Biologie:Kleines Tier, großer Effekt

Ein kanadischer Käfer lässt Holz in Deutschland knapp werden.

Von Thorsten Denkler, New York

Der Plagegeist schimmert schwarz, ist kaum größer als ein Reiskorn, und wenn er mit seinem Gastgeber fertig ist, dann ist das an den rostroten Kiefernnadeln zu erkennen. In den Wäldern Nordamerikas hat Dendroctonus ponderosae, besser bekannt als Bergkiefernkäfer, bereits Wälder in einem Umfang zerstört, der das Wort "apokalyptisch" in den Sinn ruft. Allein in der kanadischen Provinz British Columbia hat der Käfer Wald auf einer Fläche von mehr als 180 000 Quadratkilometern niedergemacht. Vier Mal so groß wie die Schweiz. Der Klimawandel bietet dem Baumkiller so gute Lebensbedingungen wie nie zuvor. Bauholz ist auch deshalb so knapp und so teuer wie nie. Der kanadische Käfer könnte gar den Nachschub von Klopapier und Maschinen in Deutschland gefährden.

Lange konnten die kanadischen Waldbauern die Märkte mit Totholz stabil halten. Aber damit ist Schluss. Seit fünf Jahren geht die Holzernte radikal zurück. Bevor die Käferplage ausbrach, haben die USA 15 Prozent und mehr ihrer Bauholzimporte aus British Columbia bezogen. Inzwischen sind es zuweilen weniger als zehn Prozent.

Und dann kommt noch die Pandemie dazu. Weil jeder dachte, dass der Holzmarkt zusammenbrechen würde, haben am Anfang erst mal die Sägewerke zugemacht. Die Analysten hatten allerdings die Heimwerker in den USA unterschätzt. Die haben jetzt viel Zeit, ihre Häuser zu reparieren oder auszubauen. Der Bedarf blieb hoch. Die Sägewerke gingen also wieder in Betrieb. Bis erste Mitarbeiter sich mit dem Coronavirus infizierten. Die Werke schlossen wieder. Ein ständiges Hin und Her.

Die hohe Nachfrage, der fehlende Nachschub aus den kanadischen Wäldern, die unsicheren Lieferungen aus den Sägewerken, das alles hat die Preise explodieren lassen. Für Bauholz ist der Preis nach Daten der US-amerikanischen National Association of Home Builders seit April 2020 um 180 Prozent gestiegen. Der Bau eines Durchschnittshauses habe sich in der Zeit um 24 000 Dollar verteuert, umgerechnet etwa 20 000 Euro.

Für viele Bauherren in den USA ist das kein Beinbruch. Dank großzügiger Corona-Hilfspakete der US-Regierung und der niedrigen Zinsen für Baudarlehen können sie die hohen Preise zahlen. Weshalb Holz aus deutscher Produktion in immer größeren Mengen in die USA verschifft wird. Im ersten Halbjahr 2020 stieg der Holz-Export in die USA gegenüber dem Vorjahr um 55,4 Prozent auf mehr als 940 000 Kubikmeter. Vor einem Jahr noch waren die Preise in Deutschland im Keller. Nach diversen Stürmen und eigenen Borkenkäferplagen gab es ein Überangebot. Das ist dank der Nachfrage aus den USA vorbei.

Selbst Holz für Paletten ist rar geworden. Und wenn es keine Paletten mehr gibt, "dann sprechen wir nicht mehr bloß davon, dass Klopapier knapp wird. Auch der Lebensmittelbereich, die Chemieindustrie oder der Maschinen- und Anlagenbau werden davon betroffen sein". Das sagt Marcus Kirschner, Geschäftsführer des Bundesverbandes für Holzpackmittel dem Fachmagazin Dispo. Die Krise könnte sich noch verschärfen. Das Ende der Pandemie ist absehbar, die Konjunktur zieht an. Und damit die Nachfrage nach Holz. Den Bergkiefernkäfer in Kanada dürfte das wenig interessieren.

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