Treibhausgas-Emissionen 2022:Deutschland schafft sein Klimaziel

Treibhausgas-Emissionen 2022: Die deutsche Industrie - hier holzverarbeitende Betriebe am Seehafen Wismar im Januar 2022 - hat im vergangenen Jahr deutlich weniger Treibhausgas-Emissionen verursacht.

Die deutsche Industrie - hier holzverarbeitende Betriebe am Seehafen Wismar im Januar 2022 - hat im vergangenen Jahr deutlich weniger Treibhausgas-Emissionen verursacht.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

2022 sind die Treibhausgase um fast zwei Prozent zurückgegangen, was auf Einbrüche in der Industrie zurückzuführen ist. In die falsche Richtung bewegt sich allerdings der Verkehr.

Von Thomas Hummel

Weil in der Industrie die Treibhausgas-Emissionen stark eingebrochen sind, hat Deutschland 2022 sein Klimaziel erreicht. Durch die gestiegenen Energiepreise in der Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine sparten die Unternehmen bei Strom, Gas und Öl, einige Branchen drosselten ihre Produktion.

Nach einer Prognose des Umweltbundesamts (UBA), die jetzt vorgestellt wurde, gingen dadurch die Emissionen in Deutschland insgesamt im Vergleich zum Vorjahr um 1,9 Prozent zurück auf 746 Millionen Tonnen sogenannter Kohlendioxid (CO₂)-Äquivalente. Das sind zehn Millionen Tonnen weniger als das Klimaschutzgesetz als Obergrenze festgelegt hat.

2045 soll Deutschland laut Gesetz klimaneutral sein

Im Sinne des Klimaschutzes sieht es in den anderen Sektoren weniger rosig aus. In der Energiewirtschaft stiegen die Emissionen durch den erhöhten Einsatz der Kohle wie erwartet an. Der Gebäudebereich konnte zwar den Ausstoß senken, liegt aber wie im Vorjahr über seinem Ziel. Problemkind der deutschen Klimapolitik bleibt der Verkehr. Hier stiegen die Emissionen sogar an, der Bereich von Minister Volker Wissing (FDP) lag neun Millionen Tonnen über der Zielmarke.

UBA-Präsident Dirk Messner erinnerte die Politik daran, dass sich die Klimaziele in den kommenden Jahren verschärfen. "Um die Ziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen, müssen nun pro Jahr sechs Prozent Emissionen gemindert werden. Seit 2010 waren es im Schnitt nicht einmal zwei Prozent", sagte er. Die Bundesrepublik liegt nun 40,4 Prozent unterhalb des Wertes von 1990, bis 2030 sollen die Treibhausgase um 65 Prozent sinken. 2045 soll das Land laut Gesetz klimaneutral sein.

Messner forderte vor allem ein wesentlich höheres Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien. "Wir müssen es schaffen, dreimal so viele Kapazitäten wie bisher zu installieren, um den Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung bis 2030 auf 80 Prozent zu steigern." Eine Hängepartie wie in den vergangenen Jahren dürfe es nicht mehr geben, alle Stolpersteine auf dem Weg zu mehr Wind- und Sonnenkraft müssen beseitigt werden, erklärte Messner.

Der UBA-Chef wies darauf hin, dass bei der Dekarbonisierung aller Bereiche die soziale Balance gewahrt werden müsse. "Der Abbau klimaschädlicher Subventionen kann hier wichtige Gelder freisetzen, die wir deutlich sinnvoller einsetzen können." Das dürfte auch ein Wink hinüber zum FDP-Verkehrsminister gewesen sein, dessen Bereich sich in die falsche Richtung bewegt. Zum zweiten Mal in Folge stiegen hier die Emissionen an.

Die FDP fordert noch mehr Zeit für eine CO₂-Reduzierung im Verkehrssektor

Überschreitet ein Sektor sein Ziel, muss der zuständige Minister binnen drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen, um wieder auf den Minderungspfad zu kommen. Wissing hatte im vergangen Jahr zwar einen solchen Plan vorgelegt, aber darin Maßnahmen verweigert, die die Emissionen nachhaltig senken könnten.

Er verwies auf das angekündigte Klimaschutzsofortprogramm der Bundesregierung, das jedoch bis heute nicht vorliegt. Wissings FDP drängt auf eine Aufweichung der Sektorziele, der Verkehr solle mehr Zeit für eine CO₂-Reduzierung bekommen, andere Sektoren dafür mehr tun. 2022 wäre diese Rechnung aufgegangen. Doch wollen Grüne und SPD den Verkehrsbereich bislang nicht aus der Verantwortung lassen.

Die Klima-Allianz Deutschland sieht deshalb im Vorgehen des Verkehrsministeriums einen anhaltenden Rechtsbruch. Der Bundeskanzler trage dafür die politische Verantwortung, ebenso für "die Geisterfahrt der FDP beim Klimaschutz", erklärt Stefanie Langkamp, Geschäftsleiterin Politik. Olaf Scholz dürfe die Arbeitsverweigerung im Verkehrsministerium nicht länger tolerieren und müsse wirksame Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen einfordern - "und damit die Einhaltung geltenden Rechts in Deutschland".

Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch, spricht von einem Offenbarungseid Wissings und fordert ebenfalls Kanzler Scholz auf, zu verhindern, "dass die Situation im Verkehrssektor völlig aus dem Ruder läuft". Ein am Montag veröffentlichtes Rechtsgutachten von Germanwatch bestätigte den juristischen Vorwurf gegen Wissing und Scholz.

Im Gebäudebereich sinken die Emissionen - aber nicht weit genug

Auch der Gebäudebereich liegt im zweiten Jahr oberhalb der Marke des Klimaschutzgesetzes, wobei hier die Emissionen im Vergleich zum Vorjahr sanken, wenn auch nicht stark genug. Auch hier bewirkten die hohen Energiepreise einen Spareffekt, zudem blieb der Winter relativ mild. Die CO₂-Bilanz dürfte die Debatte um ein Verbot für neue Öl- und Gasheizungen weiter befeuern. Sowohl die Europäische Union wie auch die Bundesregierung arbeiten gerade an Gesetzentwürfen, die den Umstieg hin zu klimaneutralen Heizungen beschleunigen sollen. Etwa durch strombasierte Wärmepumpen. Auch hier bremst die FDP.

Im Bereich Energiewirtschaft stiegen die Emissionen wie erwartet an, der Sektor blieb jedoch knapp unterhalb seiner Zielmarke. Weil russisches Erdgas ausblieb, holte die Bundesregierung unter anderem 14 bereits stillgelegte Kohlekraftwerke zurück ans Netz; die Verbrennung von Kohle ist besonders klimaschädlich. Schlimmeres verhinderte ein starker Anstieg der Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien.

So hat die Industrie die deutsche Klimabilanz 2022 gerettet, allerdings teilweise auf Kosten der eigenen Produktivität. "Zum Teil starke Energiesparmaßnahmen, aber auch schmerzhafte Produktionsrückgänge lassen die Emissionen deutlich einbrechen", analysiert Bals. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte zuletzt erklärt, dass vor allem energieintensive Branchen ihre Produktion drosselten. Das betraf etwa die metallverarbeitende und die chemische Industrie.

Schon 2009 während der Finanzkrise und 2020 im ersten Jahr der Corona-Pandemie waren die CO₂-Emissionen der Industrie erheblich zurückgegangen, aber nie auf ein so niedriges Niveau wie diesmal. Dabei reduzierte sich die Industrieproduktion zwar übers Jahr nur um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch erlebte hier die Konjunktur vor allem im März, der Anfangszeit der russischen Invasion, und Ende des Jahres stärkere Einbrüche. Von zentraler Bedeutung sei es nun, sagt Bals, erneuerbare Energien schnell zuzubauen und die Industrie bei ihrer technologischen Transformation zu unterstützen, was den "Aufbau neuer Geschäftsmodelle in Zeiten hoher fossiler Energiepreise" erlaube.

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