie geplant ist auch bei Asylbewerbern und ausreisepflichtigen Migranten. Was das konkret heißt, ist allerdings strittig. Die Union will das Bezahlkartensystem für Asylbewerber und abgelehnte Asylsuchende strikt durchsetzen und eine Umgehung, wie sie Flüchtlingsaktivisten etwa durch Tauschbörsen praktizieren, „unter Strafe stellen“. Zudem wollen CDU und CSU die Leistungen auf ein „Minimum“ absenken, insbesondere für Geduldete, Menschen, für deren Verfahren andere Staaten zuständig sind, und sonstige Ausreisepflichtige. Damit will die Union Ausreisepflichtige, die bisher in vielen Fällen im Land bleiben, zur Ausreise bewegen – und ihr Versprechen einer Wende in der Migrationspolitik einlösen. Die SPD-Verhandler haben dem so nicht zugestimmt.

In der Rentenpolitik sind sich die Verhandler zwar einig, das Rentenniveau zu „sichern“, allerdings geht die Union nicht mit bei der SPD-Formulierung, dies beim jetzigen Niveau von 48 Prozent zu tun. CDU und CSU wollen dieses Rentenniveau vielmehr neu definieren. Dieses orientiert sich bisher modellhaft an einem Beschäftigten mit 45 Beitragsjahren, die Union will den Modellarbeitnehmer künftig jedoch 47 Jahre arbeiten und das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre steigen lassen. Wer 45 Jahre arbeitet, würde damit eine geringere Rente erhalten. Das will die SPD, die im Wahlkampf ausdrücklich mit stabilen Renten für sich geworben hatte, zumindest bisher nicht mitmachen.

Die SPD pocht weiter auf einen Mindestlohn von 15 Euro

Strittig bleibt zudem das Thema Mindestlohn, auch dies ein zentrales SPD-Anliegen. 15 Euro in der Stunde seien mit neuen Maßstäben für die unabhängige Mindestlohnkommission 2026 „erreichbar“, hieß es im Sondierungspapier. Die SPD will darüber hinaus die Umsetzung festgeschrieben sehen und verlangt, dass Beschlüsse der Mindestlohnkommission anders als bisher „im Konsens getroffen werden müssen“. Bei der letzten Entscheidung waren die Vertreter der Beschäftigten überstimmt worden.  Diesem Wunsch hat die Union nicht zugestimmt.

Die 19-köpfige Runde der Chefunterhändler wird nun versuchen, aus den Vorlagen der insgesamt 16 Arbeitsgruppen einen Koalitionsvertrag zu formulieren.

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