Koalition: Schuldenbremse:Schwarz-Gelb erwägt Versteckspiel mit Schulden

Union und FDP erwägen nach SZ-Informationen, die neue Schuldenbremse zu umgehen - über einen Schattenhaushalt.

G. Bohsem, C. Hulverscheidt und T. Öchsner

FDP und Union suchen immer verzweifelter nach Möglichkeiten, um die Steuern trotz gigantischer Defizite in den Haushalten und Sozialkassen senken zu können. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung denken die angehenden Koalitionäre inzwischen sogar darüber nach, die erst im Juni im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse über einen Schattenhaushalt zu umgehen.

Über diesen Nebenetat sollen vor allen die milliardenschweren Löcher gestopft werden, die sich 2010 im Gesundheitsfonds und bei der Bundesanstalt für Arbeit (BA) auftun. Die Ausgaben würden nach den Plänen vor allem über neue Schulden und über den Gewinn der Bundesbank finanziert, der in diesem Jahr besonders hoch ausfallen dürfte.

Bausteine für ein Konzept

Die Finanz- und Haushaltsexperten von CDU, CSU und FDP kamen am Montag zu neuen Beratungen in Berlin zusammen. Ihr Auftrag war es, die entscheidenden Verhandlungen in der Koalitionsrunde mit den Parteichefs vorzubereiten.

In Anschluss an das Treffen zeigten sich die Teilnehmer zuversichtlich. Der Verhandlungsführer der FDP, Hermann Otto Solms sagte: "Diese Woche fällt noch eine Entscheidung."

Nach den Plänen der Experten sollen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), FDP-Chef Guido Westerwelle und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer verschiedene Bausteine erhalten, die sie dann zu einem Gesamtkonzept zusammenfügen können.

Einen ersten Steuerschritt soll es demnach bereits Anfang 2010 geben, vor allem bei der Unternehmen- und der Erbschaftsteuer. Hier geht es darum, die von der SPD durchgesetzte Gegenfinanzierung dieser Reformen an zentralen Punkten zu korrigieren. Setzen Union und FDP die Pläne um, würden im Erbfall Geschwister, Nichten und Neffen wieder weniger belastet als von der großen Koalition vereinbart.

Anfang 2011 dann will die schwarz-gelbe Koalition den Einstieg in eine große Strukturreform der Einkommensteuer in Kraft setzen. Dabei geht es darum, die Steuerlast für die Arbeitnehmer zu mindern und das System auf den von der FDP gewünschten Stufentarif umzustellen. CSU-Chef Horst Seehofer sagte in München, "das Jahr 2011 ist mit einer Steuerentlastung auf jeden Fall dabei".

Zur Not auf Pump

Einen zweiten Reformschritt bei der Einkommensteuer werde es dann 2012 geben, hieß es. Im Gespräch war zuletzt eine Entlastung von insgesamt 20 Milliarden Euro im Jahr. Im Koalitionsvertrag soll zudem eine Klausel verankert werden, die vorschreibt, wie hoch die Entlastung mindestens sein soll. Läuft die Konjunktur besser, soll auch die Höhe der Steuerentlastungen steigen.

Der Streit über die Steuern belastet die Koalitionsgespräche von Anfang an. Während FDP und CSU auf eine Senkung der Einkommensteuer bestehen, steht die CDU diesem Vorhaben weitaus skeptischer gegenüber. Sie verweist auf die enormen Schulden, die die öffentlichen Haushalte in den kommenden Jahren aufnehmen müssen.

Eine Steuersenkung in Milliardenhöhe würde das Problem noch verschärfen. Die stellvertretende FDP-Vorsitzende, Cornelia Pieper, sagte, zur Not müsse die Steuersenkung eben auf Pump finanziert werden.

Diese von der Schuldenbremse eigentlich untersagte Lösung, wollen FDP und Union nun mit einem Trick erreichen. Dreh und Angelpunkt ist der im Kampf gegen die Wirtschaftskrise eingerichtete Investitions- und Tilgungsfonds.

Dieser Finanztopf wird schon jetzt nicht vom Bundeshaushalt erfasst und entzieht sich damit der Schuldenbremse. Die Finanzexperten erwägen nun, einen Teil der bereits bewilligten Kredite, die in diesem Jahr nicht benötigt werden, auf den Fonds umzuschreiben.

Mit dem Geld soll dann die Finanzlage in der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit (BA) gelindert werden. Der Gesundheitsfonds wird 2010 voraussichtlich ein Defizit von 7,4 Milliarden Euro schreiben, die BA eines von 17 Milliarden Euro. Seehofer sagte, zumindest das konjunkturbedingte Minus im Fonds werde über Steuerzuschüsse ausgeglichen.

Die angehenden Koalitionäre kündigten zudem eine Reform der Bundesagentur an. "Dieses umfangreiche Gebilde lässt sich mit Sicherheit noch effizienter und besser gestalten", sagt die FDP-Haushaltsexpertin Claudia Winterstein der SZ. Dabei gehe es nicht nur um die Organisation der BA mit zehn Regionaldirektionen, 176 Agenturen für Arbeit, der Zentrale in Nürnberg und verschiedenen besonderen Dienststellen. Auch die arbeitsmarktpolitischen Instrumente müssten auf den Prüfstand.

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