Koalition:Dreiergipfel mit zwei Wahrheiten

Koalition: Nur sie wissen, was gesagt wurde: Die Parteichefs Horst Seehofer (CSU), Angela Merkel (CDU) und Andrea Nahles (SPD).

Nur sie wissen, was gesagt wurde: Die Parteichefs Horst Seehofer (CSU), Angela Merkel (CDU) und Andrea Nahles (SPD).

Horst Seehofer behauptet, er habe die nun gefundene Lösung im Fall Maaßen schon beim ersten Treffen vorgeschlagen. Stimmt nicht, sagt die SPD. Und die Kanzlerin? Sucht einen Mittelweg.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Wer hat was gesagt bei den Verhandlungen um die berufliche Zukunft von Hans-Georg Maaßen? Hat CSU-Chef Horst Seehofer der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles in der schwierigen Frage der Versetzung des Verfassungsschutzpräsidenten drei Vorschläge gemacht oder nur zwei? Hat Nahles abgelehnt? Und wer sagt da eigentlich nicht die Wahrheit?

Dienstag im Bundestag, der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer tritt aus dem Lift, er kommt zur Sitzung der Unionsfraktion. Eigentlich geht es um die Wahl des Fraktionsvorsitzenden. Seehofer aber wird seit Tagen mit ganz anderen Fragen bestürmt. Im Raum steht der Vorwurf der SPD, er habe seine Verhandlungsangebote im Fall Maaßen nachträglich besser dargestellt als sie waren. Seehofer wiederum gab zu verstehen, die SPD-Vorsitzende Nahles irre. Aussage steht da gegen Aussage.

Und jetzt? Plaudert Seehofer im Bundestag mit Journalisten - zu Maaßen kein Wort. "Mit der Koalitionsentscheidung ist für mich die Sache abgeschlossen", sagt er vor der Fraktionssitzung der Süddeutschen Zeitung. "An einer Verlängerungsdiskussion beteilige ich mich nicht." Im Übrigen gelte "nach wie vor alles, was ich in der Vergangenheit dazu gesagt habe".

Wer verstehen will, was da passiert ist, muss noch einmal zurück zu Hans-Georg Maaßen, der wegen seiner Äußerungen zu rechtsextremistischen Übergriffen seinen Posten als Verfassungsschutzpräsident räumen muss. Gefordert wird das zunächst von SPD-Chefin Andrea Nahles. Seehofer stellt sich hinter Maaßen. Es folgen drei Krisensitzungen der Parteichefs im Kanzleramt, bei denen um eine Lösung gerungen wird. Am Dienstag beschließt man, Maaßen zu versetzen und auf den Posten des Sicherheitsstaatssekretärs im Bundesinnenministerium zu befördern.

Nach Protesten aus der SPD gerät Parteichefin Nahles unter Druck. Es soll nachverhandelt werden. Aber auch Seehofer wird kritisiert: Wegen seiner Unnachgiebigkeit habe er eine Koalitionskrise ausgelöst. Seehofer wehrt sich. Im Interview mit Bild am Sonntag sagt er: "Ich habe Frau Nahles drei Vorschläge zu einer weiteren Verwendung von Herrn Maaßen gemacht." Die Leitung etwa des Bundeskriminalamts habe er vorgeschlagen, "eine Tätigkeit als Beauftragter für Sicherheit und internationale Zusammenarbeit" oder die Ernennung zum Staatssekretär im Bundesinnenministerium. "Frau Nahles hat die ersten beiden Angebote abgelehnt", so Seehofer.

In der Öffentlichkeit löst das Interview Erstaunen aus. Warum sollte Nahles Maaßens Beförderung auf den wichtigen Posten des Innenstaatssekretärs akzeptieren, wenn er auch einen deutlich weniger prominenten Posten hätte bekommen können, als "Beauftragter für Sicherheit und internationale Zusammenarbeit"? Und warum verriet der Minister Verhandlungsdetails? Es klang, als wolle Seehofer Nahles demütigen - und sein eigenes Entgegenkommen größer darstellen als es war.

Die SPD spricht von "Erinnerungslücken" des Innenministers

Am Sonntagabend, bei der dritten Krisensitzung, wird dann beschlossen, Maaßen zum "Sonderberater" für internationale Angelegenheiten zu machen. Seehofer erklärt am Abend, die Lösung sei längst angeboten worden: "So wie der Vorschlag jetzt vorgelegt und beschlossen worden ist, ist er schon einmal in der Runde der drei Parteivorsitzenden besprochen worden." Von Nahles' Leuten aber kommt dafür keine Bestätigung. Ein SPD-Sprecher weist Seehofers Äußerung scharf als "falsch" zurück. Am Montag, nach der Sitzung des Präsidiums, sagt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: "Es scheint, dass Herr Seehofer Erinnerungslücken hat."

Hat Seehofer die Wahrheit verdreht, um besser dazustehen? Oder war es Nahles? In der SPD besteht man darauf, dass nur zwei Alternativen zur Entscheidung anstanden - eine Leitungsposition für Maaßen im Bundeskriminalamt oder die Beförderung zum Staatssekretär. Es steht der Vorwurf der Lüge im Raum. Da meldet sich die Kanzlerin zu Wort: Das Verhandlungsergebnis, also der Beraterposten, baue "auf den Diskussionen des Dienstags auf", sagt sie. Das klingt vage, aber eher nach Seehofers Version der Dinge. Und Seehofers Leute legen nach. Nahles habe zunächst keinen Beraterposten für Maaßen gewollt, weil er nicht den Staatssekretären im Innenministerium zugeordnet werden sollte, sondern direkt dem Minister - eine schwer kontrollierbare Position für einen Beamten, dem die SPD nicht vertraut. Bei der SPD hört sich die Sache am Dienstag anders an. Aus dem Umfeld von Anderea Nahles ist nun zu hören, was zuvor schon SPD-Vize Ralf Stegner getwittert hatte: Nahles habe die Beraterlösung "selbst vorgeschlagen". Die Option eines Beraterpostens war demnach im Kanzleramt schon im Gespräch. Entscheidungsfähig auf dem Tisch aber habe sie nicht gelegen. Als Rückzug will man das in der SPD selbstverständlich nicht verstanden wissen - und die Debatte nun beenden.

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