Zwischen der ausgedehnten Sahara-Wüste und dem dichten Grün des afrikanischen Regenwaldes erstreckt sich von Senegal über Niger bis Tschad ein karger Streifen Land. In den Staaten des Sahel sind die Regenzeiten kurz und die Dürren unberechenbar. Zusammen verursachen diese Staaten weniger als drei Prozent der Treibhausgase, die allein die USA ausstoßen.
Doch die Temperaturen steigen dort eineinhalbmal so schnell wie im weltweiten Durchschnitt. Der Klimawandel gilt als die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts - in der Sahelzone bekommen ihn die Menschen ganz besonders zu spüren. In Niger etwa, dem Land mit der höchsten Geburtenrate der Welt, sind mehr als 80 Prozent der Menschen von der Landwirtschaft abhängig.
Zugleich erlebt die Region beispiellose Gewalt und Brutalität. Die Menschen haben sich an blutige Massaker und Anschläge durch radikale Islamisten gewöhnt; die Opfer sind meist Zivilisten. In Mali hat die Regierung in Teilen des Landes die Kontrolle verloren. Burkina Faso ist besonders hart vom Chaos im Nachbarland betroffen. Dort versuchen Dschihadisten, den Staat in die Knie zwingen - mit Erfolg. Viele Schulen sind geschlossen, weil Terroristen sie ins Visier genommen haben.
Schwedische und norwegische Wissenschaftler haben in einer Studie aus dem Jahr 2016 untersucht, welche Faktoren die Anfälligkeit von Staaten für gewaltsame Konflikte erhöhen können. Daten aus Afrika und Asien über einen Zeitraum von 25 Jahren zeigen, dass klimabedingte Ereignisse unter bestimmten Umständen das Risiko erhöhen. Auch das Center for Naval Analyses der US-Marine kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Auswirkungen des Klimawandels schon jetzt die Instabilität in besonders anfälligen Weltregionen verstärken und so als Katalysatoren für Konflikte wirken.
Allerdings lässt das noch nicht auf einen Automatismus zwischen Ursache und Wirkung schließen: Nicht überall, wo Staaten übermäßig unter den Folgen des Klimawandels leiden, entstehen Konflikte. Eine Studie, die 2015 im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences erschien, legt einen engen Zusammenhang zwischen dem Ausbruch des Kriegs in Syrien und einer Dürre nahe, die dem Konflikt vorausgegangen war.
Viele Experten halten die Ergebnisse jedoch für gewagt. Vielmehr habe die lange Dürre, vermutlich eine Folge des Klimawandels, Bedingungen für die Eskalation begünstigt - jedoch hätten die politische Situation und die Unterdrückung durch das Assad-Regime eine wesentlich größere Rolle gespielt. So litt Syriens Nachbarland Jordanien zwar ebenso unter der Dürre, doch zu einem Bürgerkrieg kam es dort bekanntermaßen nicht.
Ein leichtes Spiel für Terroristen
Über den Einfluss des Klimawandels auf Konflikte diskutieren Wissenschaftler seit vielen Jahren. Die Mehrheit widerspricht der Annahme, dass der Klimawandel allein blutige Kriege auslöst. Allerdings sind sich die meisten Experten einig, dass er wie ein Multiplikator wirkt, indem er Faktoren begünstigt, die wiederum Konflikte verschärfen oder diese überhaupt erst herbeiführen. Das Risiko ist vor allem in Ländern hoch, die wirtschaftlich von natürlichen Ressourcen abhängig sind - wie in vielen Staaten Afrikas.
Schwache Staaten sind anfällig für die Folgen des Klimawandels. Kommen andere Einflüsse hinzu, wie eine unsichere wirtschaftliche Entwicklung, starkes Bevölkerungswachstum und schnelle Verstädterung, dann bewirkt das eine gefährliche Kettenreaktion: Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage und verlassen ihre Heimat - oder schließen sich terroristischen Gruppen an. Sie verlieren das Vertrauen in die politische Elite, weil diese unfähig zu sein scheint, Lösungen zu finden.
Wie die Bevölkerung wächst auch die Wüste. Boden verödet den UN zufolge heute 30-mal schneller als noch vor einigen Jahrhunderten. Die unsichere Wasserversorgung für Mensch und Tier hat dramatische Folgen für Landwirtschaft und Viehzucht. Schon heute sind im Sahel 33 Millionen Menschen von Hungerkrisen bedroht. Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Hirten und Bauern um Land und Wasser sind für die Sahelstaaten Mali und Burkina Faso längst zu einem gewaltigen Sicherheitsproblem geworden.
Dabei verlaufen die Konfliktlinien oftmals entlang der ethnischen Zugehörigkeit: Weil etwa die Ethnie der Dogon, traditionell ein Bauernvolk, wächst, braucht sie größere Anbauflächen. Eines der blutigsten Massaker war jenes im zentralmalischen Ogossagou im Frühjahr 2019. In der Morgendämmerung überfielen Anhänger der Dogon das Dorf und ermordeten 160 Menschen, die den Fulani angehörten. Viele von ihnen sind Viehhirten.
Der Konflikt stellt das soziale Gefüge der gesamten Region infrage. Es geht um Ressourcen, aber auch um politischen Einfluss. Allein im vergangenen Jahr kostete die ethnische Gewalt Tausende Menschen das Leben. Inmitten dieses Chaos haben Terrorgruppen wie al-Qaida oder der "Islamische Staat" ein leichtes Spiel.
Viele Staaten, die unter Trockenheit, unregelmäßigem Regen und Überschwemmungen leiden, sind auch politisch instabil. Ihre staatlichen Institutionen sind schwach, ihre Infrastruktur oft schlecht. Ihren Bürgern gelten sie als nicht willens oder nicht in der Lage, grundlegende Bedürfnisse wie die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren.