Die Initiatoren
An diesem Freitag finden in Deutschland anlässlich des globalen Klimastreiks mehr als 500 Demonstrationen statt. Es wird erwartet, dass Hunderttausende dem Aufruf von "Fridays for Future" folgen. An der Spitze der deutschen Bewegung stehen die 23-jährige Luisa Neubauer und der 19-jährige Jakob Blasel (hier auf einem Foto mit Wissenschaftlerin Karen Helen Wiltshire und Arzt Eckart von Hirschhausen). Beide werden am Freitag an der Großdemo in Berlin teilnehmen. Am Morgen will Blasel zunächst die Ergebnisse des Klimakabinetts analysieren und an den Forderungen von "Fridays for Future" messen. Von den Politikern erwartet er keine großen Fortschritte, rechnet sogar mit einem "Desaster". "Wir fordern zum Beispiel den Kohleausstieg bis 2030 - das ist bislang noch gar nicht im Gespräch", sagt Blasel. Er kritisiert auch, dass die CO₂-Bepreisung nun als "Allheilmittel" verkauft werde. Luisa Neubauer, 23-jährige Geografiestudentin aus Hamburg, betont, dass auch nach dem Freitag weitergestreikt werde - zum Beispiel während der "Week for Climate", die zwischen dem 21. und 27. September mit bundesweiten Aktionen stattfindet. "Die Menschen, die jetzt auf der Straße stehen, werden nicht alle wieder aus der Debatte verschwinden", sagt sie. Seit neun Monaten demonstriert "Fridays for Future", doch in der Politik herrsche noch immer "Stillstand", klagt Neubauer, obwohl die Bundesregierung gerade ein Klimaschutzgesetz ausarbeitet. Weil Umweltschutz "die entscheidende Menschheitsfrage" sei, will sie so lange wie nötig weiterdemonstrieren.
Die Schülerin
Kurz vor dem 20. September gehen bei den Ortsgruppen von "Fridays for Future" besonders viele Medienanfragen ein. Wer wann ein Interview geben darf, wird in der basisdemokratisch ausgerichteten Bewegung innerhalb der sogenannten "Presse-AG" entschieden. Man wolle als "diverse Bewegung eben nicht immer von denselben Menschen repräsentiert" werden, teilt ein Sprecher von "Fridays for Future" mit. Auch Elena Balthesen holt erst die Zustimmung ihrer Gruppe ein, bevor sie mit der Süddeutschen Zeitung spricht - gerade hat sie noch dem Bayerischen Rundfunk ein Interview gegeben. Die 17-jährige Waldorfschülerin stand am vergangenen Freitag auf dem Münchner Odeonsplatz, wo sich die lokalen "Fridays for Future"-Anhänger schon einmal für die eine Woche später stattfindende Weltdemo warm streikten. Elena hofft, dass der 20. September als größter Klimaprotest in die Geschichte eingehen wird. "Wir arbeiten seit Monaten darauf hin." Der Tag könnte zum "Kipppunkt für die Politik" werden, sagt sie. Sollte sich die Politik auch danach nicht grundlegend ändern, habe sie "Angst, dass wir es gar nicht mehr schaffen, die Klimakrise einzudämmen". Die Großveranstaltung will Elena nutzen, um die Regierenden an ihre Versprechen zu erinnern - etwa an das Pariser Abkommen von 2015.
Der Vater
"Mich hat es damals total empört, wie Politiker versucht haben, diesen Protest herunterzubuttern", sagt Marc Schmitt-Weigand. Deshalb rief er im Februar mit anderen Eltern "Parents for Future" ins Leben. In einem offenen Brief an die NRW-Regierung schrieben sie: "Hören Sie auf zu verzögern, zu verwässern, zu verdrängen", und forderten, "den Protest der jungen Leute nicht länger zu diskreditieren". Dieser Brief sei eine Art Gründungsdokument, sagt Schmitt-Weigand. Vier Wochen später gab es bereits 100 Ortsgruppen. Die "Parents" haben viel von "Fridays for Future" übernommen. Auch Schmitt-Weigands Töchter engagieren sich dort. "Sie haben mir den Ruck gegeben, den Protest auf die Straße zu tragen", sagt der 47-Jährige. Er half bei der Organisation des Sommerkongresses in Dortmund und ist Mitveranstalter der großen Freitagsdemo in der Dortmunder Innenstadt. Dafür nimmt er sich den Tag frei. Der Protest müsse noch viel mehr Menschen erreichen, findet der Vater. Als Höhepunkt will er den Tag aber nicht verstehen. "Für mich ist klar, dass es weitergeht."
Die UN-Delegierte
Vor einer Woche war Rebecca Freitag zu Gast im Kanzleramt. Bundesminister Helge Braun hatte junge Aktivisten und Aktivistinnen in sein Haus eingeladen, um mit ihnen über besseren Klimaschutz zu sprechen. Doch die UN-Jugenddelegierte für nachhaltige Entwicklung zeigte sich nach dem Treffen enttäuscht: Das Kanzleramt habe viele Ausreden präsentiert und sei mit seinen Lösungen "nicht ambitioniert genug", sagte Freitag. Instrumente wie ein nationaler Emissionshandel seien zu unwirksam. Die 26-Jährige, die bei den Vereinten Nationen als Stimme der deutschen Jugend spricht, will nach dem Motto "Jetzt erst recht!" noch mehr Druck auf die Politik ausüben. Zum Beispiel durch eine Klimanotstands-Petition, für die in 70 Ländern eine Million Unterschriften gesammelt werden sollen. Den 20. September verbringt sie bei der UN in New York, wo erst der Klima- und dann der Nachhaltigkeitsgipfel stattfindet. Dort will sie an der Seite von Umweltikone Greta Thunberg demonstrieren.
Der Wissenschaftler
Am 12. März präsentierten Wissenschaftler in Berlin, Wien und Graz eine Stellungnahme, in der sich mehr als 700 Forscher an die Seite der jungen "Fridays for Future"-Aktivisten stellten. Als "Scientists for Future" erklärten sie: "Ohne tiefgreifenden und konsequenten Wandel ist ihre Zukunft in Gefahr." Zehn Tage später hatten 26 800 Wissenschaftler das Statement unterschrieben. Einer der Initiatoren war Gregor Hagedorn, Biologe aus Berlin. Er sagt: "Wir zerstören die Lebensgrundlagen der kommenden Generationen." Am Freitag will auch er auf die Straße gehen. "Ich habe mir für die Demonstration freigenommen." Der 54-Jährige weist jedoch darauf hin, dass die Aufforderung zum Streik viele in ein Dilemma stürzen könnte. "Wer als Erwachsener streikt, läuft Gefahr, seine Arbeit zu verlieren." Für die Wissenschaft sieht er die Aufgabe, Wahrheiten noch "mutiger und lauter" zu äußern und Botschaften so oft zu wiederholen, bis die Politik endlich reagiere. Vom Klimakabinett erwartet Hagedorn nicht mehr als kleine Schritte. "Wir sind aber auf einer größeren Mission."
Der Student
Martin Sattler stand eine Woche vor dem geplanten Großprotest auf dem Dach eines Feuerwehrautos, das direkt auf dem Münchner Odeonsplatz parkte. Er steckte Kabel ein, hing Protestbanner auf und testete die Lautsprecher. Alle Passanten sollten die Forderungen der Münchner "Fridays for Future" hören. Auf Plakaten und Transparenten steht immer wieder ein Datum: "20.9." Auch für Martin Sattler, Mitglied im Organisationsteam der Münchner Freitagsaktivisten, ist das Datum besonders. "An diesem Tag kommt es darauf an, dass die Politik unsere Forderungen nach mehr Klimaschutz endlich umsetzt", sagt der 19-jährige Lehramtsstudent. Für die Umwelt engagiert er sich bereits seit der zweiten Klasse. Im Sommer ist er statt mit dem Flugzeug mit dem Fahrrad nach Frankreich gereist - 700 Kilometer. Am Freitag vor der Großdemo protestiert er mit einem kleinen Lautsprecherwagen aus Mülleimern, um für die Vermeidung von Plastikmüll zu werben.
Der Kapitalismuskritiker
Christoph Kleine geht es vor allem um globale Gerechtigkeit. "Durch den Klimawandel werden die Lebensgrundlagen im Süden zerstört. Menschen, die in diesen Ländern leben, werden zur Flucht getrieben", sagt der 52-jährige Hamburger, der Teil der Bewegung Seebrücke ist. Das Bündnis fordert unter anderem sichere Fluchtrouten und die Entkriminalisierung von Seenotrettung. "Weil der kapitalistisch geprägte Norden seine Interessen rücksichtlos durchsetzt, verschärft er die Situation weiter", sagt Kleine. Deshalb will er am Freitag in Hamburg demonstrieren. "Der 20.9. muss der Tag sein, ab dem klar ist: Es geht jetzt nicht mehr nur die Jugend auf die Straße." Die Regierung müsse erkennen, dass die Menschen nicht zusehen wollen. Um seinen Forderungen "nach einer sofortigen Abkehr von der Kohleverstromung und vom motorisierten Individualverkehr" Nachdruck zu verleihen, will Kleine sich auch an Aktionen des zivilen Ungehorsams beteiligen: Um den Ernst der Lage deutlich zu machen, "braucht es ein bisschen mehr, als nur ein Schild hochzuhalten". Kleine könnte sich vorstellen, an Blockaden des Hamburger Straßenverkehrs teilzunehmen.
Die Organisatorin
Sieben Tage Dauerstreik - in Köln bereitet sich "Fridays for Future" derzeit nicht nur auf den kommenden Freitag vor, sondern auch auf die darauffolgende "Week for Climate". Am Alten Markt, direkt vor dem Kölner Rathaus, wollen die Aktivisten und Aktivistinnen ein einwöchiges Streik-Camp aufschlagen. Für Organisatorin Tara Cicchetti heißt das vor allem: Stress. Neben der Großdemo und dem Camp in der Innenstadt kümmert sich die 21-jährige Gastronomieangestellte auch um die Gestaltung des Programms. Am Sonntag laden die Demonstranten zum Beispiel an den Tagebau Garzweiler ein, wo ARD-Moderator Ralf Caspers über die Folgen des Braunkohleabbaus sprechen wird. "Wir wollen alle Generationen erreichen", sagt Cicchetti. Sie hofft, dass viele Arbeitnehmer Urlaub nehmen oder wenigstens die Mittagspause verlängern, um dabei zu sein. Sie selbst habe einen Chef, der ihr Engagement stark unterstütze. Er hat ihr für den Klimastreik frei gegeben.
Die Oma
Die "Omas gegen rechts" wollen den Jugendlichen von "Fridays for Future" nicht die Show stehlen, deshalb heften sie sich bei Demos unauffällig einen Button ans Revers. Am Freitag werden Ulrike Wübbena und ihre "Omas" aber mit großen Schildern zum Bremer Bahnhofsplatz ziehen. Darum hätten die jungen Klimaschützer gebeten, sagt die 64-Jährige. Thematisch findet sie das passend: "Wir laufen auch mit, weil die Rechten den Klimawandel leugnen. Ich habe das Gefühl, sie greifen jedes Miteinander an - auch gemeinsame Bestrebungen zum Klimaschutz", sagt Wübbena, die sich in Bremen gemeinsam mit anderen Seniorinnen gegen Rechtsextremismus engagiert. "Solange es Leugner gibt, müssen wir sie überzeugen, dass sie auf der falschen Spur sind." Außerdem gehe es darum, die Jugendlichen zu bestärken. "Am 20. September sollen alle auf die Straße gehen. Jeder soll mitbekommen, dass der Klimawandel stattfindet."