Interview am Morgen: Klimawandel als Sicherheitsrisiko:"Dürren und Fluten können Konflikte anheizen"

SYRIA ROJAVA RAQQA IS BLEEDING WRATH OF THE EUPHRATE June July 2017 04 07 2017 Syria

Extremwetterereignisse wie eine Dürre können ethnische Konflikte enorm verstärken. (Archivbild aus Syrien aus dem Jahr 2017)

(Foto: imago/Le Pictorium)

Der UN-Sicherheitsrat berät darüber, inwiefern Folgen des Klimawandels die Sicherheit gefährden können. Susanne Dröge von der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärt, warum dieses Thema die Staaten bald noch sehr beschäftigen wird.

Interview von Anna Reuß

Der Klimawandel gilt als die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Über seinen Einfluss auf Konflikte diskutieren Wissenschaftler seit vielen Jahren. An diesem Dienstag debattiert auch der UN-Sicherheitsrat über den Zusammenhang von Umweltkatastrophen und Verteilungskämpfen. Die Volkswirtin Susanne Dröge forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zu diesem Thema.

SZ: Frau Dröge, löst der Klimawandel bewaffnete Konflikte aus?

Susanne Dröge: Dafür gibt es kaum Belege. Er kann aber zu Spannungen zwischen Staaten führen, wenn er Bedingungen verändert. Wenn etwa die Eiskappen abschmelzen, dann werden neue Seewege freigelegt. Anrainerstaaten einer Region wie der Arktis melden Ansprüche an. Es ist aber nicht so, dass sich die Länder deshalb gleich den Kopf einschlagen. Stattdessen wird erst einmal verhandelt, etwa im Arktischen Rat. Ähnliches spielt sich inzwischen in der Antarktis ab, wo chinesische Explorationsschiffe unterwegs sind, es aber bisher kein Forum für Verhandlungen gibt.

Warum stellt der Klimawandel dann ein sicherheitspolitisches Problem dar? Immerhin debattiert der UN-Sicherheitsrat am Dienstag darüber.

Veränderungen im Klimasystem haben auf den ersten Blick wenig mit Sicherheitspolitik zu tun. Durch Extremwetterereignisse, die in ihrer Frequenz und in der Intensität zunehmen, werden allerdings Ressourcen wie Wasser oder Land knapper, die schon vorher knapp waren. Schleichende Prozesse wie der Anstieg des Meeresspiegels bedrohen vor allem die Inselstaaten, die langsam ihre Territorien verlieren. Wenn Menschen ihre Heimat verlassen und sich in Bewegung setzen, kann das Konflikte anheizen oder auslösen. Es gibt also nicht den Klimawandel als sicherheitspolitisches Problem, sondern es geht um konkrete Folgen des Klimawandels. Deren Konsequenzen können sicherheitspolitisch relevant sein.

Inwiefern kann der Klimawandel bestehende Konflikte verschärfen?

Der Konflikt um den Tschadsee mit seinen vier Anrainerstaaten ist ein gutes Beispiel. Der See war lange übernutzt. Durch den schrumpfenden See sanken die Einkünfte aus der Fischerei und der Landwirtschaft. Hinzu kamen regionale, zum Teil ethnische Konflikte und das Aufflammen des Terrorismus. Denn eine junge Bevölkerung ohne Jobs lässt sich leicht rekrutieren. Da kamen also viele Probleme zusammen. Extremwetterereignisse wie eine Dürre oder - wenn es denn einmal regnet - eine Flut können diese enorm verstärken.

Dr. Susanne Dröge, Stiftung Wissenschaft und Politik

Susanne Dröge ist Senior Fellow der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. Die promovierte Volkswirtin forscht unter anderem zu sicherheitspolitischen Implikationen des Klimawandels.

(Foto: OH)

Der Klimawandel ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Werden wir solche Szenarien in Zukunft öfter sehen?

Wenn die internationale Kooperation leidet, weil große Akteure nicht mehr mitmachen wollen, oder weil andere große Akteure wie China langsam aber sicher Ansprüche als Weltmacht entwickeln, dann ist die Antwort: ja. Das hängt zum Beispiel davon ab, wer 2024 nächster US-Präsident wird. In den vier Jahren "America First" unter Donald Trump erlebten wir den Rückzug der USA aus der internationalen Zusammenarbeit. Die ist aber genau dafür da, Probleme anzugehen, die ein globales Ausmaß haben, oder aber regional so destabilisierend wirken, dass sie die internationale Gemeinschaft interessieren müssen.

Also ist der Klimawandel als solcher schon eine Herausforderung, und gleichzeitig erschwert die erratische Politik mancher Staaten einen gemeinsamen Ansatz.

Ja, zumal viele Phänomene des Klimawandels länderübergreifend wirken und sich besonders lokal bemerkbar machen. Ohne Verlässlichkeit wird es schwieriger, damit umzugehen. Der Klimawandel und seine Folgen sind eingebettet in geopolitische Interessen, und die schwanken stark.

Welchen Stellenwert hat das Thema heute für den UN-Sicherheitsrat?

Das Problembewusstsein ist da. Großbritannien setzte 2007 zum ersten Mal die Folgen des Klimawandels auf die Agenda des UN-Sicherheitsrats. Daraufhin wurde den Briten vorgeworfen, den Klimawandel zu einem Sicherheitsproblem zu machen. Tatsächlich war und ist es schwierig zu erklären, warum das Thema für den Sicherheitsrat relevant ist, denn es gibt wie gesagt wenig Belege dafür, dass der Klimawandel harte Konflikte auslöst. Zehn Jahre später wurde aber in der Tschadsee-Resolution zum ersten Mal erwähnt, dass auch Klimafolgen den Konflikt weiter anheizen. Um den Ball am Rollen zu halten, müssen Debatten in New York regelmäßig geführt werden.

Das klingt abstrakt.

Ja, aber bei den UN gilt: Ein Thema, das nicht mehr besprochen wird, ist nicht mehr da. Das Risiko, dass auch der Klimawandel wieder von der Agenda verschwindet, hat vor allem während der Trump-Zeit noch einmal viele Staaten mobilisiert. Die USA hatten vor Trump eine konstruktive Rolle. US-amerikanische Denkfabriken haben auch das Konzept der "Responsibility to Prepare" entwickelt, angelehnt an das Konzept der Schutzverantwortung. Es geht darum, dass der Sicherheitsrat sich darauf einstellen muss, was da kommen könnte.

"Mit der Natur lässt sich nicht verhandeln", sagte Heiko Maas in einer Debatte vor dem Sicherheitsrat im Juli. Deutschland wollte seinen Vorsitz nutzen, um das Thema anzuschieben. War das erfolgreich?

Gemessen an dem, was sich die Bundesregierung vorgenommen hat, war das Ergebnis eher enttäuschend. Die Pandemie hat die ganze Aufmerksamkeit abgesogen, außerdem mussten Sitzungen virtuell stattfinden. Immerhin haben zehn Länder eine Art Forderungskatalog unterzeichnet.

Ist denn der Sicherheitsrat tatsächlich das richtige Gremium für dieses Thema?

Russland und China sind skeptisch, Frankreich und Großbritannien auf der anderen Seite drängen sehr darauf. Das ist wirklich ein Balanceakt. Der Sicherheitsrat arbeitet seit 2012 nicht mehr in eine Richtung. Die Großwetterlage zwischen den fünf ständigen Mitgliedern (P5) hat sich extrem verschlechtert, auch weil China seither versucht, die Weltordnung neu zu gestalten. Der Sicherheitsrat ist nur so gut, wie sich die P5 verstehen. Aber es gehört zu seiner Aufgabe, sich um menschliche Sicherheit zu kümmern, und dazu gehört der Klimawandel. Hinzu kommt der Druck von der UN-Generalversammlung. Eine überwältigende Zahl von Mitgliedsstaaten hält das Thema für wichtig.

Besteht nicht auch eine Gefahr darin, den Klimawandel als Sicherheitsbedrohung zu benennen?

An sich fährt der Sicherheitsrat auf Sicht. Seine Aufgabe ist es, akute Sicherheitslagen zu bereden und Beschlüsse zu fassen, wenn es irgendwo in der Welt knallt. Darin liegt aber auch das große Problem: Er hat scharfe Werkzeuge, die reichen bis zur militärischen Intervention. Natürlich sind diese Möglichkeiten ein Grund, den Sicherheitsrat beim Thema Klimawandel einzubinden. Die Inselstaaten wie die Malediven haben schon Mitte der 1990er begonnen, das Thema als ein Sicherheitsproblem darzustellen, obwohl sie bisher keines haben. Sie haben zwar ein existenzielles Problem, das aber so klar kein Sicherheitsratsmandat erforderlich macht.

Stichwort "Responsibility to Prepare": Was können denn reiche Staaten tun, um das Problem einzudämmen?

Sie können die Informationsgrundlagen zu regionalen Klimafolgen verbessern und die Entwicklungszusammenarbeit noch mehr daran ausrichten. Beispielsweise müssten Menschen klimaresistente Sorten in der Landwirtschaft anbauen können. Auf der anderen Seite müssen die reicheren Staaten die Ziele des Pariser Klimaabkommens ernst nehmen und diese auch auf den Prüfstand stellen: Aufforstung klingt etwa erst einmal gut, aber in Regionen, wo Land knapp ist, geht das oftmals nicht. Wichtig ist zudem die Kontinuität dieser Anstrengungen. Es ist gefährlich, wenn Länder wie die USA Abkommen verlassen, um dann wieder einzusteigen, wenn sich die politischen Vorzeichen gedreht haben.

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