Bertelsmann-Studie:Koalition arbeitet zügig, und kaum einer merkt es

  • Die große Koalition hat nach der Analyse der Bertelsmann-Stiftung bereits 61 Prozent von 296 Versprechen umgesetzt oder bearbeitet.
  • Die Autoren der Studie sprechen von einer "rekordverdächtigten Halbzeitbilanz".
  • Fragt man aber die Bürger, glauben nur zehn Prozent, dass die Koalition gut arbeitet.

Die gute Nachricht für Union und SPD: Nach knapp zwei Jahren Amtszeit hat das Regierungsbündnis die meisten Vorhaben aus seinem Koalitionsvertrag umgesetzt oder bearbeitet. Die schlechte Nachricht für die Koalition: Diese Erkenntnis kommt bei der Bevölkerung nicht an. Das ist das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, die in Berlin vorgestellt wurde. Die Koalition selbst will im Oktober eine Halbzeitbilanz vorlegen; das wurde am Sonntag im Koalitionsausschuss beschlossen. Für die SPD soll danach über einen Fortbestand des Regierungsbündnisses entschieden werden.

"Die Studienergebnisse weisen auf eine rekordverdächtige Halbzeitbilanz der amtierenden Koalition hin", betonte Robert Vehrkamp, Demokratieexperte der Stiftung. "Arbeitet die Koalition in ihrem jetzigen Tempo weiter, könnte sie bis zum Ende der Legislaturperiode fast alle ihrer insgesamt 296 Versprechen eingelöst haben." Nach den Analysen der Forscher hat Schwarz-Rot nach knapp zwei Jahren Regierungstätigkeit bereits 61 Prozent ihrer Versprechen aus dem Koalitionsvertrag vollständig oder teilweise umgesetzt oder zumindest substantiell in Angriff genommen. Das ist deutlich mehr als ihre Vorgängerregierung zur Halbzeit geschafft hatte (49 Prozent). 43 Prozent der Versprechen seien demnach bereits vollständig umgesetzt, vier Prozent teilweise und 14 Prozent befänden sich gerade in der Gesetzgebungsrotation. 38 Prozent der Versprechen seien noch nicht eingelöst. Obwohl die SPD weitaus mehr Versprechungen in ihrem Wahlprogramm hatte als CDU und CSU, sind die Koalitionspartner bei der Umsetzung gleichauf. Von den von der Union geprägten Versprechen wurden bisher 44 Prozent, von den SPD-geprägten 45 Prozent umgesetzt, heißt es in der Studie.

Doch das alles hilft offenkundig nicht viel. Einer repräsentativen Umfrage zufolge, die die Stiftung ebenfalls veranlasst hat, ist nur jeder Zehnte in Deutschland der Meinung, dass die Versprechen des Koalitionsvertrages zu einem "großen Teil" eingelöst werden. Mehr als zwei Drittel (79 Prozent) glauben hingegen, dass von solchen Vorhaben "kaum welche" oder "etwa die Hälfte" umgesetzt werden. Um dieses Dilemma zu durchbrechen, empfehlen die Studienautoren, die Politik müsse besser zuhören und dann "fokussierter" erklären, wie und warum sie welche Ziele verfolgt und umsetzt. Auch an die Bürger wird appelliert: Die Öffentlichkeit solle erfüllte Versprechen auch anerkennen.

SPD-Interimschefin Manuela Schwesig äußerte sich zurückhaltend optimistisch zur anstehenden Halbzeitbilanz. Sie gehe davon aus, dass dieses Zwischenfazit "ganz gut" ausfallen werde, weil schon viel erreicht worden sei, sagte sie am Montag im Deutschlandfunk.

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