Klimagipfel:Kaspisches Roulette

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Wie es um die Solidarität mit den armen vom Klimawandel betroffenen Ländern wirklich steht, wird bei der COP29 in Baku verhandelt. (Foto: Aziz Karimov/REUTERS)

In Baku beginnt die 29. UN-Klimakonferenz – möglicherweise eine der schwierigsten. Es geht um Geld und damit auch um Vertrauen. Doch die Bedingungen könnten, auch wegen der künftigen US-Regierung, heikler kaum sein.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Das Olympiastadion von Baku hat schon so manches Finale gesehen, große Mannschaften waren hier zu Gast. Diesmal aber liegen die Dinge anders. Von diesem Montag an dreht sich im Stadion zwei Wochen lang alles um die Frage, ob die Welt die nächste Runde im Kampf gegen die Klimakrise erreicht. Und wenn ja, wie und mit welchen Blessuren. Nicht 22 Fußballer laufen auf, sondern Heerscharen an Diplomaten, Ministern, Staats- und Regierungschefs. Die Aufstellung könnte komplizierter kaum sein.

Im Zentrum der 29. Klimakonferenz der Vereinten Nationen stehen nämlich diesmal nicht Treibhausgasemissionen, sondern Dollars. Schon 2015, bei der Klimakonferenz in Paris, hatten die Staaten ausgemacht, sich „vor 2025“ ein neues, höheres Milliardenziel zu setzen. Das wäre jetzt – Tage, nachdem Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten gewählt ist; Tage, nachdem in Deutschland, einem der größten Geber an Klimafinanzen, die Regierungskoalition zerbrochen ist. Das macht den Erfolg nicht unmöglich, aber gewiss nicht einfacher. „Baku wird der erste große Test auf die Widerstandsfähigkeit des globalen Klimaregimes“, sagt Li Shuo, der beim Washingtoner Asia Society Policy Institute die UN-Konferenzen verfolgt. Das Wahlergebnis aus den USA sei da sicher keine gute Nachricht.

Die Wünsche gehen in die Billionen

Das gilt auch fürs Geld. Gebraucht wird es, um etwa Entwicklungsländern zu einem klimafreundlicheren Kurs zu verhelfen. Sollen Windparks Kohlekraftwerke ersetzen, muss schließlich irgendwer investieren. Für die nötigen Kredite oder Fördermittel fehlt aber vor allem ärmeren Ländern das Geld. Weswegen viele immer noch auf vermeintlich billigere fossile Energie setzen. Auch die Anpassung an Folgen des Klimawandels geht in die Milliarden, sei es für den Katastrophenschutz, Umsiedlungen oder Wasserversorgung. Und schließlich nehmen mit steigenden Erdtemperaturen auch die Wetterextreme zu, und damit die Verwüstungen. Gerade die Ärmsten verlangen einen Ausgleich für die Verluste und Schäden, die der galoppierende Klimawandel nach sich zieht.

Aber wer zahlt dafür – und wie viel? Schon 2009, bei der Klimakonferenz in Kopenhagen, hatten die Industriestaaten dafür 100 Milliarden Dollar im Jahr versprochen, zahlbar ab 2020. Dabei handelt es sich nicht nur um Steuermittel, sondern auch um Kredite und Investitionen, die mit öffentlicher Förderung angestoßen werden. Es geht also um privates und öffentliches Geld. Trotzdem brachten die Industriestaaten die Summe erst 2022 zum ersten Mal wirklich auf. Und ab 2025 soll sie wachsen.

Die Wünsche gehen in die Billionen. Die Gruppe der kleinen Inselstaaten etwa verlangt ein Finanzziel von einer Billion Dollar im Jahr, die afrikanischen Staaten von 1,3 Billionen bis 2030. Die Gruppe der arabischen Staaten schlägt jährlich 1,1 Billionen Euro vor, von denen mindestens 441 Milliarden Dollar aus Staatshaushalten kommen sollen. Die Industriestaaten wiederum halten sich mit Zahlen bedeckt.

Denn hinter den großen Summen steckt auch ein Streit, den die Staatengemeinschaft seit fast 20 Jahren vor sich her schiebt: Wie viel Verantwortung muss China übernehmen? 1992, zur Geburtsstunde der globalen Klimapolitik, galt die Volksrepublik noch als Entwicklungsland, frei von Pflichten. Doch darauf pocht die mittlerweile zweitgrößte Volkswirtschaft und weltgrößte CO₂-Emittentin bis heute.

Mit Trump im Weißen Haus fließt aus den USA kein Penny mehr in den globalen Klimaschutz

Nur wollen sich die anderen damit nicht mehr zufriedengeben. „Wir brauchen neue und mehr Einzahler“, sagt etwa Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). „Lange Zeit konnten wir sagen, im Zweifel legen wir noch was drauf.“ Diese Handlungsmöglichkeit habe Deutschland nicht mehr; schon gar nicht nach dem Ende der Regierungskoalition. Auch die EU verlangt in ihrem Mandat „eine breitere Basis von Zahlern, inklusive jener Länder, die fähig sind beizutragen“. China steht in Großbuchstaben zwischen den Zeilen, außerdem reiche Golfstaaten. Die USA verlangen ebenfalls mehr Fairness bei der Verteilung.

Doch Washingtons Position ist nun geschwächt. Wenn Donald Trump wieder ins Weiße Haus einzieht, wird aus den USA kein Penny mehr in den globalen Klimaschutz fließen. Dabei war gerade die Achse Washington – Peking in der Vergangenheit stets die Bedingung für echte Fortschritte im internationalen Klimaschutz. Sie bricht nun erneut.

Die Wirkungen reichen weit über die Finanzen hinaus. „Das Wahlergebnis ist keine gute Nachricht für Chinas Bemühungen“, sagt etwa Klimaexperte Li Shuo. Peking könne daraus schließen, dass das Thema an Bedeutung verliert – obwohl die chinesische Industrie so stark auf klimafreundliche Technologien wie Erneuerbare und E-Autos setzt. Mehr noch: Können sich die Staaten nicht auf ein überzeugendes neues Finanzziel einigen, könnten auch jene Länder vom Klimaschutz abrücken, die auf Transfers dafür angewiesen sind.

Die Ärmsten verlangen einen Ausgleich für Schäden durch den Klimawandel: Im Rift Valley in Kenia verursachte im April extremer Regen Überflutungen und Erdrutsche. (Foto: LUIS TATO/AFP)

Schlimmstenfalls kommt so in Baku Sand ins Klimagetriebe. Denn das Abkommen von Paris sieht vor, dass die Staaten im nächsten Jahr neue, bessere Klimaschutzpläne vorlegen. Das ist auch bitter nötig – denn was sie sich bisher vorgenommen haben, senkt die Treibhausgasemissionen bis 2030 nur um 2,6 Prozent unter das Niveau von 2019. So hat es das UN-Klimasekretariat berechnet. Nötig wären 43 Prozent. Gleichzeitig droht das Temperaturziel außer Reichweite zu geraten: Auf 1,5 Grad Celsius möchte die Weltgemeinschaft den Anstieg eigentlich begrenzen, gemessen an Zeiten vor Beginn der Industrialisierung. Nach Zahlen des EU-Klimadienstes Copernicus ist das Jahr 2024 auf bestem Wege, das erste Jahr jenseits dieser Marke zu werden. Wenn sich die Staaten eines nicht leisten können, dann eine Abwärtsspirale aus schwachen Finanzen und schwachen Zielen.

Verhindern muss dies eine Präsidentschaft, die sich von der Konferenz im Stadionrund vor allem internationales Renommée verspricht. Als großer Klimaschützer ist Aserbaidschan jedenfalls bisher nicht aufgefallen. Bei einem Besuch in Berlin im Frühjahr lobte Staatschef Ilham Alijew die Öl- und Gasvorkommen im Kaspischen Meer als „Geschenk Gottes“, an dem er gerne die Kundschaft in Europa teilhaben lasse. Schon gibt es Hinweise, dass selbst im Umfeld der Klimakonferenz neue Gasdeals eingefädelt werden könnten – ein Jahr nach jener Konferenz in Dubai, bei der die Staatengemeinschaft sich die Abkehr von fossiler Energie vorgenommen hatte.

So spricht zu Beginn der Konferenz wenig für einen klaren Sieg im Kampf gegen die Erderwärmung, so sichtbar ihre Folgen in diesem Jahr auch geworden sind. Doch selbst ein Unentschieden wäre eindeutig zu wenig.

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