Klimaschutz und Klimaschutzgegner:"Wir dürfen nicht nur über drohende Schreckensszenarien sprechen"

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Alexander Carius (Foto: Peter van Heesen peter@vanheese; adelphi)

Wie agitieren AfD, FPÖ und andere rechte Parteien gegen den Klimaschutz? Und wie könnte man deren Wähler überzeugen, doch etwas gegen die Erderwärmung zu tun? Alexander Carius von der Berliner Denkfabrik adelphi gibt darauf Antworten.

Interview von Oliver Das Gupta

Alexander Carius ist Mitbegründer und Geschäftsführer der Berliner Denkfabrik adelphi und Vorstand und Mitbegründer der Initiative Offene Gesellschaft. adelphi hat nun eine Studie veröffentlicht, die zeigt, wie die 21 stärksten rechten Parteien in Europa zur Frage von Klima- und Umweltschutz stehen. Die Wissenschaftler haben für das Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, Wahlprogramme, öffentliche Äußerungen der Parteispitze, Pressemitteilungen und das Verhalten bei Abstimmungen im Europaparlament untersucht.

SZ: Herr Carius, leugnen Europas rechtspopulistische und rechtsradikale Parteien allesamt die Klimakrise?

Alexander Carius: Da gibt es große Unterschiede. In dem Parteienspektrum, das wir untersucht haben, gibt es drei Gruppen: die ausdrücklichen Klimawandelleugner, dann Parteien, deren Haltung zur Klimapolitik diffus ist. Bei der dritten Gruppe handelt es sich um diejenigen, die den Klimawandel anerkennen, aber dennoch häufig gegen klima- und umweltpolitische Maßnahmen stimmen.

Wer stellt denn in Abrede, dass es überhaupt eine Erderwärmung gibt?

Die deutsche AfD und die österreichische FPÖ gehören zu den klimapolitischen Hardlinern, aber auch die britische Ukip. Insgesamt sitzen sieben Parteien im Europäischen Parlament, die den anthropogenen Klimawandel leugnen.

Wie argumentieren diese Hardliner?

Sie leugnen, dass es ausreichend Wissen über Klimazusammenhänge gibt. Sie stellen die Klimawissenschaft grundsätzlich in Frage und damit auch einfachste Gesetzmäßigkeiten der Thermodynamik. In der Rhetorik rechtspopulistischer Parteien wird Klimapolitik zur wirtschaftsfeindlichen Politik wissenschaftlicher Eliten stilisiert.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch etwa nennt den Klimawandel eine Folge kosmischer Strahlungen. Andere verweisen darauf, dass es in der Erdgeschichte immer schon Temperaturschwankungen gegeben habe. Ein weiteres Argument, das sie gegen Klimaschutzmaßnahmen anbringen, sind deren soziale und ökonomische Auswirkungen. Außerdem agitieren die Klimaschutzgegner gegen 'die da oben', gegen wissenschaftliche und mediale Eliten, die das Thema transportieren, aber auch gegen demokratische Institutionen wie die EU als Ganzes oder zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen.

Unter den harten Gegnern von Klimaschutzmaßnehmen ist eine Partei sogar an einer Regierung beteiligt: die FPÖ in Österreich. Wie wirkt sich das auf die Haltung Wiens aus?

Die FPÖ stimmt im europäischen Parlament systematisch gegen jedes Vorhaben in der Klima- und Energiepolitik. Auf der anderen Seite hat die Regierung von Kanzler Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im vergangenen Jahr ein sehr ehrgeiziges Programm initiiert, das zum Ziel hat, den Stromsektor auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzustellen. Das war allerdings ein nationales Projekt.

Sehen Sie Möglichkeiten, rechte Parteien zumindest beim Klimaschutz einzubinden?

Da gibt es durchaus Potenzial, etwa mit Blick auf Auswirkungen von Klimaschäden für die Ökonomie in der EU. Die Schäden der Extremwetterereignisse im Jahr 2017 beliefen sich allein für die EU auf 283 Milliarden Euro. Das ist mehr als das Bruttosozialprodukt vieler Mitgliedsstaaten. Hier liegt ein Ansatzpunkt, wo man Rechten sagen kann: Das ist doch euer ureigenes Thema.

Die Argumentation der Rechten lautet aber häufig: Klimaschutzmaßnahmen belasten die nationalen Ökonomien.

Diese Argumentation lässt sich leicht umdrehen: Die Bedrohung ist noch viel größer, wenn man nichts tut. Das ist eine Verbindung, die man suchen muss. Manche der rechten Parteien agieren auch schon entsprechend. Die PiS in Polen, die ich zumindest partiell auch als antidemokratische Partei sehe, ist gleichzeitig eine Pro-Kohlepartei. Auf der lokalen Ebene ist diese Partei aber sehr engagiert, etwa was die Erhöhung der Energieeffizienz im Gebäudesektor und die Förderung von erneuerbaren Energien angeht. Die Narrative von Energieunabhängigkeit und Wettbewerbsfähigkeit sind eben auch für Rechtspopulisten interessant.

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Manche Maßnahmen, mit denen Emissionen von Treibhausgasen verringert werden sollen, rufen großen Widerstand hervor. In Frankreich hat eine CO2-Steuer auf Diesel und Benzin die Gelbwesten-Proteste ausgelöst. Was antworten Sie Kritikern, die sagen: Diesen Klimaschutz können sich Menschen mit wenig Geld schlicht nicht leisten?

Natürlich bedürfen klimapolitische Maßnahmen einer sozialpolitischen Abfederung. Schweden und die Schweiz machen es vor: Dort gibt es eine CO2-Bepreisung. Die Einnahmen daraus kommen den Bürgern über Steuergutschriften und Krankenkassenbeiträge zugute. Was wir brauchen, ist die Einbettung in ein größeres Konzept statt klimapolitischer Einzelmaßnahmen. Bislang fehlt ein ganzheitlicher Ansatz. Ebenfalls verbesserungswürdig ist die Kommunikation der Klimapolitik, die sich ständig rechtfertigen muss, weil sie angeblich zu mehr Kosten führe.

Wo sehen Sie in der Kommunikation Probleme?

Entweder wird in einem alarmistischen Ton kommuniziert, nach dem Motto: 'Das Erdsystem wird kippen, wenn wir nicht zum Jahre X etwas ändern'. Gleichzeitig reißen wir diese Vorgaben immer wieder. Wenn es seit Jahren angeblich fünf vor zwölf ist, fragt man sich manchmal, ob es vielleicht doch erst halb acht ist. Auch wird abstrakt argumentiert, dass jeder Mensch ein individuelles CO2-Budget besitzt. Damit kann kein Mensch wirklich etwas anfangen, wenn er nicht ständig nachrechnet, wie 'teuer' und klimaschädlich es ist, wenn man mit dem Auto zur Arbeit oder mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegt.

Und was wäre zielführend?

Wir müssen weg davon, immer wieder das individuelle Verhalten in den Vordergrund zu stellen. Damit läuft man in eine Falle. Auf der individuellen Ebene geraten wir sofort in die Diskussion: Darf ich noch Fleisch essen? Oder Avocado? Natürlich sollten wir uns klimafreundlich verhalten. Wenn wir aber vorankommen wollen, schaffen wir das nur mit politischen Lösungen. Darum brauchen wir entsprechende Diskurse und Programme.

Fehlt den Eliten in Wirtschaft und Politik die Einsicht, wie wichtig Klimapolitik ist?

Eigentlich nicht. Es gibt kaum einen seriösen Politiker oder Wirtschaftslenker, der nicht sagt, dass Klimarisiken das größte Problem des 21. Jahrhunderts sind. Beim Wirtschaftsforum in Davos wurden in den vergangenen zehn Jahren als wirkmächtigste und realste Bedrohung die Folgen des Klimawandels genannt - vor allen anderen Risiken wie Terrorismus, Cyber-Kriminalität oder Waffenhandel. Aber wenn die Klimapolitik darüber entscheidet, wie sich die Menschheit entwickelt, dann muss die Antwort mindestens genauso ambitioniert sein. Wir brauchen das größte Programm zur sozial-ökologischen Modernisierung einer Gesellschaft, das es je gegeben hat. Und das sollte das nächste europäische Narrativ sein.

Davon ist Klimapolitik weit entfernt.

Das kann sie auch nicht leisten, wenn wir uns thematisch zum Beispiel verengen auf die CO2-Reduktion oder Standards bei Diesel-Abgasen. Es geht darum, ob es gelingt, völlig neue Formen von Mobilität zu entwickeln. Angesichts der teilweise absurden Diskussion um Abgaswerte und Dieselgate wird übersehen, dass tatsächlich etwas in Bewegung gekommen ist. Die Automobilindustrie hat lange geschlafen, aber sie ist inzwischen schon weiter als viele denken. Für die ist klar, dass die Zukunft nicht mehr der Verbrennungsmotor ist.

Sie klingen verhalten optimistisch, was selten ist, wenn man über das Thema Klimakrise spricht.

Ich bin schon ein wenig zuversichtlich. Vielleicht liegt in dieser Einstellung auch ein Schlüssel: Wir dürfen nicht nur über drohende Schreckensszenarien sprechen, sondern sollten darüber reden, wie die Zukunft der Menschheit aussehen kann und was uns dahin führen kann. Da lassen sich bereits viele Erfolgsgeschichten erzählen.

Sie sprechen von positiven Zukunftsszenarien?

Ja. Wir reden von einer kohlenstofffreien Wirtschaft, aber was bedeutet denn das für die Menschen? Die Fragen, wie wir uns künftig ernähren und bewegen, wie wir arbeiten und auf welcher Fläche wir leben: Alles das ist nicht zu Ende gedacht. Aber das sollten wir verstärkt tun. Denn wenn die Menschen wissen, wie die Zukunft aussehen kann, und vor allem, wenn sie an diesem Prozess mitwirken können, werden sie sich auch eher auf kurzfristige Einschränkungen einlassen, dann sind sie eher bereit, Veränderung zu akzeptieren.

Strom wird teurer werden und individuelle Mobilität auch - das lockt wenig, oder?

Aber das ist nur das halbe Bild: Kollektive Mobilität wird sehr viel günstiger und auch persönlich von Nutzen. Wir müssen positive Zukunftsvisionen schaffen, die zeigen, welche Vorteile Klimaschutzmaßnahmen bringen. Für jeden Menschen individuell, aber auch kollektiv für meine Nachbarschaft, mein Viertel und die gesamte Gesellschaft. Das wird in der Klimaforschung, aber auch in der Nachhaltigkeitsforschung zu wenig gemacht. Keiner will sich vorschreiben lassen, was er oder sie isst oder denkt. Das haben inzwischen auch die Grünen kapiert. Denn das ist nur Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten. Die Menschen müssen aus freien Stücken die richtige Entscheidung treffen. Und dazu sollten wir sie ermutigen und ermächtigen.

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