Dieser Liveblog ist archiviert und wird nicht mehr aktualisiert. Die aktuelle Berichterstattung finden Sie auf unserer Themenseite zur Bundesregierung.
Wichtige Updates
Die wichtigsten Momente der Generaldebatte
Miersch plädiert für AfD-Verbotsverfahren
Dröge: Klimapolitische „Bankrotterklärung“ der Regierung
Erste Analyse: Merz rühmt sich mit Erfolgen der Ampelkoalition
Merz: „Wir werden international wieder wahrgenommen“
Julia Bergmann
Bundestag beschließt Einsetzung von Corona-Enquete-Kommission
Gut zwei Jahre nach dem Ende der letzten bundesweiten Alltagsauflagen hat der Bundestag die Einsetzung einer Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen beschlossen. Die Kommission mit Abgeordneten und Experten soll bis Mitte 2027 einen Bericht erarbeiten. Der Bundestag beschloss die Einsetzung des Gremiums mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken. In der AfD-Fraktion gab es sowohl Nein-Stimmen als auch Enthaltungen.
Beleuchtet werden soll eine Reihe von Aspekten, darunter die Früherkennung mit Pandemieplänen und Vorsorge, der rechtliche Rahmen und die parlamentarische Kontrolle, Maßnahmen gegen die Virus-Ausbreitung und deren Auswirkungen, Impfungen und das Beschaffen von Schutzausrüstung wie Masken und Tests. Auch Hilfen für Unternehmen und den Arbeitsmarkt sowie Auswirkungen auf Kultur, Tourismus, Ehrenamtler und Vereine sollen näher betrachtet werden.
Der Kommission sollen 14 Abgeordnete und 14 Sachverständige angehören. Die Sachverständigen sollen im Einvernehmen benannt werden - mit angemessener Beteiligung von Ländern und Kommunen und ausgewogener Vertretung der Wissenschaftsdisziplinen und Gesellschaftsbereiche.
Eine umfassende, wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung der Pandemie und des staatlichen und gesellschaftlichen Handelns sei unerlässlich, um belastbare Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen, heißt es zum Untersuchungsziel. In der vorherigen Wahlperiode, gleich nach der akuten Krise, war eine große Auswertung nicht zustande gekommen. Union und SPD hatten dann im Koalitionsvertrag eine Enquete-Kommission vereinbart.
Die Aufarbeitung der Corona-Zeit dient der ganzen Gesellschaft, kommentiert Christina Berndt:
Beleuchtet werden soll eine Reihe von Aspekten, darunter die Früherkennung mit Pandemieplänen und Vorsorge, der rechtliche Rahmen und die parlamentarische Kontrolle, Maßnahmen gegen die Virus-Ausbreitung und deren Auswirkungen, Impfungen und das Beschaffen von Schutzausrüstung wie Masken und Tests. Auch Hilfen für Unternehmen und den Arbeitsmarkt sowie Auswirkungen auf Kultur, Tourismus, Ehrenamtler und Vereine sollen näher betrachtet werden.
Der Kommission sollen 14 Abgeordnete und 14 Sachverständige angehören. Die Sachverständigen sollen im Einvernehmen benannt werden - mit angemessener Beteiligung von Ländern und Kommunen und ausgewogener Vertretung der Wissenschaftsdisziplinen und Gesellschaftsbereiche.
Eine umfassende, wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung der Pandemie und des staatlichen und gesellschaftlichen Handelns sei unerlässlich, um belastbare Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen, heißt es zum Untersuchungsziel. In der vorherigen Wahlperiode, gleich nach der akuten Krise, war eine große Auswertung nicht zustande gekommen. Union und SPD hatten dann im Koalitionsvertrag eine Enquete-Kommission vereinbart.
Die Aufarbeitung der Corona-Zeit dient der ganzen Gesellschaft, kommentiert Christina Berndt:
Leopold Zaak
Die wichtigsten Momente der Generaldebatte
Offiziell geht die Generaldebatte bis um 13 Uhr, die wichtigsten Rednerinnen und Redner haben aber bereits gesprochen. Daher ein guter Zeitpunkt, um die wichtigsten Punkte der Debatte zusammenzufassen.
Erstmals hat Alice Weidel als Oppositionsführerin eine Generaldebatte eröffnet. Die AfD-Fraktionschefin hat Bundeskanzler Friedrich Merz hart angegriffen, hat ihm Wahlbetrug vorgeworfen und einen "Lügenkanzler" genannt. Weidel sprach zwar ruhiger als sonst, von der angestrebten Mäßigung war aber nichts zu sehen. Vor allem, als sie über Geflüchtete sprach.
Kanzler Friedrich Merz antwortete auf die Kritik an seiner Regierung. Die "undifferenzierte Herabwürdigung" weise er zurück. Er betonte, seine Regierung habe bereits jetzt viele Erfolge vorzuweisen. International werde Deutschland wieder wahrgenommen, in der Wirtschaftspolitik gebe es eine Wende, allgemein nehme er eine bessere Stimmung im Land wahr. Und er sagte: Deutschland solle ein "offenes, liberales und freiheitliches Land" bleiben.
Scharfe Kritik an Merz’ Regierung kam auch von den Grünen. Die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge warf der Koalition vor, vor allem ein Thema zu vernachlässigen: den Klimaschutz. Hier mache die Regierung Rückschritte, sie sprach von einer klimapolitischen Bankrotterklärung.
Matthias Miersch, der Fraktionsvorsitzende der SPD, zeigte sich in seiner Rede schockiert von den Worten Alice Weidels. Er frage sich, wie man „so eiseskalt, so hasserfüllt“ sprechen könne, sagte er. Die Rede der AfD-Fraktionsvorsitzenden sei ein Beispiel dafür, dass die Partei verfassungsfeindlich agiere. Er plädierte dafür, ein Verbotsverfahren anzustreben.
Heidi Reichinnek von den Linken nutzte Ihre Rede für einen Rundumschlag: gegen die AfD, gegen die Union und gegen die SPD. Der Regierung warf sie Kürzungen in der Sozialpolitik vor, AfD-Chefin Weidel nannte sie scheinheilig und fragte: „Wie lebt es sich in der Schweiz mit der doppelten Diät, Frau Weidel?“.
Leopold Zaak
Klöckner droht, Weidel aus dem Saal zu verweisen
Während Jens Spahn, der Fraktionsvorsitzende der Union, gerade über die Beschaffung der Corona-Masken spricht, wird er immer wieder von Alice Weidel von der AfD unterbrochen. Weil sie sich nicht beirren lässt, richtet sich Spahn direkt an sie. „Sie haben sich mal neue Regeln gegeben. So viel ist davon nicht zu merken“, sagt er in Anspielung auf Pläne der AfD-Fraktion, sich öffentlich mäßigen zu wollen.
Weil Weidel auch dann mit den Zwischenrufen nicht aufhört, ergreift Bundestagspräsidentin Julia Klöckner das Wort und weist sie zurecht. Als Weidel weiterhin spricht, sagt Klöckner unter dem Applaus zahlreicher Abgeordneter: „Wir zwei diskutieren hier nicht, sonst können Sie den Saal hier verlassen.“
Weil Weidel auch dann mit den Zwischenrufen nicht aufhört, ergreift Bundestagspräsidentin Julia Klöckner das Wort und weist sie zurecht. Als Weidel weiterhin spricht, sagt Klöckner unter dem Applaus zahlreicher Abgeordneter: „Wir zwei diskutieren hier nicht, sonst können Sie den Saal hier verlassen.“
Katharina Erschov
"Wie lebt es sich in der Schweiz mit der doppelten Diät, Frau Weidel?"
Linkenfraktionschefin Heidi Reichinnek gilt als pointierte Rednerin – sie nutzt ihren Auftritt in der Generaldebatte zunächst für eine Abrechnung mit der AfD. Die Rede von Alice Weidel nennt sie "scheinheilig". Sie gebe nur vor, „fürs Volk“ zu sprechen, mache aber Politik gegen die Interessen der Mehrheit: Denn wer sich gegen den Mindestlohn, die Gewerkschaften und Bürgerversicherung stelle, könne sich nicht sozial nennen. „Wie lebt es sich in der Schweiz mit der doppelten Diät, Frau Weidel?“, fragt Reichinnek in Richtung der Fraktionsvorsitzenden der AfD.
Dann kritisiert Reichinnek die Bundesregierung bei der Schuldenbremse. Dieses "gottgegebene" Instrument sei nun doch ausgesetzt worden. Sie fragt: Warum ginge das nicht auch bei der Vermögensteuer? Würde die Bundesregierung die Aussetzung der Vermögensteuer rückgängig machen, könne das eingenommene Geld für Soziales und Bildung eingesetzt werden.
Danach nimmt sie sich die SPD vor: Die Christdemokraten hätten der Partei auch das "letzte Stück Sozialpolitik" genommen, sagt sie. Sie könne schon nicht mehr wütend auf die Kollegen der SPD sein, sie täten ihr nur noch leid.
Dann kritisiert Reichinnek die Bundesregierung bei der Schuldenbremse. Dieses "gottgegebene" Instrument sei nun doch ausgesetzt worden. Sie fragt: Warum ginge das nicht auch bei der Vermögensteuer? Würde die Bundesregierung die Aussetzung der Vermögensteuer rückgängig machen, könne das eingenommene Geld für Soziales und Bildung eingesetzt werden.
Danach nimmt sie sich die SPD vor: Die Christdemokraten hätten der Partei auch das "letzte Stück Sozialpolitik" genommen, sagt sie. Sie könne schon nicht mehr wütend auf die Kollegen der SPD sein, sie täten ihr nur noch leid.
Michael Bauchmüller
Eine konstruktive Debatte – wenn man von der AfD absieht
Käme ein Außerirdischer nach Deutschland, hätte er nach dieser ersten Runde der Generaldebatte schon ganz gut verstanden, wie dieses Land tickt. Da ist eine Oppositionsführerin von der AfD, die vor allem Ängste vor Zugewanderten schürt. Ein Kanzler, der sich als Staatsmann gibt und eine neuerdings bessere Stimmung im Land ausmacht. Eine Grünen-Fraktionschefin, die auf den Klimaschutz pocht, ihn aber in dieser Regierung vermisst, und eine Linken-Fraktionsvorsitzende, die mehr Umverteilung von reich nach arm verlangt und einen „Haushalt der Hoffnungslosigkeit“ beklagt. „Ich habe den Eindruck, dass wir in den ersten Reden schon wahrgenommen haben, was in diesem Land los ist“, sagt SPD-Fraktionschef Matthias Miersch.
Recht hat er, und das spricht, nach dieser ersten Runde von Reden, für eine gar nicht schlechte, in Teilen sogar konstruktive Generaldebatte – sieht man von der AfD ab. Von Versuchen, sich zu disziplinieren, ist nach knapp zwei Stunden Debatte nicht viel zu spüren. Zwischenrufe, auch aus der ersten Reihe der erstarkten Fraktion, Gelächter, Verhöhnungen. Den demokratischen Rest des Parlaments, bei allen inhaltlichen Unterschieden, lässt das an diesem Mittwochvormittag zusammenrücken.
Kassian Stroh
Miersch plädiert für AfD-Verbotsverfahren
SPD-Fraktionschef Matthias Miersch beharrt auf der Forderung seiner Partei, gegen die AfD ein Verbotsverfahren einzuleiten – und er will Futter dafür in Alice Weidels Auftritt zu Beginn der Debatte gefunden haben: „Ihre Rede war ein Beispiel dafür, dass Sie verfassungsfeindlich agieren.“ Er frage sich, wie man „so eiseskalt, so hasserfüllt“ sprechen könne, sagt Miersch. „Sie haben von 'der Transformation des Staatsvolkes' gesprochen. Das erinnert mich an alte Zeiten, wo es um Rassenlehre ging“, sagt er.
Die SPD hat erst vergangene Woche auf ihrem Parteitag beschlossen, dass Bund und Länder Vorarbeiten für ein Verbotsverfahren aufnehmen sollten. Bei ihrem Koalitionspartner, der Union, ist da aber die Skepsis groß.
Miersch appelliert an alle Fraktionen im Parlament außer der AfD, am Freitag für die nominierten Kandidatinnen und Kandidaten für die offenen Stellen am Bundesverfassungsgericht zu stimmen. Um die nötige Mehrheit zu bekommen, sind CDU, CSU und SPD auf die Stimmen von Grünen und Linkspartei angewiesen – ob das zustande kommt, ist ungewiss. Weidel habe die von der SPD benannte Richterin Frauke Brosius-Gersdorf diskreditiert. Und das zeige „welche Verantwortung wir alle“ haben, sagt Miersch mit Blick auf die Fraktionen im Bundestag. Weidel hat in der Debatte zuvor gesagt, die SPD wolle im Verfassungsgericht „radikallinke Ideologinnen“ installieren und missbrauche dieses als „Werkzeug für linke Staatsdeformation“; diese Vorwürfe belegte sie nicht.
Wolfgang Janisch und Robert Roßmann über die Debatte über die Neubesetzungen am Bundesverfassungsgericht (SZ Plus):
Die SPD hat erst vergangene Woche auf ihrem Parteitag beschlossen, dass Bund und Länder Vorarbeiten für ein Verbotsverfahren aufnehmen sollten. Bei ihrem Koalitionspartner, der Union, ist da aber die Skepsis groß.
Miersch appelliert an alle Fraktionen im Parlament außer der AfD, am Freitag für die nominierten Kandidatinnen und Kandidaten für die offenen Stellen am Bundesverfassungsgericht zu stimmen. Um die nötige Mehrheit zu bekommen, sind CDU, CSU und SPD auf die Stimmen von Grünen und Linkspartei angewiesen – ob das zustande kommt, ist ungewiss. Weidel habe die von der SPD benannte Richterin Frauke Brosius-Gersdorf diskreditiert. Und das zeige „welche Verantwortung wir alle“ haben, sagt Miersch mit Blick auf die Fraktionen im Bundestag. Weidel hat in der Debatte zuvor gesagt, die SPD wolle im Verfassungsgericht „radikallinke Ideologinnen“ installieren und missbrauche dieses als „Werkzeug für linke Staatsdeformation“; diese Vorwürfe belegte sie nicht.
Wolfgang Janisch und Robert Roßmann über die Debatte über die Neubesetzungen am Bundesverfassungsgericht (SZ Plus):
Philipp Saul
Dröge: Klimapolitische „Bankrotterklärung“ der Regierung
Über ein Thema, behauptet die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge, rede Merz am liebsten gar nicht mehr. Sie hätte Stillstand von der neuen Regierung erwartet, aber „es ist einfach unfassbarer Rückschritt beim Klimaschutz“. Sie wirft der Koalition unter anderem vor, das Heizungsgesetz aufweichen und den Kohleausstieg verlängern zu wollen sowie klimafreundliche Subventionen zu kürzen. Dröge spricht von einer klimapolitischen „Bankrotterklärung“ und fährt das ganz große rhetorische Geschütz auf: „Wenn Sie so weitermachen, können Sie auch gleich hier stehen und sagen: 'Wir wollen den Planeten brennen sehen.'“
Philipp Saul
Dröge: „Wollten Sie nicht oder können Sie nicht, Herr Merz?“
Für die Grünen spricht die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. Schon in den Verhandlungen mit Union und SPD über das Schuldenpaket hatte sie Friedrich Merz das Leben schwer gemacht. Auch jetzt setzt sie im Bundestag auf Attacke: 850 Milliarden zusätzliche Schulden plane die Koalition bis 2029 ein, „und Sie kriegen es trotzdem nicht hin“, sagt Dröge. Das müsse man erst einmal schaffen.
Auch sie geht auf die Stromsteuer und die koalitionsinternen Debatten darüber ein. Sie wirft Merz vor, sein Wort „schon wieder“ gebrochen zu haben. „Wollten Sie nicht oder können Sie nicht, Herr Merz?“ Die CDU stehe in dieser Koalition wie ein „unsortierter Hühnerhaufen“ da.
Auch den Umgang mit Jens Spahn und der Maskenaffäre kritisiert Dröge. Aus dessen Zeit als Gesundheitsminister seien wohl Schäden in Milliardenhöhe entstanden, dennoch sei Spahn nach der Wahl zum Unionsfraktionsvorsitzenden befördert worden. Merz schaue weg.
Wegzusehen wirft die Grünen-Politikerin dem Kanzler auch beim Bundeshaushalt vor. Die Koalition gebe denjenigen Geld, „die es wirklich nicht brauchen“, und kürze bei denen, „die wirklich Unterstützung bräuchten“, etwa bei der Förderung von Kindern und Jugendlichen, bei Barrierefreiheit oder bei der Entwicklungshilfe.
Auch sie geht auf die Stromsteuer und die koalitionsinternen Debatten darüber ein. Sie wirft Merz vor, sein Wort „schon wieder“ gebrochen zu haben. „Wollten Sie nicht oder können Sie nicht, Herr Merz?“ Die CDU stehe in dieser Koalition wie ein „unsortierter Hühnerhaufen“ da.
Auch den Umgang mit Jens Spahn und der Maskenaffäre kritisiert Dröge. Aus dessen Zeit als Gesundheitsminister seien wohl Schäden in Milliardenhöhe entstanden, dennoch sei Spahn nach der Wahl zum Unionsfraktionsvorsitzenden befördert worden. Merz schaue weg.
Wegzusehen wirft die Grünen-Politikerin dem Kanzler auch beim Bundeshaushalt vor. Die Koalition gebe denjenigen Geld, „die es wirklich nicht brauchen“, und kürze bei denen, „die wirklich Unterstützung bräuchten“, etwa bei der Förderung von Kindern und Jugendlichen, bei Barrierefreiheit oder bei der Entwicklungshilfe.
Michael Bauchmüller
Erste Analyse: Merz rühmt sich mit Erfolgen der Ampelkoalition
Friedrich Merz kann zufrieden sein. Seinen Beitrag in der Generaldebatte hat er unfallfrei hinter sich gebracht – und dabei sogar den Eindruck erwecken können, er habe alles im Griff. Zuwanderung rückläufig, Bürokratieabbau unterwegs, alle internationalen Krisen in Bearbeitung. Bei seiner ersten Generaldebatte als Kanzler tritt Merz entschlossen an, und mit der AfD hat er auch einen Gegner, an dem er sich abarbeiten kann.
Was der Kanzler da verkündet, sind freilich längst nicht alles Früchte seiner gut zweimonatigen Kanzlerarbeit. Die Europäer haben sich mit dem Bürokratieabbau schon beschäftigt, bevor in Deutschland die Regierung wechselte. Merz rühmt sich trotzdem, „in kürzester Zeit“ einen Mentalitätswechsel in Brüssel geschafft zu haben. Der Rückgang der Zuwanderung in den vergangenen Monaten geht eigentlich zu Teilen auch auf das Konto der Ampel. Merz lobt sich dennoch dafür. Die tatsächlichen Errungenschaften der neuen Koalition sind so bescheiden, dass Merz selbst eine Entlastung für Bauern beim Düngen noch einführt. Aber zwei Monate sind auch nicht viel Zeit.
Doch Merz holt raus, was rauszuholen ist. Er umschmeichelt den Koalitionspartner, indem er sich bei den Sozialdemokraten für deren Einlenken beim Familiennachzug bedankt. Und er macht deutlich, wofür er stehen will – in Abgrenzung von der AfD: Deutschland müsse ein offenes, liberales Land bleiben – und vor allem ein tolerantes. Eine wichtige Botschaft in diesem Hohen Haus.
Kassian Stroh
Der Kanzler will den Nährboden der AfD austrocknen
So, wie er angefangen hat, so endet der Bundeskanzler auch: mit einer direkten Replik auf die AfD. Seine Regierung wolle, dass Deutschland "ein offenes, liberales, freiheitliches Land bleibt, und wir wollen vor allem, dass es ein tolerantes Land bleibt". Anders als die AfD. Mit diesem Versprechen ist Friedrich Merz ja auch angetreten: Sicherzustellen, dass die Rechtsextremisten wieder schwächer werden. Er nehme wahr, dass die Stimmung im Land wieder besser werde, sagt Merz. Er nehme aber auch wahr, dass viele Menschen "Sorgen und Ängste" hätten. Denen will er nach eigenem Bekunden begegnen.
Wie, das hat er in ein paar Minuten in der Mitte seiner Rede klargemacht: vor allem durch eine härtere Asyl- und Migrationspolitik. Mit mehr Grenzkontrollen, mit den nicht nur juristisch umstrittenen Zurückweisungen von Geflüchteten an der Grenze. "Wir wollen offene Grenzen und Freizügigkeit erhalten", ruft der Kanzler, "aber wir wollen es nicht für Migration."
Und was hat das mit der AfD zu tun? "Sie werden allmählich ihr politisches Kampfthema los, dem Sie Ihre Existenz verdanken", sagt Merz an die AfD gewandt. Denn: "Sie leben davon, dass Sie in Deutschland ständig Stimmung machen können." Merz' Botschaft: Die Politik seiner schwarz-roten Koalition werde diesen Nährboden für die Rechtsextremisten bald austrocknen.
Wie, das hat er in ein paar Minuten in der Mitte seiner Rede klargemacht: vor allem durch eine härtere Asyl- und Migrationspolitik. Mit mehr Grenzkontrollen, mit den nicht nur juristisch umstrittenen Zurückweisungen von Geflüchteten an der Grenze. "Wir wollen offene Grenzen und Freizügigkeit erhalten", ruft der Kanzler, "aber wir wollen es nicht für Migration."
Und was hat das mit der AfD zu tun? "Sie werden allmählich ihr politisches Kampfthema los, dem Sie Ihre Existenz verdanken", sagt Merz an die AfD gewandt. Denn: "Sie leben davon, dass Sie in Deutschland ständig Stimmung machen können." Merz' Botschaft: Die Politik seiner schwarz-roten Koalition werde diesen Nährboden für die Rechtsextremisten bald austrocknen.
Katharina Erschov
Merz "verhalten optimistisch", dass es bald ein Handelsabkommen mit den USA gibt
Die angedrohten US-Zölle will Kanzler Merz durch weitere Verhandlungen abwenden. Neuerdings betont der US-Präsident, dass es keine Fristverlängerung mehr für die Umsetzung geben werde. Die aktuelle Frist läuft bis zum 1. August, von da an sollen die Zölle gelten.
Bei seinem ersten Besuch im Oval Office konnte Merz offenbar einen Draht zu Trump aufbauen und kündigt nun Gespräche zum Zollstreit an. Er sei "jedenfalls verhalten optimistisch, dass es uns in den nächsten Tagen, spätestens bis zum Ende des Monats, gelingen könnte, hier zu einem Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu kommen", sagt der Kanzler.
Bei seinem ersten Besuch im Oval Office konnte Merz offenbar einen Draht zu Trump aufbauen und kündigt nun Gespräche zum Zollstreit an. Er sei "jedenfalls verhalten optimistisch, dass es uns in den nächsten Tagen, spätestens bis zum Ende des Monats, gelingen könnte, hier zu einem Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu kommen", sagt der Kanzler.
Kassian Stroh
Merz: „Wir werden international wieder wahrgenommen“
Merz' erstes großes Thema ist die Außenpolitik – es war ja auch das beherrschende seiner ersten Wochen im Amt. Und der Kanzler fängt mit der Ukraine an: In der Nacht hat Russland das Land mit mehr als 700 Drohnen und Raketen angegriffen, es ist die größte Angriffswelle seit der Großinvasion im Februar 2022. Dass seine Vorrednerin darauf mit keinem Wort eingegangen sei, spreche Bände, sagt Friedrich Merz mit Blick auf die AfD, die dem russischen Machthaber Wladimir Putin weit freundlicher gesonnen ist als die Bundesregierung.
Merz bekennt sich zur Unterstützung der Ukraine. Dass seine Koalition die Ausgaben für Verteidigung weitgehend von der Schuldenbremse ausgenommen hat, rechtfertigt er so: Hätte Deutschland das – wie von Linken und AfD gewünscht – nicht getan und damit nicht die Möglichkeit eröffnet, das neue Fünf-Prozent-Ziel der Nato zu erfüllen, dann wäre das Verteidigungsbündnis im 70. Jahr der deutschen Mitgliedschaft „auseinandergebrochen“. Merz macht klar, dass er als Kanzler der Außenpolitik größte Aufmerksamkeit zukommen lassen wird – und er will auch nach zwei Monaten im Amt bereits einen wichtigen Umschwung festgestellt haben: „Wir werden international wieder wahrgenommen und wir werden wieder ernst genommen.“
Merz bekennt sich zur Unterstützung der Ukraine. Dass seine Koalition die Ausgaben für Verteidigung weitgehend von der Schuldenbremse ausgenommen hat, rechtfertigt er so: Hätte Deutschland das – wie von Linken und AfD gewünscht – nicht getan und damit nicht die Möglichkeit eröffnet, das neue Fünf-Prozent-Ziel der Nato zu erfüllen, dann wäre das Verteidigungsbündnis im 70. Jahr der deutschen Mitgliedschaft „auseinandergebrochen“. Merz macht klar, dass er als Kanzler der Außenpolitik größte Aufmerksamkeit zukommen lassen wird – und er will auch nach zwei Monaten im Amt bereits einen wichtigen Umschwung festgestellt haben: „Wir werden international wieder wahrgenommen und wir werden wieder ernst genommen.“
Katharina Erschov
Merz will sich die Stimmung nicht vermiesen lassen
Deutschland stehe im dritten Jahr ohne Wachstum, doch erstmals seit Langem hellten sich die Erwartungen der Wirtschaftsforschungsinstitute wieder auf. Die Stimmung in den Unternehmen werde besser – "wir lassen uns das von Ihnen nicht vermiesen", ruft Merz in Richtung Weidel.
Auch auf die geplanten Staatsschulden geht Merz ein: Man nehme Schulden in Höhe von bis zu 500 Milliarden Euro auf – dies solle jedoch gezielt öffentliche und private Investitionen ermöglichen. Eine bessere Alternative sehe er nicht.
Erneut verteidigte der Kanzler die Entscheidung, die Stromsteuer vorerst nur für die Industrie und Landwirtschaft zu senken – nicht aber für alle Stromkundinnen und -kunden, wie ursprünglich im Koalitionsvertrag vorgesehen. Eine Entlastung auch für Privathaushalte sei zwar geplant, werde aber zunächst zurückgestellt. Merz bezifferte die aktuelle Maßnahme so: „Von den möglichen 200 Euro pro Familie und Jahr, die wünschbar gewesen wären zur Entlastung bei den Energie- und Stromkosten, setzen wir jetzt 150 Euro um.“
Auch auf die geplanten Staatsschulden geht Merz ein: Man nehme Schulden in Höhe von bis zu 500 Milliarden Euro auf – dies solle jedoch gezielt öffentliche und private Investitionen ermöglichen. Eine bessere Alternative sehe er nicht.
Erneut verteidigte der Kanzler die Entscheidung, die Stromsteuer vorerst nur für die Industrie und Landwirtschaft zu senken – nicht aber für alle Stromkundinnen und -kunden, wie ursprünglich im Koalitionsvertrag vorgesehen. Eine Entlastung auch für Privathaushalte sei zwar geplant, werde aber zunächst zurückgestellt. Merz bezifferte die aktuelle Maßnahme so: „Von den möglichen 200 Euro pro Familie und Jahr, die wünschbar gewesen wären zur Entlastung bei den Energie- und Stromkosten, setzen wir jetzt 150 Euro um.“
Kassian Stroh
Merz geht Weidel direkt an
Nun ist der Kanzler dran. Und er knöpft sich Alice Weidel gleich direkt vor. Harte Auseinandersetzungen seien im Parlament nicht nur erlaubt, sondern sogar notwendig, sagt Friedrich Merz in seinem ersten Satz. Und eine Regierung müsse sich auch "überzogene und selbst maßlose Kritik" anhören. Nicht aber "Halbwahrheiten, üble Nachrede und persönliche Herabsetzungen", schimpft Merz mit Blick auf die AfD-Fraktionschefin. "Frau Weidel, ich weise Ihre pauschale und undifferenzierte Herabwürdigung der Arbeit der neuen Bundesregierung mit aller Entschiedenheit zurück."
Foto: Reuters
Michael Bauchmüller
Berlin
Erste Analyse: Nicht Fisch, nicht Fleisch
Alice Weidel hat einen Spagat versucht, und er ist misslungen. Sie hat versucht, gleichzeitig den Kanzler von der CDU anzugreifen und dessen Fraktion zu umgarnen – das konnte nicht funktionieren. Es sagt aber viel über die neue Strategie der AfD. Disziplinierter will sie auftreten. Für Weidel bedeutet das an diesem Vormittag, auf einen wirklich kämpferischen Auftritt zu verzichten. Die Fraktionschefin der AfD tritt streckenweise auf wie eine Oberlehrerin. Der Inhalt aber ist von Hass durchsetzt, insbesondere gegen Migrantinnen und Migranten. Aus dem Bürgergeld macht sie ein "Migrantengeld", sie wähnt, trotz sinkender Zahlen, eine Welle der Zuwanderung, um die Zugewanderten dann zu kriminalisieren. Merz schlägt sie vor, „die nächste afghanische Großfamilie“ bei sich aufzunehmen. Es ist, in etwas ruhigerem Ton, die alte AfD-Platte, die Weidel da abspielt.
Am Ende bleiben in ihrer Rede zwei wesentliche Motive: Sie bedient den Fremdenhass und wirft der neuen Regierung Wählertäuschung vor – von der Schuldenbremse bis zur Stromsteuer. Doch es bleibt ein schwacher Auftritt, der weder den Kanzler in Bedrängnis bringt, noch Unionsabgeordnete ernstlich an der Koalition mit den Sozialdemokraten zweifeln lässt. Weidels Auftritt ist weder Fisch noch Fleisch.