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Umwelt:Der Mensch war's

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In seinem neuen Bericht räumt der Weltklimarat alle Zweifel an den Ursachen der Erderwärmung aus. Umweltschützer verlangen einen Kurswechsel in Deutschland, die Industrie verweist auf andere Länder.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, und Marlene Weiß, Berlin/München

Die Erde könnte sich schon um das Jahr 2030 um 1,5 Grad Celsius erwärmt haben, unabhängig von der weiteren Entwicklung der Emissionen. Das geht aus dem ersten Teil des neuen Sachstandsberichts zum Klimawandel hervor, den der Weltklimarat IPCC am Montag vorgelegt hat. Nur wenn der Treibhausgasausstoß umgehend und drastisch reduziert werde, könnte eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius in Reichweite bleiben. "Das muss praktisch in diesem Jahrzehnt passieren", sagte der Hamburger Meteorologe Jochem Marotzke, einer der Leitautoren des Berichts. Bis Mitte des Jahrhunderts müssten die globalen CO₂-Emissionen bei netto null sein.

Im Pariser Klimaabkommen hatten sich die Staaten vorgenommen, die Erwärmung im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten nach Möglichkeit auf 1,5, höchstens aber auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. "Wenn wir die Emissionen auf dem heutigen Niveau halten oder weiter erhöhen, haben wir keine Chance, die Ziele zu erreichen", sagte Marotzke. 234 Autoren aus 65 Ländern waren an dem Bericht beteiligt, sie werteten insgesamt 14 000 Forschungsarbeiten aus.

Daran, dass die Erwärmung auf den Menschen zurückgeht, lässt der Bericht keinen Zweifel mehr. Hitzewellen seien bereits häufiger geworden, Niederschlagsmuster veränderten sich. Mit zunehmender Erwärmung steige die Wahrscheinlichkeit für Wetterextreme wie Starkregenfälle, Hitzewellen an Land und im Meer sowie besonders heftige tropische Wirbelstürme.

Es drohen Hitzewellen, Starkregen und Wirbelstürme

"Vor uns liegt der klarste, eindeutigste Beweis des menschengemachten Klimawandels", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in Berlin. Dies bedeute allerdings umgekehrt auch: "Wir können noch gegensteuern." Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) verlangte die konsequente Ausrichtung der Energieversorgung auf "erneuerbare und saubere Energien". Das Ziel, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, sei "eine Mammutaufgabe". Der Industrieverband BDI verlangte auch außerhalb Deutschlands mehr Anstrengungen für den Klimaschutz. Die Bundesrepublik stehe nur für zwei Prozent aller Emissionen. "Das Paris-Abkommen kann nur in internationaler Zusammenarbeit funktionieren", sagte BDI-Vize Holger Lösch.

Umweltverbände dagegen drängten auf mehr Klimaschutz in Deutschland. Teile der Politik versuchten vor der Bundestagswahl, "mit Klimaprosa statt Klimapolitik durchzukommen", sagte Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings. "Wir brauchen eine Entfesselung der erneuerbaren Energien und den konsequenten, massiv beschleunigten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas." Die Umweltstiftung WWF warf der Bundesregierung Versagen beim Klimaschutz vor. So sei der Ausbau erneuerbarer Energien "gezielt kleingehalten" worden, beklagte Naturschutz-Vorstand Christoph Heinrich. Ähnlich äußerten sich Grüne und Linkspartei.

Es ist der sechste Sachstandsbericht, den der IPCC für die Vereinten Nationen vorlegt. Zwei weitere Berichtsteile befassen sich mit den Auswirkungen des Klimawandels sowie mit Möglichkeiten, ihn zu mindern. Sie sollen Anfang des nächsten Jahres erscheinen.

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