KoalitionsvertragDas will die neue Regierung

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„Deutschland ist ein weltoffenes Land und wird es auch bleiben“, heißt es im Koalitionsvertrag. Allerdings will die neue Regierung die Asylpolitik deutlich verschärfen.
„Deutschland ist ein weltoffenes Land und wird es auch bleiben“, heißt es im Koalitionsvertrag. Allerdings will die neue Regierung die Asylpolitik deutlich verschärfen. (Foto: Thomas Niedermueller/Getty Images)

Kommt nun die Asylwende? Gehen die Steuern runter? Was geschieht mit den Renten? Die wichtigsten Punkte im Koalitionsvertrag von Union und SPD.

Von Markus Balser, Michael Bauchmüller und Claus Hulverscheidt, Berlin

Was Union und SPD nun vorhaben, füllt 4588 Zeilen und 144 Seiten. So mächtig ist das Vertragswerk, auf das sich die künftigen Koalitionspartner nach langen Verhandlungen verständigt haben. Es beschreibt den Kurs der neuen Regierung, sei es für die Wirtschaft, die Verteidigung oder die Zuwanderung. Doch was erwartet das Land und seine Bürgerinnen und Bürger in den kommenden vier Jahren? Ein Überblick.

Wirtschaft und Steuern

Um die anhaltende Wachstumsschwäche zu überwinden, wollen Union und SPD Investitionen fördern, Abgaben senken, Arbeitsanreize verbessern und Bürokratie abbauen. Betriebe, die investieren, sollen in den Jahren 2025 bis 2027 jeweils 30 Prozent ihrer Kosten steuermindernd abschreiben dürfen. Von 2028 an soll dann die Körperschaftsteuer für große Unternehmen in fünf Schritten von heute 15 auf zehn Prozent gesenkt werden – falls nach der Bundestagswahl 2029 auch die nächste Regierung mitspielt. Zudem sollen Firmen leichter wählen können, ob sie Körperschaft- oder Einkommensteuer zahlen wollen.

Auch Bürger und kleinere Unternehmen werden laut Vertrag „zur Mitte der Legislatur“ entlastet, allerdings fehlt hier bislang jegliches Detail. Der Solidaritätszuschlag, den allerdings nur noch Unternehmen und Spitzenverdiener zahlen, bleibt dagegen bestehen. Dafür verzichtet die künftige Koalition auf Steuererhöhungen für Vermögende, wie sie die SPD gefordert hatte. Die CSU setzte durch, dass der Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie wieder von 19 auf sieben Prozent gesenkt und das von der Ampelkoalition gestrichene Diesel-Privileg für Landwirte reaktiviert wird.

Um die Bürokratiekosten der Firmen zu senken, will die künftige Regierung unter anderem das nationale Lieferkettengesetz abschaffen. Es verpflichtet die Betriebe bisher dazu, auch bei Zulieferern im In- und Ausland die Einhaltung etwa von Kinderrechten zu überwachen, und galt als kaum handhabbar. Zudem sind massive staatliche Investitionen in Brücken, Schienenwege, Digitalnetze und andere Infrastrukturprojekte vorgesehen – finanziert aus dem 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf, den Union und SPD kürzlich mithilfe der Grünen im Grundgesetz verankert hatten. Geplant ist zudem ein „Deutschlandfonds“ im Umfang von 100 Milliarden Euro, der sich aus staatlichen, vor allem aber privaten Mitteln speisen und junge Unternehmen unterstützen soll.

Arbeit und Soziales

Das umstrittene Bürgergeld wird zu einer sogenannten „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umgebaut. Ziel ist, mehr Menschen dazu zu bewegen, eine Arbeit aufnehmen, statt Stütze zu kassieren. Um den Fachkräftemangel abzumildern, wollen Union und SPD flexiblere Arbeitszeiten ermöglichen und Anreize für freiwillige Mehrarbeit setzen. Dazu werden unter anderem die tägliche Höchstarbeitszeit durch eine wöchentliche ersetzt und Überstundenzuschläge von der Steuer befreit. Rentner sollen bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei hinzuverdienen dürfen.

Entscheidungen gibt es auch bei der Rente – allerdings entgegen vielfältigen Forderungen nicht zur Stabilisierung der Beiträge, sondern eher im Gegenteil: Obwohl immer weniger Beschäftigte immer mehr Ruheständler finanzieren müssen, garantiert der Staat zunächst bis zum Jahr 2031 weiter eine Standardrente von mindestens 48 Prozent des Durchschnittsverdiensts aller Versicherten. Zudem wird auf Druck der CSU die sogenannte Mütterrente ausgeweitet. Finanziert werden soll dies allerdings nicht aus Beitrags-, sondern aus Steuermitteln. Der Mindestlohn soll schrittweise auf 15 Euro pro Stunde steigen, zuständig bleibt allerdings die Mindestlohnkommission.

Migration und Inneres

Im Wahlkampf hatte Unionschef Merz eine Asylwende versprochen, und zwar von Tag eins seiner Kanzlerschaft an. Im Koalitionsvertrag klingt das weit weniger markig. „Deutschland ist ein weltoffenes Land und wird es auch bleiben. Das Grundrecht auf Asyl bleibt unangetastet.“ Dennoch werde die Regierung einen anderen Kurs in der Migrationspolitik einschlagen. So will sie Zurückweisungen an der Grenze künftig „in Abstimmung“ mit den Nachbarn auch auf Asylfälle ausweiten. Fraglich ist, ob das umsetzbar ist. Nachbarn wie Polen oder Österreich lehnen dies ab.

Klar ist dagegen: Die Liste sicherer Drittstaaten soll um Algerien, Tunesien, Indien und Marokko erweitert werden, was Abschiebungen erleichtert. Der Familiennachzug wird in Teilen ausgesetzt, freiwillige Aufnahmeprogramme gestrichen, die Zahl der Rückführungen soll steigen. Ausreisepflichtige Gefährder und Täter schwerer Straftaten sollen nach Haftverbüßung in Ausreisearrest kommen können – bis zur „freiwilligen“ Ausreise. Wieder zurückgedreht werden Erleichterungen bei der Einbürgerung. Die Möglichkeit zur Schnelleinbürgerung nach drei Jahren bei besonders guter Integration soll wegfallen.

Deutliche Verschärfungen sind bei der inneren Sicherheit geplant. So sollen Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden, IP-Adressen für die Aufklärung von Verbrechen drei Monate lang zu speichern. Die alte Regelung zur Vorratsdatenspeicherung war seit 2017 nicht mehr genutzt worden. Deutschlands Sicherheitsbehörden und Geheimdienste sollen reformiert und gestärkt werden, ebenso der Schutz vor Cyberangriffen und der Zivilschutz.

Verteidigung und Äußeres

Die Verteidigung zählt zu den heikelsten Aufgaben der nächsten Regierung. „Unsere Sicherheit ist heute so stark bedroht wie seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr“, heißt es im Koalitionsvertrag. Aus dem bisherigen Bundessicherheitsrat soll deshalb ein „Nationaler Sicherheitsrat“ werden, der im Kanzleramt angesiedelt ist. Dafür hatte sich die Union starkgemacht. Er soll die jeweilige Lage beurteilen und Strategien entwickeln. Auch ein nationaler Krisenstab soll entstehen. An der Unterstützung der Ukraine hält die neue Bundesregierung ohne Wenn und Aber fest; und auch an deren Nato-Beitrittsperspektive.

Die Verteidigungsausgaben will die Koalition „deutlich und stringent“ anheben. Allerdings findet sich dazu keine weitere Festlegung. Die Union hatte ursprünglich auf einen Umfang von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gepocht. Und auch die Aussetzung der Wehrpflicht wird erst einmal nicht beendet. Stattdessen wollen Union und SPD einen „neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert“. Noch in diesem Jahr schaffe man die „Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung“. Dafür hatten die Sozialdemokraten geworben.

Energie und Klima

Einen großen Kurswechsel bei der Energiewende wird es nicht geben. Union und SPD wollen weiter die erneuerbaren Energien ausbauen. Sie sollen flankiert werden von neuen Gaskraftwerken - allerdings von deutlich mehr, als es die Vorgängerkoalition vorgesehen hatte. Stromnetze sollen künftig wieder vermehrt mit Freileitungen ausgebaut werden – dafür hatte sich die Union starkgemacht. Und auch das umstrittene Heizungsgesetz will die Koalition wieder abschaffen, wie es die Union verlangt hatte. Es soll einem einfacheren Gesetz weichen, das die erreichbare CO₂-Minderung „zur zentralen Steuerungsgröße“ macht.

An den deutschen und europäischen Klimazielen will die neue Regierung nicht rütteln. Dabei sollen sich nun aber auch in „begrenztem Umfang“ Emissionsminderungen im außereuropäischen Ausland anrechnen lassen. Zentrales Instrument im Klimaschutz soll der Emissionshandel bleiben. Einnahmen aus dem CO₂-Preis sollen aber an Bürger und Unternehmen zurückgegeben werden. Ob dies über ein Klimageld läuft, bleibt offen. Sicher dagegen ist, dass es eine Entlastung bei den Strompreisen geben wird, bei Netzentgelten und Stromsteuer. Um fünf Cent soll der Strompreis so sinken. Einem durchschnittlichen Haushalt winkt damit eine Ersparnis von 150 Euro im Jahr. Vor allem die Industrie hatte zuletzt über hohe Strompreise geklagt.

Verkehr

Das Deutschlandticket soll erhalten bleiben. Es könnte aber von 2029 an teurer werden – „schrittweise und sozialverträglich“. Die grundlegende Bahnreform ist nur noch „mittelfristig“ geplant, eine Zerschlagung des Konzerns vom Tisch. Ein „Eisenbahninfrastrukturfonds“ soll die Erneuerung zentraler Bahntrassen über mehrere Jahre absichern.

Die Autobahn GmbH soll künftig Kredite aufnehmen können und die Lkw-Maut wieder ganz in die Straße fließen – bislang standen die Einnahmen zum Teil der Bahn zur Verfügung. Ein Tempolimit auf Autobahnen von 130 Kilometern in der Stunde findet sich nicht mehr in dem Papier. Das hatte die SPD verlangt, die Union aber abgelehnt. Auch das von der Union geforderte Kippen des Verbrennerverbots von 2035 an findet sich nicht im Koalitionsvertrag. Die Regierung setzt sich aber für „Technologieoffenheit“ in der Autoindustrie ein.

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