Klimaschutz:Vergesst die fossilen Energien

Oil derricks are silhouetted against the rising sun on an oilfield in Baku

Ölförderung in Aserbaidschan: Geld verhindert Veränderung überall da, wo eine Ölquelle noch nicht ausgebeutet ist.

(Foto: David Mdzinarishvili/Reuters)

Wenn am Montag in Peru Minister zur UN-Klimakonferenz zusammentreffen, sprechen sie in Wahrheit über das Ende der Ölindustrie. Nichts anderes versteckt sich hinter der Vokabel Klimaschutz: Wer die Erderwärmung begrenzen will, muss auf Erdöl, Kohle und Gas verzichten. Nicht irgendwann, sondern binnen 50 Jahren.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Nicht viel bringt die Ölindustrie zum Nachdenken, der niedrige Ölpreis aber schon. Aus welchem Grund auch immer er so stark gefallen ist - nun beginnen die Investoren zu grübeln. Teure Ölförderung in der Tiefsee? Die Ausbeutung der Arktis? Noch mehr reinstecken in Teersande und Fracking? Jede dieser Fördermethoden ist ökologisch ein Wahnsinn und für das Klima verheerend - aber das sind in der Regel nicht die Sorgen der Investoren. Ihre Welt kreist um Preise und Renditen, die Triebfeder ist das Überleben. Sobald der Ölpreis wieder steigt, wird wieder gebohrt, egal wo, egal wie. Das Geschäft muss ja weitergehen.

Darf es aber nicht. Wenn an diesem Montag in Peru Minister und Beamte zum zwanzigsten Mal zur UN-Klimakonferenz zusammentreffen, dann sprechen sie in Wahrheit über das Ende der Ölindustrie. Sie reden über die Schließung von Kohleminen und den massiven Umbau entwickelter Ökonomien. Nichts anderes versteckt sich hinter der abstrakten Vokabel Klimaschutz: Wer die Erderwärmung begrenzen und den dramatischen Folgen entgehen will, muss auf Erdöl, Kohle und Gas verzichten. Nicht irgendwann, sondern binnen 50 Jahren. Für Investoren, die über Jahrzehnte erst Zins und Tilgung und später Rendite erwirtschaften wollen, sind 50 Jahre ein Wimpernschlag.

Klimapolitik funktioniert nach Marktgesetzen. Wer nutzt sie?

Geld verändert die Welt, und Geld kann jeder Veränderung im Wege stehen. Geld verhindert Veränderung überall da, wo eine Ölquelle noch nicht ausgebeutet oder ein Kohlekraftwerk noch nicht abgeschrieben ist. Jede neue Bohrplattform, jedes neue Kraftwerk zementiert den Pfad in die Klimakatastrophe. Wer sein Kapital verzinst zurückhaben möchte, den scheren langfristige Folgen wenig. So funktioniert die ökonomische Abwärtsspirale einer auf Kohle und Öl gebauten Welt.

Doch Geld, richtig angelegt, kann die Verhältnisse eben auch auf den Kopf stellen. In den nächsten 15 Jahren werden Schätzungen zufolge weltweit mehr als 70 Billionen Euro in Infrastrukturen fließen. In den Bau von Städten und Straßen, in die Energieversorgung, in die Landwirtschaft. 70 Billionen Euro können eine Menge verändern. Sie können helfen, rasant wachsende Städte klimafreundlicher zu machen, durch kurze Wege und einen öffentlichen Nahverkehr. Sie können erneuerbaren Energien den Weg bahnen und alternativen Antrieben. 50 Jahre mag es noch hin sein, bis die Welt ohne fossile Energie auskommen muss. Die Weichen aber werden jetzt gestellt, von Investoren.

An fossilen Energien hängen Sozialsysteme und Herrscherhäuser

Sie brauchen dafür Anstöße. Ein solcher Anstoß könnte die Bereitschaft der USA und Chinas sein, sich am Kampf gegen die Erderwärmung zu beteiligen. Noch wichtiger aber wäre ein brauchbares Klimaabkommen 2015, das nun in Peru vorbereitet werden soll. Auch ein Emissionshandel, der fossile Energien künstlich verteuert, kann Investitionen umlenken. Wenn der Preis für Kohlendioxid-Ausstoß auf lange Sicht steigt, dann reagieren die Anleger. Die EU hat genau so einen Emissionshandel vor Jahren schon eingeführt, lässt ihn aber verkümmern. Europas fossiler Lobby ist das ganz recht.

Andere denken weiter. Erste Pensionsfonds und Versicherer ziehen ihr Geld aus dem Ölgeschäft ab, und das im besten Interesse ihrer Anleger und Versicherten. Die Weltbank und andere große Entwicklungs-Finanzierer vergeben keine Kredite mehr für neue Kohlekraftwerke - und verhindern so, dass auf Kosten der Atmosphäre abermals Kredite abgestottert werden müssen. Insofern ist es geradezu aberwitzig, dass im Energiewende-Land Deutschland dieser Tage ernstlich darüber gestritten wird, ob eine Tochter der Staatsbank KfW weiter Kohlekraftwerke finanzieren darf oder nicht. Natürlich darf sie nicht. Denn die Botschaft muss sein: Vergesst die fossilen Energien.

Investoren lieben Klarheit

Das Problem ist so schon groß genug. Energiekonzerne in aller Welt, nicht wenige davon Staatskonzerne, haben Milliarden in fossile Energie gesteckt. An ihren Erträgen hängen ganze Sozialsysteme und Herrscherhäuser, etwa in Lateinamerika oder Nahost. Aktien dieser Konzerne sind Teil der Altersvorsorge für Millionen Anleger. Doch bislang bemisst sich der Wert dieser Unternehmen an fossilen Rohstoff-Reserven, die sie niemals werden heben dürfen, soll das Klima nicht endgültig kippen. Wehrt sich die Welt aber gegen die Erderwärmung, dann haben sich die Konzerne und ihre Anleger massiv verzockt - mit womöglich verheerenden Folgen für die Weltwirtschaft.

Noch ließe sich der Schock abfedern, es wäre nicht mal schwer. Denn Investoren lieben nicht nur Rendite, sondern auch Klarheit. Klare Signale, dass die Staaten herauswollen aus der Klimaspirale, dass sie den Kampf gegen die Erderwärmung aufnehmen. Gutes Geld lässt sich auch mit sauberer Energie verdienen.

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