Petersberger Klimadialog:Wer zahlt den Schaden?

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"Die brutale Realität": Annalena Baerbock, grüne Bundesaußenministerin, erklärte beim Petersberger Klimadialog, die Menschheit werde sich nicht allen Folgen des Klimawandels anpassen können. (Foto: Florian Gaertner/IMAGO/photothek)

Reiche Länder sind die Hauptverantwortlichen für die Erderwärmung, doch arme trifft sie härter. Bei der internationalen Umweltkonferenz wird die Frage drängend, wie die Folgekosten verteilt werden.

Von Thomas Hummel , München

Molwyn Joseph ließ die Diplomatie beiseite und wurde deutlich. "Das, was Sie als Krise beschreiben, ist für uns eine Katastrophe", sagte der Umweltminister aus Antigua und Barbuda, der für die Vereinigung der kleinen Inselstaaten Aosis sprach. Es gebe bereits Inseln, die im Wasser verschwinden, berichtete er, andere würden von immer heftiger werdenden Stürmen verwüstet. 2017 etwa raste der Hurrikan Irma mit Geschwindigkeiten von fast 300 Stundenkilometern über Barbuda und zerstörte 95 Prozent der baulichen Infrastruktur. "So ein Hurrikan vernichtet das Bruttoinlandsprodukt von zwei Jahren", sagte er, noch heute befinde sich Barbuda im Wiederaufbau.

Joseph saß am Montag in einem Saal des Auswärtigen Amts in Berlin inmitten von Politikern und Regierungsbeamten aus 40 Ländern. Die Bundesregierung hatte zum 13. Petersberger Klimadialog eingeladen, er gilt als wichtiges Treffen im Hinblick auf die kommende Weltklimakonferenz im November im ägyptischen Scharm el-Scheich. Der Politiker aus der Karibik sprach ein Thema an, das hier viele bewegte: Wer zahlt für die Schäden, die die Klimakrise verursacht? Gerade in den Entwicklungsländern, die einerseits wenig bis nichts zur Erderwärmung beigetragen haben, andererseits kaum über finanzielle Mittel verfügen, um die Folgen großer Naturkatastrophen zu bewältigen. "Wir können nicht akzeptieren, dass die Debatte um Verluste und Schäden bei der Weltklimakonferenz nicht auf die Tagesordnung gesetzt wird", erklärte Joseph.

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Die Sommer 2018 und 2019 sowie die Flut 2021 kosten die Deutschen mehr als 80 Milliarden

Die Debatte um "loss and damage", um Verluste und Schäden, schwillt in der internationalen Klimadiplomatie mit jeder Dürre, jedem Sturm, jeder Überflutung weiter an. Länder in der Karibik, in Afrika, Südamerika oder Asien fürchten um Teile ihrer Existenz und blicken zunehmend auf die Industrieländer. Die haben schließlich einen Großteil des Problems durch den Ausstoß von Treibhausgasen verursacht. Doch bislang wehrten sich diese, Verantwortung dafür zu übernehmen, aus Angst vor riesigen Entschädigungsansprüchen. Das Thema könnte die Weltgemeinschaft in bittere Debatten führen.

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Was "loss und damage" bedeutet, erfuhren zuletzt auch die Deutschen. Laut einer Studie des Forschungsinstituts Prognos, die am Montag vorgestellt wurde, verursachten die Folgen des Klimawandels seit dem Jahr 2000 hierzulande mindestens 6,6 Milliarden Euro Schaden pro Jahr. Alleine die Hitzesommer 2018 und 2019 sowie die Sturzfluten des vergangenen Jahrs summierten sich auf mehr als 80 Milliarden Euro. Die Studie soll dem Umweltministerium dienen, um Anpassungsstrategien zu entwickeln.

Deutschland kann diese Kosten bisher stemmen, andere Länder müssen auf externe Hilfe hoffen. Seit drei Jahren soll die Weltgemeinschaft im sogenannten Santiago-Netzwerk über Kompensationen der Industrieländer sprechen, mehr als Worte kamen bislang nicht heraus. Da die 27. Klimakonferenz, die sogenannte Cop 27, im November die erste sein wird, die auf dem afrikanischen Kontinent stattfindet, nimmt der globale Süden nun einen neuen Anlauf. Und wird zumindest teilweise gehört.

Hurrikan "Irma" zog 2017 zerstörerisch durch die Karibik, hier die Folgen auf den Virgin Islands. Einige Inselstaaten kämpfen noch mit dem Wiederaufbau. (Foto: Joel Rouse/AP)

Bereits beim G-7-Gipfel Ende Juni in Elmau tauchte das Thema "loss und damage" erstmals in einer Abschlusserklärung auf. Außenministerin Annalena Baerbock erklärte nun beim Petersberger Dialog, dass sich die Menschheit nicht an alle Folgen der Erderwärmung wird anpassen können, "das ist die brutale Realität". Bundeskanzler Olaf Scholz versprach, man wolle hier eine Lösung finden, das werde sicherlich ein großes Thema bei der Cop 27.

Die Bundesregierung stellte deshalb in Berlin ihr Konzept des Klimarisiko-Schutzschirms vor. Es soll "ein konkretes Angebot für den Umgang mit künftigen Klimaschäden in Entwicklungsländern sein", wie es hieß. Dazu gehören etwa Frühwarnsysteme für besonders anfällige Länder oder Vorsorgepläne für Entwicklungsländer, über Versicherungen soll bei Katastrophen schnell Geld fließen.

"Entweder wir handeln zusammen, oder wir begehen gemeinsam Suizid."

Neben der Debatte ums Geld gab es in Berlin dramatische Appelle an die Politik, endlich entschlossen zu handeln und die Erderwärmung zu stoppen. Baerbock nannte dies die wichtigste Sicherheitsfrage unserer Zeit. Der Präsident der Cop 26 im vergangenen Jahr in Glasgow, Alok Sharma, erklärte, dass viele der damals vereinbarten Pläne bislang nur Wörter auf Papier seien und kaum umgesetzt würden. Man müsse dringend das Tempo erhöhen. Der aus New York zugeschaltete UN-Generalsekretär António Guterres rief den Teilnehmern zu: "Wir haben die Wahl. Entweder handeln wir zusammen oder wir begehen gemeinsam Suizid." Und Molwyn Joseph aus Antigua schloss: "Es ist unsere heilige Verantwortung, für unsere Kinder und Enkelkinder zu handeln."

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