Süddeutsche Zeitung

Koalition kündigt Steuersenkungen an:Das Fell des Bären

Die von der Regierung Merkel/Rösler angekündigte Steuersenkung ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Man kann die FDP verstehen, wenn sie nun unbedingt diese Trophäe für sich beansprucht - denn die Partei hat am meisten dafür bezahlt, dass die schwarz-gelbe Koalition bislang nicht geliefert hat, was versprochen war.

Nico Fried

Die Bundesregierung wird noch in dieser Legislaturperiode beschließen, die Steuern zu senken. Es ist noch nicht klar, wann die Steuern gesenkt werden; man weiß noch nicht, welche Steuern gesenkt werden; und offen ist auch noch, um wie viel die Steuern gesenkt werden. Trotzdem hat alleine die Ankündigung, Union und FDP wollten Steuern senken, den politischen Betrieb in Vibration versetzt. Die schwarz-gelbe Regierung, die explizit mit dem Versprechen angetreten war, die Steuern zu senken, kann aus dieser ganzen überraschten Aufregung vor allem lesen, wie wenig man von ihr noch erwartet, dass sie auch tut, was sie sich einst vorgenommen hat.

Die wirtschaftliche Lage hat sich verbessert, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Steuereinnahmen wachsen. Das sind gute Gründe, darüber nachzudenken, wie man die Bürger am Aufschwung beteiligt. Nachvollziehbar ist deshalb auch die Überlegung, dass von Lohnerhöhungen, die diesen Aufschwung für den Einzelnen erkennbar machen könnten, wirklich der Arbeitnehmer mehr profitieren sollte als der Staat. Die Entschärfung der sogenannten kalten Progression wäre mithin weniger eine Steuersenkung als die Beseitigung einer offensichtlichen Ungerechtigkeit im System.

Gewolltes, aber nicht gerechtes Ergebnis

Gleichwohl ist es schon bemerkenswert, dass die Regierung eine Steuerreform jetzt in Aussicht stellt, obwohl sie ihre im Sparpaket beschriebenen Ziele um mehrere Milliarden verfehlt; obwohl sie noch nicht sagen kann, was die Energiewende kostet; obwohl sie noch nicht weiß, was die Rettung des Euro in Griechenland und in Wer-weiß-noch-wo an Belastungen mit sich bringt; und obwohl ab 2013 auch noch mehrere Milliarden für den künftigen Euro-Rettungsschirm fällig werden. Wenn in einer Rechnung mit so vielen Unbekannten dennoch am Ende ein schönes Ergebnis steht, dann ist es gewollt, aber nicht gerechnet.

Der Begriff vom finanziellen Spielraum hat eben vor allem deshalb seine Berechtigung, weil seine Definition Teil des politischen Spiels ist. Folglich ist es auch kein Wunder, dass finanzpolitische Risiken in den ersten ein, zwei Jahren nach der Bundestagswahl offenbar ernster genommen wurden als sie nun, ein, zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl, genommen werden sollen. Politische Erfolge lassen sich zwar nicht kaufen. Wenn CDU, CSU und FDP aber umgekehrt bis 2013 steuerpolitisch gar nichts mehr veränderten, würde das die Chancen aller drei Parteien mindern.

Die FDP, die von Angela Merkel, von Wolfgang Schäuble und von der Realität ausgehungert wurde, hat unter den drei Parteien den höchsten Preis dafür bezahlt, dass Schwarz-Gelb bislang nicht geliefert hat, was versprochen war. Man kann deshalb verstehen, dass sie gern ein Fell des Bären an ihrer gähnend leeren Trophäenwand hängen hätte.

Den Wert, den die Union ihrem Koalitionspartner noch beimisst, wird man auch daran erkennen können, ob es wirklich ein Bärenfell wird. Oder nur ein Karnickelpelz.

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SZ vom 24.06.2011/grc
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