Süddeutsche Zeitung

"Ende Gelände":Klimaaktivisten blockieren Kohle- und Gaswerke im Rheinland

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Mit mehreren Gruppen nimmt das Bündnis "Ende Gelände" die Proteste gegen die Stromgewinnung aus Kohle und Gas wieder auf. Die Polizei ist alarmiert - und leitet sogar Züge um.

Im rheinischen Braunkohlerevier ist es am Samstag immer wieder zu Besetzungen und Blockaden von Kohleanlagen gekommen. Demonstranten waren unter anderem in den Tagebau Garzweiler eingedrungen, wie die Polizei berichtete. Bei Aachen kletterten mehrere Menschen auf einen Kohlebunker des Braunkohlekraftwerks Weisweiler. Zum ersten Mal ist von den Protesten auch ein Gaswerk betroffen, 250 Menschen blockierten die Zufahrt zum Düsseldorfer Werk Lausward.

Das Bündnis "Ende Gelände", das die Aktionen organisiert hat, fordert den sofortigen Ausstieg aus der Nutzung von Kohle und Gas für die Stromerzeugung in Deutschland. Auch die Initiativen "Fridays for Future" und "Alle Dörfer bleiben" sind an den Protesten beteiligt. Sie stehen unter dem Motto "Kein Grad weiter - heißt keinen Meter mehr den Kohlebaggern". Die Organisation Ende Gelände plant Aktionen des "zivilen Ungehorsams". Die Polizei ist mit einem Großaufgebot an Kräften aus mehreren Bundesländern im Einsatz.

Die Aktionen hatten auch Auswirkungen auf den Zugverkehr in der Region. Regionalzüge und S-Bahnen seien wegen polizeilicher Ermittlungen umgeleitet worden oder ganz ausgefallen, teilte die Deutsche Bahn über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Die Polizei kündigte an, es könne im Zugverkehr "kurzfristig zu weiteren Sperrungen und Maßnahmen kommen".

RWE will weitere fünf Dörfer umsiedeln und abbaggern

Eine Sprecherin des Aktionsbündnisses Ende Gelände warf der Polizei vor, sie habe Züge gestoppt, um die Anreise von Aktivisten zu angemeldeten Versammlungen zu erschweren. So twitterte Lorenz Gösta Beutin, energiepolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, dass sein Zug an einer Station wegen einer "behördlichen Anweisung" nicht gehalten habe. Bei der Aachener Polizei hieß es, die Sperren an einzelnen Bahnhöfen seien "taktische Maßnahmen", mit denen das Eindringen weiterer Personen in den Tagebau verhindert werden solle.

Das Aktionsbündnis Ende Gelände kündigte an, dass sich im Laufe des Tages etwa 3000 Teilnehmer an Blockadeaktionen beteiligen sollten. Sie näherten sich in mehreren Gruppen dem Tagebau. Die Polizei hat ein Großaufgebot im Einsatz. Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach hatte ein konsequentes Einschreiten bei gewalttätigen und rechtswidrigen Aktionen angekündigt.

Die Proteste richten sich diesmal nicht nur gegen die Braunkohle. Auch vor einem Gaskraftwerk in Düsseldorf zogen etwa 150 Demonstranten auf, wie die Polizei bestätigte. Auch Gas sei "extrem klimaschädlich", sagte eine Sprecherin von Ende Gelände. Deshalb müsse sofort aus allen fossilen Energien ausgestiegen werden.

Für den Mittag hatten die Initiative Alle Dörfer bleiben und die Bewegung Fridays for Future am Tagebau Garzweiler II zu einer Demonstration aufgerufen. RWE will im Zuge des weiteren Kohleabbaus die Bewohner von fünf Dörfern umsiedeln und die Ortschaften abbaggern.

Christliche Unterstützung

Unterstützung erhalten die Gruppen von der christlichen Initiative "Die Kirche(n) im Dorf lassen". Diese hat angekündigt, an diesem Wochenende mit Gottesdiensten und einer christlichen Nachtwache die Proteste im Rheinischen Revier zu flankieren. "Wir möchten zeigen, dass aus unserer christlichen Perspektive sichtbare und entschiedene Schritte zum Schutz der Schöpfung gemacht werden müssen", erklärte der Sprecher, Jan Niklas Collet, in Lützerath. Die Initiative setzt sich für den Erhalt der Ortschaften und Gotteshäuser ein, die im geplanten Abbaugebiet des Tagebaus Garzweiler II liegen. Dazu zählen neben Lützerath die Ortschaften Berverath, Keyenberg, Kuckum und Westrich. Collet erklärte, ziviler Ungehorsam sei "ein wichtiges und legitimes Mittel, sich der Zerstörung entgegenzustellen".

RWE Power hatte an die Demonstranten appelliert, sich und andere nicht in Gefahr zu bringen. Betriebsfremde und Ortsunkundige könnten die Sicherheitsrisiken, die von Geräten und Arbeitsabläufen im Tagebau ausgingen, nicht einschätzen, teilte ein Sprecher mit. Das Unternehmen werde Straftaten rigoros anzeigen.

Wegen der Corona-Pandemie müssen die Aktivisten laut einem Gerichtsurteil Namen, Adressen und Telefonnummern der Teilnehmer erfassen, um im Falle einer Infektion eine Rückverfolgbarkeit zu ermöglichen. Am Donnerstag und Freitag hatte das Aachener Ordnungsamtes im Klimacamp kontrolliert, ob die Auflagen eingehalten werden, und bei Verstößen mit Räumung gedroht.

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