Koalition in Baden-Württemberg:Kompromiss mit Zähneknirschen

Winfried Kretschmann wird Deutschlands erster grüner Ministerpräsident, doch in seinem Kabinett hat die SPD die Schlüsselressorts an sich gerissen. Die Stuttgart21-Gegner dürften aber zufrieden sein: Das Verkehrsministerium geht an einen grünen Politiker.

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Bis zuletzt rangen Grüne und SPD in Baden-Württemberg um die Verteilung der Ministerien, die Präsentation des ersten grün-roten Koalitionsvertrages einer grün-roten Landesregierung verzögerte sich um eine halbe Stunde. Am Ende hat der designierte grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann der SPD weitgehende Zugeständnisse gemacht: Die Sozialdemokraten können auf mehr und gewichtigere Ministerien verweisen: Arbeit, Inneres und Justiz gelten als Schlüsselressorts, ferner ist die Bildung und das neue Superministerium Finanzen und Wirtschaft in roter Hand. Die Grünen führen dagegen ins Feld, dass man sich Ressorts gesichert habe, die der eigenen Klientel lieb sind: Umwelt, ländlicher Raum und Verbraucherschutz, Wissenschaft und vor allem Verkehr. Bis Mitte nächster Woche wollen beide Parteien ihr Personaltableau vervollständigen, viele Ämterbesetzungen sind aber schon absehbar. Ein Überblick.

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Nils Schmid, SPD Der SPD-Verhandlungsführer hat auch für sich selbst gut verhandelt: Als Superminister für Finanzen und Wirtschaft wird Schmid einen starken Konterpart zu Kretschmann geben können. Mit 37 Jahren dürfte er das jüngste Kabinettsmitglied sein. Der Prädikatsjurist war schon oft der Jüngste, im Landtag etwa, in den er 1997 als 23-Jähriger nachrückte. "Büble" nannten ihn die Kollegen, doch Schmid erwarb sich schnell Respekt als Haushaltsexperte. 2009 wurde der Verteidiger von Schröders Agenda-Politik SPD-Landeschef.

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Winfried Hermann, Grüne Den Grünen mangelt es nicht an scharfen Gegnern von Stuttgart 21, aber Hermann ist einer der schärfsten. Sollte er Verkehrsminister werden, dürfte der 58-Jährige der Bahn schlimme Kopfschmerzen bereiten. Seit 1998 sitzt der Deutschlehrer aus Tübingen im Bundestag, seit 2009 leitet er den Verkehrsausschuss. Zum Verdruss mancher Parteifreunde setzt er sich für die Olympischen Spiele 2018 in München ein. Außer Hermann ist noch der Landtagsabgeordnete Werner Wölfle am Job des Verkehrsministers interessiert.

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Reinhold Gall, SPD Der 55-Jährige aus der Nähe von Heilbronn ist ein Konservativer alter Schule, die es in der baden-württembergischen SPD noch häufig gibt. Zwei Jahre lang leitete er den Innenausschuss des Landtags, seit 2006 ist er parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Nach dem Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner lehnte er einen Untersuchungsausschuss zuerst ab, weil er um das Ansehen der Beamten fürchtete. Dann erntete er Lob für die sachliche Leitung des Gremiums. Jetzt wird der aktive Feuerwehrmann Innenminister.

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Franz Untersteller, Grüne Angefangen hat der gebürtige Saarländer als Berater der Grünen-Landtagsfraktion in Umweltfragen. 2006 wurde er selbst Abgeordneter und bald darauf umweltpolitischer Sprecher. Nun, mit 54 Jahren, dürfte er Umweltminister werden. In Stuttgart hat er ein Direktmandat geholt. Gegen ihn könnte nur sprechen, dass er manchen Grünen schon zu sehr nach Realo aussieht. Im Wahlkampf hat Untersteller schon lange vor Fukushima das Thema Energie beackert und Ministerpräsident Stefan Mappus in Sachen EnBW-Kauf zugesetzt.

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Rainer Stickelberger, SPD Der Lörracher Anwalt gilt als bescheidener Vertreter der politischen Klasse. "So viele Juristen gibt es bei uns halt nicht", sagte Stickelberger, als ihn Schmid für den Bereich Justiz ins SPD-Schattenkabinett berief. Nun gilt der 60-Jährige als gesetzt für das Amt des Justizministers, das er "ideologiefrei" ausüben will. Stickelberger, derzeit rechtspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, war Richter an den Verwaltungsgerichten Karlsruhe und Freiburg sowie stellvertretender Bürgermeister in Weil am Rhein.

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Katrin Altpeter, SPD Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion ist eine energische Frau mit einer Kurzhaarfrisur, die manche in der SPD auch im 21. Jahrhundert noch "frech" nennen. Energisch und frech entschloss sich die 48-Jährige aus Waiblingen nun als Erste, ihre Nominierung als Ministerin öffentlich zu machen. Altpeter soll das Portfolio Arbeit, Soziales und Gesundheit übernehmen. Schmid hat die gelernte Altenpflegerin und spätere Lehrerin für Pflegeberufe im Wahlkampf oft als Beispiel für die Praxisnähe der SPD angeführt.

Koalition in Baden-Württemberg

Warminski-Leitheußer

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Gabriele Warminski-Leitheußer, SPD Die Mannheimer Bildungsbürgermeisterin war ein Lichtblick in Schmids tatsächlich eher schattigem Schattenkabinett. Ohne landespolitische Erfahrung darf sie jetzt wahrscheinlich als Bildungsministerin das vielleicht ehrgeizigste Projekt der grün-roten Koalition lenken: die Schulreform, vor allem die Einführung der Gemeinschaftsschule. Die 48-jährige Juristin und Verwaltungswirtin stammt aus dem Ruhrgebiet. In Mannheim leitete sie das Jugendamt, bevor sie 2008 Bürgermeisterin wurde.

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Theresia Bauer, Grüne Die Hochschulexpertin und stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion ist die natürliche Kandidatin der Grünen für das Amt der Wissenschaftsministerin. Manche in der Partei fragen sich allerdings, ob nicht ein Professoren- oder zumindest ein Doktortitel nötig wäre, um von dünkelhaften Uni-Rektoren ernst genommen zu werden. Immerhin leitete die 46-jährige Bauer sechs Jahre lang die SPD-nahe Heinrich-Böll-Stiftung in Baden-Württemberg. Seit 2001 sitzt die zweifache Mutter aus Heidelberg im Landtag.

© SZ vom 29. April 2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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