Der Klimawandel polarisiert. Um es mit einem Blick auf die Uhr zu sagen: Für eine aktivistische Minderheit ist es bereits zehn nach zwölf, für die Mehrheit dagegen scheint es erst fünf vor zwölf zu sein. Zu diesen noch hoffnungsvoll gestimmten Menschen, "die die Welt retten wollen", gehört Esther Gonstalla. Sie hat den großformatigen "Atlas eines bedrohten Planeten" verfasst und dazu hundertfünfundfünfzig Infografiken gefertigt.
Schon beim ersten Aufblättern merkt man allerdings, dass dies kein herkömmlicher Atlas, sondern eher ein ökologisches Wimmelbuch ist. Die studierte Grafikerin und umweltbewusste Autorin liefert einen illustrierten Überblick zur globalen Lage in vier Kapiteln: "Luft, Wetter & Klima"; "Wasser, Eis & Schnee"; "Böden, Pflanzen & Tiere" und "Vom Menschen geschaffen". Dabei informiert Gonstalla meist recht knapp, veranschaulicht bildhaft Zahlen, Daten und Fakten - vor allem Krisensymptome. Sie fordert ihre Leser zudem auf, doch selbst aktiv zu werden, etwa so: "Gemeinsam Wälder retten! Ärmel hochkrempeln und mitmachen, z. B. bei lokalen Waldschutzinitiativen. greenwire. greenpeace.de/ themengruppe-wald".
Wortlose Liniennetze über dem Globus
Auch die Verfasserin nutzt das Internet als Wissensquelle, sogar intensiv. Im Anhang findet sich deshalb kaum weiterführende Fachliteratur, dafür aber eine lange Liste mit Weblinks. Auf den letzten Seiten wäre in einem Atlas übrigens der übliche Platz für ein alphabetisch geordnetes Sachregister, das fehlt leider. Gerade bei den zahlreichen Kurzinfos von "Abfall" bis "zentrale Energieversorgung" wäre das eine nützliche Orientierungshilfe zwischen all den bunten Illustrationen.
Esther Gonstalla hat ja bereits mehrere Publikationen zum Klimawandel verfasst, zum Beispiel "Das Eis-Buch" oder "Das Wald-Buch"; etliche Doppelseiten daraus sind nun wieder hier zu finden. Dabei fällt auf, dass bei all ihren Büchern das visuelle Element überwiegt, verbale Auskünfte dagegen kommen zu kurz. Im vorliegenden "Atlas eines bedrohten Planeten" zeigen das einige Seiten besonders deutlich. So ist etwa unter der Überschrift "Schmutziges Grundwasser" allein eine rot-blau kolorierte Deutschlandkarte ohne Beschriftung zu sehen oder unter dem Titel "Globaler Warentransport" ein wortloses Liniennetz vor dem Hintergrund des Erdballs skizziert.
An anderer Stelle sind geografische Bezeichnungen ungenau oder gar falsch, beispielsweise Japan nach "Westasien" verlegt. Vielleicht ist das ja bloß ein Versehen. Doch was gar nicht geht, ist, dass zu oft Kontinente, Länder und Ozeane zusammen grün eingefärbt wurden. Bei aller Müllverschmutzung - das Meer ist immer noch blau!
Werner Hornung bespricht seit mehr als 50 Jahren politische Bücher und kartografische Literatur.