Koalition: Streit um EU-Finanzhilfen:Genörgel gegen Merkels Griechenland-Kurs

"Für Athen ist Geld da, für unsere Bürger aber nicht" - viele Koalitionsabgeordnete lehnen weitere Finanzhilfen für Griechenland ab und verweigern Angela Merkel die Unterstützung für ihren Kurs. Die Kanzlerin muss sogar um ihre Mehrheit bei der Abstimmung im Bundestag fürchten.

Claus Hulverscheidt

In der Koalition wächst der Widerstand gegen die Europapolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Protest richtet sich sowohl gegen mögliche neue Finanzhilfen für Griechenland als auch gegen den Aufbau eines dauerhaften EU-Krisenvorsorgefonds. Die Zahl der Kritiker ist mittlerweile so groß, dass Merkel befürchten muss, bei den Abstimmungen hierzu im Bundestag keine eigene Mehrheit zustande zu bringen.

Abgeordnete beider Koalitionsfraktionen sagten der Süddeutschen Zeitung, es sei nicht länger vertretbar, dass der deutsche Steuerzahler für die Schuldenpolitik ausländischer Regierungen geradestehen müsse. "Für Griechenland und den Rettungsschirm ist Geld da, für eine Entlastung unserer Bürger aber nicht. Das mache ich nicht mehr mit", erklärte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Jürgen Koppelin. Der liberale Finanzexperte Frank Schäffler sagte, Hilfszahlungen an Griechenland und ähnliche Staaten seien Geldverschwendung, weil sie die strukturellen Probleme vor Ort nicht lösten. "Selbst wenn wir den Griechen einen Teil ihrer Schulden erlassen, ändert das ja nichts daran, dass sie viel zu wenige weltmarkttaugliche Produkte haben", betonte er.

Allein für Griechenland haben die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds bisher ein Kreditprogramm im Umfang von 110 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Möglicherweise muss das Paket bereits im Herbst um weitere 60 Milliarden Euro aufgestockt werden. Mitte 2013 soll dann ein permanenter Rettungsschirm, der ESM (Europäischer Stabilisierungsmechanismus), aufgespannt werden. Deutschland müsste dazu 22 Milliarden Euro an Grundkapital und 170 Milliarden Euro an Bürgschaften beisteuern. Der CDU-Abgeordnete Manfred Kolbe sagte, mit dem ESM werde sich Europa endgültig "von den marktwirtschaftlichen Prinzipien der Eigenverantwortung und der Verlusthaftung verabschieden". Er persönlich werde sicher nicht mit einem einzigen Bundestagsbeschluss die Budgethoheit über 170 Milliarden Euro aus der Hand geben, sondern wie etwa bei der vorangegangenen Abstimmung über Griechenland mit Nein votieren.

Nach Angaben aus den Fraktionen haben bisher 14 FDP- und fünf Unions-Parlamentarier erklärt, dass sie Merkels Pläne nicht mehr mittragen wollen. Darüber hinaus gebe es "Dutzende" weitere Koalitionsabgeordnete, die der gleichen Meinung seien. Sollten nur einige von ihnen im Herbst im Parlament tatsächlich mit Nein votieren, wäre Merkel womöglich auf Stimmen von Oppositionsabgeordneten angewiesen. CDU/CSU und FDP stellen im Bundestag 20 Vertreter mehr als für die sogenannte Kanzler-Mehrheit nötig sind. Aus der SPD wurde bereits gestreut, Merkel könne die ESM-Abstimmung - wie einst ihr Vorgänger Gerhard Schröder - mit der Vertrauensfrage verbinden, um abtrünnige Koalitionsabgeordnete auf Linie zu bringen.

In der Union wurde das als "Unsinn" bezeichnet. Aus der Fraktionsführung verlautete, es gebe zwar Genörgel, bei der Fraktionssitzung am Dienstag hätten aber nur die Abgeordneten Klaus-Peter Willsch und Peter Gauweiler, "die üblichen Verdächtigen also", Kritik geübt. Merkel, Unionsfraktionschef Volker Kauder und der finanzpolitische Sprecher Klaus-Peter Flosbach hätten dagegengehalten. An anderer Stelle hieß es, die meisten Abgeordneten würden am Ende zustimmen, wenn ihnen klar werde, dass sie sonst den Bestand der Koalition gefährdeten. Mehrere Abweichler räumten ein, dass ihr endgültiges Votum noch nicht feststehe. "Das entscheide ich dann, wenn die Abstimmung ansteht", sagte etwa Koppelin.

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