Süddeutsche Zeitung

Mecklenburg-Vorpommern:Chefs der Klimastiftung treten zurück

Die Führungsriege der umstrittenen Klimastiftung kündigt ihren Rücktritt an - und Vorstandschef Erwin Sellering kritisiert die Landesregierung von Manuela Schwesig.

Von Ulrike Nimz, Schwerin

Auf die Frage, wie er die vergangenen Wochen und Monate empfunden habe, den Umgang mit der skandalgebeutelten Klimastiftung, deren Chef er noch immer ist, wählt Erwin Sellering (SPD) ein starkes Wort: Empörung. Der ehemalige Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist an diesem Dienstag begleitet von zwei Vorstandsmitgliedern einer Einladung der Landespressekonferenz gefolgt. Unter den Stuckdecken des Schweriner Schlosses wollen sie Auskunft geben zum Stand der Abwicklung jener Stiftung, die das Bundesland seit Monaten in den Schlagzeilen hält und Sellerings einstige Vertraute, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), in politische Bedrängnis bringt.

Sellering verliest zunächst eine Stellungnahme, in der er sein Bedauern über "das Fortdauern des Konflikts" mit der Landesregierung zum Ausdruck bringt. Die "ständigen Angriffe" auf die Stiftung seien eine "Zumutung" gewesen. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges habe die Regierung alles getan, um die Arbeit der Stiftung zu behindern, "bis hin zur Anweisung, dass Schulen nicht mit uns zusammenarbeiten sollen". Gleichwohl handle es sich um einen sachlichen Konflikt, "keinen persönlichen". Sellering wird wissen, dass seine Worte einen anderen Eindruck erzeugen müssen.

Die Ministerpräsidentin will die Stiftung schnellstens loswerden

Eigentlich hat der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern die Auflösung der Stiftung beschlossen, vor zehn Monaten schon. Die Ministerpräsidentin will das Zeugnis verfehlter Energiepolitik und russischer Seilschaften im Nordosten schnellstmöglich loswerden. Die "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV", maßgeblich finanziert durch Geld aus russischen Gasgeschäften, war gegründet worden, um die Ostseepipeline Nord Stream 2 fertig bauen zu lassen - trotz Sanktionen der US-Regierung. Über den gemeinnützigen Teil sollten Projekte zum Klimaschutz gefördert werden, etwa die Aktion "Buddeln für Bäume", bei der Kindergartenkinder Setzlinge pflanzten.

Geht es nach Erwin Sellering, kann die Stiftung nicht ohne Weiteres aufgelöst werden, seit Monaten versuche man zu vermitteln, dass sie "verselbstständigtes Vermögen" sei. Sie gehöre niemandem, bestehe "auf ewig". Anders als der Vorstand - denn dieser, kündigt Sellering an, werde "in den kommenden Wochen" zurücktreten, sobald der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb abgewickelt sei. Das ausstehende Testat des Wirtschaftsprüfers für 2022 sei inzwischen fertig und werde geprüft. Dem Vorstand geht es darum, später nicht persönlich haftbar gemacht zu werden.

Das Ende der Stiftung bedeute der Rücktritt aber nicht. Ein neuer Vorstand müsse eingesetzt werden, und Sellering gibt der Ministerpräsidentin den "frommen Wunsch" mit auf den Weg, dass seine Nachfolger die Entscheidung darüber, ob die Stiftung nun aufgelöst werden muss oder nicht, "ohne politische Einflussnahme" treffen dürfen.

Sellering sieht keine Verfehlungen bei sich oder der Stiftung

Die Äußerungen ihres einstigen Förderers dürften den Druck auf Manuela Schwesig weiter erhöhen. Zuletzt sah sich die Landeschefin mit immer neuen Ungereimtheiten konfrontiert. Stiftung und Land stritten um die Schenkungssteuerpflicht auf eine russische Millionenzahlung. Im Raum steht auch die Frage, ob es politischen Druck der Landesregierung auf die Finanzbehörden gegeben hat, um die Stiftung über Steuernachzahlungen in die Auflösung zu treiben.

Das Magazin Cicero berichtete von einer Finanzbeamtin, die verloren geglaubte Steuerunterlagen im Kamin verbrannt hatte. Schwesig selbst will von diesem Vorgang erst durch den Artikel erfahren haben. Die Opposition hat daran erhebliche Zweifel, die Ministerpräsidentin gelte als stets umfassend informiert. Dem zur Klimastiftung eingesetzten Untersuchungsausschuss hingegen werden Unterlagen und Korrespondenzen aus der Klimastiftung vorenthalten oder nur geschwärzt zugänglich gemacht.

Erwin Sellering sieht keine Verfehlungen bei sich oder der Arbeit der Stiftung. Beim Bau der russischen Pipeline mitzuhelfen sei seinerzeit völlig in Ordnung gewesen, "um die Gasversorgung zu bezahlbaren Preisen sicherzustellen", sagt er. "Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine konnte das selbstverständlich nicht so weitergehen", aber die Klimastiftung sei "völlig losgelöst" von Nord Stream 2, versichert er. Es müsse nun doch auch darum gehen, das Land wieder in ein besseres Licht zu rücken. Auch bis dahin wird es wohl noch dauern.

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