Süddeutsche Zeitung

Koalition: Affäre Rumpelstilzchen:Wenn Stroh zu Gold wird

Das Binnenklima der Regierung Merkel ist vergiftet. Nachdem der Ärger über das Sparprogramm hochkocht, rätselt die Republik, ob Politik nicht manchmal ein Märchen ist.

Hans-Jürgen Jakobs

Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind; ach, wie gut dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!"

Die Bundesregierung in Berlin gibt immer neue Rätsel auf. Zur großen Frage, ob all die Milliarden zur Haushaltskonsolidierung wirklich zustande kommen, gesellt sich das Problem, ob in Angela Merkels Kabinett jemand "Rumpelstilzchen" an der falschen Stelle sagt.

Bei der Sparklausur des Bundeskabinetts am Sonntag und Montag muss es heiß her gegangen sein. Es wird berichtet von "Umgangsformen, die unterhalb der Zumutbarkeit lagen" - in diesem Sinn habe sich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in einem internen Zirkel geäußert.

Angeblich wurde der bayerische Freiherr ausgerechnet von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) als "Rumpelstilzchen" bezeichnet - den betreffenden Bild-Bericht wies die Bundesregierung am Mittwoch zurück. Danach soll es sich um ein Märchen des Boulevardblatts handeln, die Darstellung sei "unzutreffend", sagt Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans immerhin räumt einen Disput indirekt ein: "Was ich nicht ausschließen kann, ist, dass sich möglicherweise mancher Teilnehmer der Sparklausur insgesamt gewünscht hat, er könnte Stroh zu Gold spinnen." Aber davon abgesehen, seien die Berichte unzutreffend "in jeder Facette", betont auch Steegmans.

Bild hatte im Detail berichtet, im Zusammenhang mit Guttenbergs Beharren auf einer Aussetzung der Wehrpflicht soll das Zitat: "Der führt sich auf wie ein Rumpelstilzchen" gefallen sein. Als Urheber stehe Pofalla im Verdacht, schreibt das Blatt.

Minister Guttenberg selbst bestreitet die "Rumpelstilzchen"-Attacke nicht ausdrücklich. "Ich freue mich auch über tolle Vergleiche", kommentiert er humorvoll. Wenn er wie Rumpelstilzchen aus Stroh Gold spinnen könnte, "hätten wir die ganzen Sparprobleme nicht". Guttenberg ergänzt: "Dem Kollegen oder der Kollegin, die das möglicherweise in die Welt gesetzt hat, fehlt ein bisschen Textsicherheit."

Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte bereits am Dienstag über das "Rumpelstilzchen"-Zitat berichtet. Als Zusammenhang wurde hier genannt, dass Guttenberg mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aneinandergeraten sei.

Jedenfalls ist das Debattenklima zwischen den Koalitionsparteien so verschärft, dass sich mancher nach einem Happy Ende wie in Grimms Märchen sehnt. Da können sechs Geißlein im Bauch des bösen Wolfs überleben, der dann mit Steinen im selben in den Brunnen fällt und ertrinkt.

In den vergangenen Tagen eskalierten unter den Politikern die Kontroversen über die Gesundheits- und Sparpolitik. Besonders FDP und CSU fügten sich immer wieder üble "Verbal-Injurien", verbale Verletzungen, zu. Zuletzt hatte FDP-Staatssekretär Daniel Bahr der CSU im Streit über die Kopfpauschale im Gesundheitswesen vorgehalten: "Die CSU ist als Wildsau aufgetreten, sie hat sich nur destruktiv gezeigt". Die Christsozialen konterten mit dem Spruch, bei der FDP handele es sich um eine "Gurkentruppe".

In Parlamentskreisen heißt es nun: "So kann es nicht weitergehen." Sonst endet die Koalition am Ende noch wie Rumpelstilzchen. Das Männchen hatte sich in seiner Wut schließlich selbst mitten entzwei gerissen.

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