Koalition nominiert Steinmeier:Unheimlich einig

Koalition nominiert Steinmeier: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (von links) und die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU).

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (von links) und die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU).

(Foto: Michael Sohn/AP)

Die drei Parteichefs präsentieren Steinmeier als Kandidaten für das Bundespräsidentenamt. Angela Merkel lobt ihre CDU, Horst Seehofer wird eine Spitze los - und der Nominierte hält eine Grundsatzrede.

Von Stefan Braun, Berlin

Da stehen die vier und geben sich glücklich. Alle gemeinsam. Als ob es nie eine andere Idee gegeben hätte - ja, als ob dieser eine Auftritt schon immer der Plan aller gewesen wäre. Angela Merkel lächelt wie immer, nämlich ein bisschen; Sigmar Gabriel schmunzelt zufrieden, das kann er derzeit ausgezeichnet. Horst Seehofer brummelt ein wenig, ganz bayrischer Löwe. Und Frank-Walter Steinmeier, der Mann in ihrer Mitte, schaut so glücklich drein, dass man glauben kann: der freut sich wirklich. Selten ist die Suche nach einem neuen Bundespräsidenten so mühsam gewesen; selten sind Erfolg und Niederlage so konkret ausgefallen. Und selten sind Sieger und Verlierer bei der Präsentation so froh nebeneinander gestanden.

Da ist zuallererst die Kanzlerin. Angela Merkel muss heftige Kritik aushalten, weil es ihr nicht gelang, in den eigenen Reihen eine Frau oder einen Mann aufzutreiben, die es in der Bundesversammlung mit Steinmeier hätten aufnehmen können. Die Verantwortung dafür liegt zwar auch bei denen, die zögerten oder strikt Nein riefen. Den Schlamassel ausbaden aber muss Merkel alleine. Und das macht sie gemessen an den Umständen recht passabel. Sie freue sich, sagt die Kanzlerin, dass man den Außenminister als "gemeinsamen Kandidaten" präsentieren könne. Er sei der richtige in dieser Zeit; die Menschen würden spüren, dass sie ihm vertrauen könnten. "Seine Erfahrung, seine Fähigkeit zum Ausgleich, seine Bodenständigkeit und seine Kenntnis der Welt" - das alles mache ihn zu einem sehr guten Nachfolger von Joachim Gauck.

Höflich klingt das; Lob schwingt mit. Merkels entscheidender Satz, jedenfalls für sie selbst, kommt jedoch ganz am Ende: "In einem Wort", so die Kanzlerin: "Ich freue mich, dass das Präsidium und der Bundesvorstand der CDU Deutschland meinem Vorschlag gefolgt ist." Man ahnt, wie groß ihre Sorge gewesen sein muss, dass das nicht so sein würde. Und man versteht in diesem Augenblick, warum Merkel die wenigen Sätze komplett vom Blatt abliest: Der Dank an die eigenen Leute, der durfte auf keinen Fall vergessen werden.

SPD-Chef Gabriel: "Es geht vor allem um das Vertrauen, das eine Persönlichkeit genießen muss."

Wie viel einfacher und schöner hat es da Sigmar Gabriel, der SPD-Chef. Und wie viel gelassener kann er reden. Ja, klar, natürlich freue auch ihn das jetzt hier mit Steinmeier. Aber noch viel bemerkenswerter sei es, dass die anderen beiden Parteien der großen Koalition das mittrügen. "Wenn wir also gemeinsam Frank-Walter Steinmeier vorschlagen, dann ist das eine gute Nachricht für Deutschland." Staatsmännisch will er klingen, nicht wie ein politischer Sieger. Wer in dem Augenblick die Kanzlerin oder den CSU-Chef ansieht, weiß nicht, ob sie über so viel Großmut glücklich sind oder es aus dem Munde von Gabriel noch mal als Strafe empfinden.

Gabriel, ganz der Großzügige, mag sich damit heute nicht lange aufhalten. Eher will er seine Idee noch einmal begründen. "Es geht vor allem um das Vertrauen, das eine Persönlichkeit genießen muss", so der SPD-Chef. Und es gehe um das Verantwortungsbewusstsein "für die liberale, die soziale, die demokratische Republik und die Grundwerte der Gesellschaft". All das sei bei Steinmeier gegeben "wie bei keinem anderen Politiker in Deutschland". Deshalb sei das Vertrauen in ihn so groß - "auch über die hier vertretenen Parteien hinaus".

Ob das stimmt und sich auch so niederschlagen wird bei der Wahl des neuen Präsidenten, lässt sich vor Februar kaum überprüfen. Sicher aber ist, dass sich nicht nur in der Linkspartei mancher bei so viel Lob für den Kandidaten dieser Tage noch mal an jene Zeit erinnert, als Steinmeier eher den harten Staat als den feinfühligen Politiker repräsentierte. Kaum zum ersten Mal Außenminister unter Angela Merkel, musste er sich im Frühjahr 2006 in einem Untersuchungsausschuss dafür rechtfertigen, dass die vormalige rot-grüne Regierung den als vermeintlichen Terroristen von den USA über Jahre unschuldig in Guantanamo festgehaltenen Deutsch-Türken Murat Kurnaz nicht nach Deutschland zurückgeholt hatte. Unter dem Eindruck der New Yorker Attentate und der Tatsache, dass manche Attentäter als Schläfer in Deutschland gelebt hatten, lehnte das Kanzleramt seine Rückkehr ab, was mindestens im Rückblick sehr hartherzig wirkte.

Horst Seehofer, der CSU-Chef aus Bayern, wird daran freilich eher nicht gedacht haben, als er Steinmeier in seinem sehr kurzen Auftritt lobt, die Unterstützung der CSU zusagt und dem Kandidaten anschließend "viel Glück in der Bundesversammlung" wünscht. Das klingt einerseits ganz vernünftig, der Mann ist noch nicht gewählt, auch wenn die Mehrheit erdrückend groß ist. Andererseits ist der kleine Hinweis genau das, was Seehofer gerne macht: seine Unterstützung mit einer Spitze zu verbinden, die schon wieder fast wie eine Drohung aussieht. Nach dem Motto: Wollen doch mal sehen, wie das ausgeht.

Und der Kandidat selbst? Er überrascht bei seiner Präsentation damit, dass er länger spricht als seine drei Unterstützer zusammen. Offenkundig will er nicht nur zeigen, dass er sich freut über die neue Perspektive. Steinmeier redet so ausführlich über sein künftiges Selbstverständnis, dass der Eindruck aufkommt, er könne nach seiner Wahl auf die Antrittsrede verzichten. So viel und so ausführlich redet er schon jetzt über das, was er vorhat. Er wolle die Gesellschaft gerade in angespannten Zeiten wie diesen zusammenführen, wolle jeder Form von Spaltung entgegenwirken. "Ein Bundespräsident darf kein Vereinfacher sein, er muss ein Mutmacher sein", so der Noch-Außenminister.

Mit diesem Ziel könnte er bei seinen drei Unterstützern vom Mittwoch gleich anfangen. Fragen nämlich werden nach den vier Erklärungen nicht zugelassen. Dabei ist vieles offen: Wer wird Außenminister? Wer tritt für die SPD als Kanzlerkandidat an? Macht's Merkel noch mal? Keine kleinen Baustellen, die da warten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: