Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:Klimapaket verfehlt Ziele

Vor allem im Verkehr wird weiter zu viel Kohlendioxid ausgestoßen. Bundesumweltministerin Schulze selbst macht deutlich, dass sie Nachbesserungen für nötig hält.

Von Markus Balser und Michael Bauchmüller, Berlin

Zumindest das Ziel war klar, ob es erreicht wird, weniger. Um 55 Prozent, so entschied die Bundesregierung im vorigen September, sollen bis 2030 die klimaschädlichen Emissionen sinken - verglichen mit 1990. Die Koalition beschloss dafür Maßnahme über Maßnahme. Doch wie viel sie fürs Klima bringen würden, blieb unklar. Kurzerhand strichen Union und SPD deshalb alle Zahlenwerte aus ihrem "Klimaschutzprogramm 2030". Erst sollten Experten mal gründlich rechnen.

Jetzt sind sie fertig, doch das Ergebnis ist bescheiden. Die Treibhausgasemissionen sinken durch das Klimapaket bis 2030 voraussichtlich nicht um 55, sondern nur um 51 oder 52 Prozent. Fast alle Bereiche verfehlen demnach ihre Vorgaben, wenn auch oft nur knapp. Sowohl Umwelt- als auch Wirtschaftsministerium haben rechnen lassen, die Resultate sind ähnlich.

Minister Scheuer hat nun ein Gutachten in Auftrag gegeben - um die Gutachten zu überprüfen

Größter Problembereich ist der Verkehrssektor. Nach Regierungsplänen sollen die Emissionen hier von zuletzt 162 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr auf 95 Millionen Tonnen im Jahr 2030 sinken. Die Gutachter gehen jedoch davon aus, dass die Regierung es lediglich schafft, den Wert auf 128 beziehungsweise 125 Millionen Tonnen zu senken. In der Bilanz klafft also eine Lücke von 30 bis 33 Millionen Tonnen.

Damit bricht der heftig geführte Klimastreit in der Bundesregierung wieder auf, bei dem vor allem Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) aneinandergeraten waren. Schulze machte am Donnerstag klar, dass sie Nachbesserungen für nötig hält. "Wir sind im Verkehrsbereich noch nicht an dem Ziel, was wir erreichen müssen. Da muss noch mehr getan werden, da wird das Klimakabinett jetzt wieder zusammenkommen müssen", erklärte sie am Rande eines Ministertreffens in Brüssel.

Immerhin, so Schulze, belegten die Gutachten Fortschritte bei der Vermeidung von Klimagasen. Auf die legt auch das Wirtschaftsministerium Wert: Schließlich zeigten die Zahlen, dass man das Klimaziel "zu 95 Prozent erreiche", erklärte eine Sprecherin. Ursprünglich hatten die beiden Ministerien die Zahlen gemeinsam präsentieren wollen. Doch das CDU-geführte Wirtschaftsministerium sagte kurz vorher ab. Angeblich aus Termingründen.

In Scheuers Ministerium hatte man zuvor schon verschnupft auf die Kritik reagiert. Nun soll ein eigenes Gutachten die Gutachten überprüfen. Minister Scheuer habe die "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität" gebeten, die Zahlen mit Blick auf den Verkehrssektor auszuwerten, hieß es. Gleichzeitig solle festgestellt werden, wie sich die bereits getroffenen Maßnahmen zur Erfüllung der "ambitionierten Klimaziele" im Verkehr weiter beschleunigen und ausbauen ließen, teilte das Ministerium in einer Erklärung mit.

Die Opposition reagierte mit harscher Kritik. Cem Özdemir, Chef des Verkehrsausschusses im Bundestag, bezeichnete Scheuer "als Luftbuchungsminister Nummer eins", der das "Kabinett der Klima-Untätigen" anführe. Die Linkspartei verlangte Sofortmaßnahmen wie die Schließung der 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke und Tempo 130 auf Autobahnen. Ohne drastische Schritte breche der Bund den Pariser Klimavertrag.

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SZ vom 06.03.2020
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