Bürgermeister getäuscht:Staatsschutz ermittelt nach Anrufen von Fake-Klitschko

Bürgermeister getäuscht: Gefälschtes Gespräch: Dieses Bild veröffentlichte die Berliner Staatskanzlei auf Twitter.

Gefälschtes Gespräch: Dieses Bild veröffentlichte die Berliner Staatskanzlei auf Twitter.

(Foto: Berliner Staatskanzlei)

Drei europäische Bürgermeister haben Videoanrufe angenommen, weil sie dachten, der Kollege aus Kiew sei dran. In Berlin und Madrid wurde man schnell misstrauisch. In Wien nicht.

Nach einem Fake-Telefonat eines vorgeblichen Vitali Klitschko mit Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ermittelt der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz der Kriminalpolizei. Es werde ein politisches Motiv angenommen, sagte ein Polizeisprecher am Samstagvormittag. In welche Richtung die Ermittlungen führen sei demnach von den Erkenntnissen abhängig, die die Ermittler erzielen.

Giffey hatte bei einer Videoschalte am Freitag Zweifel bekommen, ob sie tatsächlich wie geplant mit Kiews Bürgermeister verbunden war. Das Gespräch endete dann vorzeitig. Die Senatskanzlei geht von einer digitalen Manipulation aus: "Allem Anschein nach haben wir es mit Deepfake zu tun", sagte Senatssprecherin Lisa Frerichs.

Auch die Bürgermeister von Madrid und Wien bekamen Anrufe des falschen Klitschko. Der Madrider Bürgermeister José Luis Martinez-Almeida wurde bei dem Videotelefonat ebenfalls schnell misstrauisch und brach das Gespräch ab, wie der Sprecher des Bürgermeisteramtes, Daniel Bardavío Colebrook, bestätigte.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) merkte offenbar nichts. Am Mittwoch fand das Gespräch statt. Anschließend gab Ludwig sogar eine Pressemitteilung heraus. Und am Samstagsvormittag war auf seiner Twitterseite noch zu lesen, er habe die Möglichkeit gehabt, im Videotelefonat mit Klitschko "die aktuelle Situation in der Ukraine zu besprechen". Vier Tweets waren am 22. Juni dazu veröffentlich worden, inklusive Bild.

Einer ORF-Journalistin sagte Ludwig am Samstag, der Anrufer habe auf Englisch gesprochen. Die E-Mailadressen, über die das Gespräch vorbereitet wurde, hätten vertrauenswürdig gewirkt. Gegen Ende wäre der angebliche Klitschko dann fordernder aufgetreten. Man habe deshalb das Gespräch dann beendet, aber es sei dennoch kein Zweifel aufgekommen. Ludwig sagte dem ORF: "Nachdem in dem Gespräch keine verfänglichen Themen behandelt worden sind, ist das im konkreten Anlassfall sicher ärgerlich, aber kein großes Problem."

Deepfakes sind mit Hilfe von künstlicher Intelligenz erstellte Fotos, Audioaufnahmen oder Videos, die authentisch wirken, es aber nicht sind. Vorhandene Medieninhalte werden dabei weitgehend autonom verfälscht oder abgeändert.

"Das ist kriminelle Energie"

Bislang lässt sich nur darüber spekulieren, welche Art der Manipulation bei Giffeys Video-Telefonat mit dem falschen Klitschko verwendet wurde. Das ist Gegenstand der Ermittlungen.

Das von der Senatskanzlei veröffentlichte Foto zeigt Kiews Bürgermeister in einem Setting, das wie das eines Interviews mit einem ukrainischen Journalisten im Frühjahr aussieht. Klitschko trägt die gleiche hellbraune Jacke und im Hintergrund ist ebenfalls unter anderem die ukrainische Flagge zu sehen. Möglicherweise wurde das Videomaterial des damaligen Interviews als Grundlage verwendet und in Echtzeit mit dem Gesprochenen und den Lippenbewegungen desjenigen zusammengeführt, der tatsächlich mit Giffey sprach. Ein solches Vorgehen wird Face Reenactment genannt. Zu Beginn des Gesprächs sei gefragt worden, ob es auf Russisch stattfinden und übersetzt werden könne, so Giffey auf Twitter. Es wäre nachvollziehbar, dass sie also relativ wenig auf die Stimme ihres Gesprächspartners achtete, da sie der Übersetzung folgte.

Der echte Klitschko hofft jetzt auf ein baldiges Gespräch mit Giffey. Der Bild-Zeitung sagte Klitschko, nachdem er von dem Fake-Anruf bei Giffey und Madrids Bürgermeister José Luis Martinez-Almeida erfahren habe: "Ich hoffe, dass wir bald über meine offiziellen Kanäle telefonieren können." Klitschko fügte hinzu: "Ich brauche dann auch keine Übersetzer." Er forderte schnelle Ermittlungen zum Urheber des falschen Videotelefonats. "Das ist kriminelle Energie", sagte Klitschko in einem Video, das Bild am Samstag verbreitete.

Klitschko sagte: "Bei mehreren Bürgermeistern in Europa hat sich ein falscher Klitschko gemeldet, der absurde Dinge von sich gegeben hat." Klitschko betonte, offizielle Gespräch könne es nur über offizielle Kanäle in Kiew geben.

Zur SZ-Startseite
Bewegung bei Verhandlungen zu russischer Getreideblockade

SZ PlusUkraine
:Der Weizenkrieg

Auf der ganzen Welt sind Länder vom Getreide aus der Ukraine abhängig. Doch das steckt seit Russlands Angriff fest, es droht die schlimmste Not seit Jahrzehnten. Eine globale Geschichte über Nahrung als Geschäft - und Hunger als Waffe.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: