Mehr Platz für Rad- und Fußwege und den Nahverkehr, weniger für Autos: Um den Klimaschutz im Straßenverkehr voranzutreiben, fordert ein Bündnis aus Verkehrs-, Umwelt- und Verbraucherverbänden von der Bundesregierung rasche Reformen. "Auto first war gestern, es muss gelten, Menschen first", sagte die Verkehrsexpertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband, Marion Jungbluth, am Dienstag in Berlin.
Der Verkehr gilt als einer der ganz großen Klima-Problembereiche. Seit Jahren reißt dieser Sektor die eigenen Ziele, so auch im vergangenen Jahr. Laut deutschem Klimagesetz müssen die Emissionen nun allerdings bis 2030 um fast die Hälfe sinken. Dennoch stelle die Bundesregierung unter Verkehrsminister Volker Wissing nach wie vor das Auto und den motorisierten Individualverkehr in den Mittelpunkt ihrer Verkehrspolitik, warnte Kai Niebert, der Präsident des Deutschen Naturschutzrings.
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Am Morgen hatte sich Finanzminister Lindner noch gegen die Ankündigung von Umweltministerin Lemke, beim Treffen mit den anderen EU-Staaten für den Vorschlag zu stimmen, gestellt. Nun zeigt sich die Ampel doch einig.
Vor allem das veraltete Straßenverkehrsrecht verhindere einen raschen Umbau des Verkehrs in den Städten, kritisierte die Bundesgeschäftsführerin des Fahrradclubs ADFC, Ann-Kathrin Schneider. Es sei im Kern noch immer ein "Kfz-Gesetz und bremse Kommunen etwa beim Neubau von Radwegen oder dem Einrichten verkehrsberuhigter Zonen". Deshalb müsse das Straßenverkehrsrecht bis zum Jahresende reformiert werden.
Schneider forderte, Wissing solle direkt nach der Sommerpause einen Entwurf für eine Reform des Gesetzes vorlegen. Sie verwies auf den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. Darin heißt es, Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung sollten so angepasst werden, dass "neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen".
"Wie auf der sinkenden Titanic"
Denn wer sich in Deutschland heute fortbewegt, der steigt, ohne es zu merken, ziemlich oft um - zumindest juristisch gesehen. Kaum ein anderer Sektor unterliegt einem derart zersplitterten Rechtsrahmen wie der deutsche Verkehr. Da ist das Straßenrecht der Länder, das Fernstraßenrecht des Bundes und die Straßenverkehrsordnung StVO. Es gibt das Personenbeförderungsgesetz für Mietwagen und Taxis, das Eisenbahn- und das Bundeswasserstraßengesetz. Dennoch setzt keines dieser Werke bislang übergeordnete Umwelt- oder Verkehrssicherheitsziele.
Die politische Privilegierung des Autos bedeute auch eine mangelnde Stärkung der emissionsarmen Alternativen wie ÖPNV oder Rad- und Fußverkehr, warnte Umweltschützer Niebert. Es reiche nicht mehr, in der Verkehrspolitik "wie auf der sinkenden Titanic die Sonnenstühle ein bisschen hin und her zu schieben".
Auch die Städte selbst fordern mehr eigene Entscheidungsmöglichkeiten über die Verkehrslage vor Ort. Rund 200 von ihnen haben sich der bundesweiten Initiative "Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten" angeschlossen. Sie fordern von der Bundesregierung größere Handlungsspielräume bei der Anordnung von Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts.