Umweltpolitik:Die SPD treibt die Union vor sich her

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Die Union ist in einer schwierigen Lage: Im Koalitionsvertrag mit der SPD hat sie die Klimaschutzziele unterzeichnet. (Foto: imago/photothek)

Die Sozialdemokraten haben ein Klimaschutzgesetz vorgelegt, das CDU und CSU nicht ablehnen können. Der Entwurf bringt die Koalition an ihre Grenze.

Kommentar von Cerstin Gammelin, Berlin

Bereits nach der letzten langen Nacht der Koalitionsverhandlungen hatte in der Union niemand mehr die Illusion, mit den unionsgeführten Ressorts in der großen Koalition beim Wähler punkten zu können. Um das Kanzleramt zu sichern, hatten CDU und CSU fast alles geben müssen. Das mächtige Finanzministerium ging an die Sozialdemokratie, das sozial ausgerichtete Arbeitsministerium blieb da. Damals war die Union darüber nur sauer, inzwischen stehen ihr die Folgen wie Felsbrocken im Weg.

Niemand hat sich vorstellen können, dass die SPD ihre Regierungsbeteiligung so konsequent nutzen könnte, um den sozialdemokratischen Markenkern aufzupolieren. Grundrente, Arbeitslosengeld, Weiterbildung, Maklergebühren, Schwarzarbeitsbekämpfung: Das sind die neuesten Vorschläge ihrer Ministerien. Die Union versucht, mit Steuersenkungen und scharfen Migrationsgesetzen dagegenzuhalten - und sieht rückwärtsgewandt aus.

Bemerkenswert ist der Mut, mit dem die SPD nun den innerkoalitionären Wettbewerb zu einem ernsten Streit hat auswachsen lassen. Das Rätsel, woran er sich entzünden würde, hat Umweltministerin Svenja Schulze mit dem Entwurf des Klimaschutzgesetzes gelöst. Es bringt nicht nur die Minister der Union, sondern die Koalition als Ganzes an ihre Grenze.

Stünde es nicht so ernst um das Klima, sowohl in der Koalition als auch auf dem Planeten, böte der Streit durchaus Anlass zu heiterem Kopfschütteln. Denn was vor sich geht zwischen den Koalitionären, erinnert an politischen Slapstick.

Da legt die Ministerin von der SPD ein Gesetz vor, das die Union nicht ablehnen kann. Denn Schulze macht genau, was in den Koalitionsverhandlungen vereinbart wurde. Sie setzt die strengen Klimaschutzziele, denen CSU und CDU zugestimmt haben, als gesetzlichen Rahmen. Und überlässt es den Ministern vorzuschlagen, wie sie die Emissionen reduzieren; die kennen sich am besten aus in ihren Ressorts.

Das Prinzip ist bewährt, so entstehen etwa etliche europäische Gesetze. Die Ironie ist nur: Ausgerechnet die SPD, die Partei der ewigen Kohle, macht mit dem Gesetz die Union zur alleinigen Verantwortlichen für Klimaschutz. Das Gros der schädlichen Emissionen kommt aus Landwirtschaft, Verkehr und Kraftwerken; das betrifft drei unionsgeführte Ministerien.

Die SPD, Partei der ewigen Kohle, zieht sich beim Klimaschutz aus der Affäre

Lustig ist das nicht. Dafür recht vertrackt, jedenfalls für die Union. Abgesehen davon, dass sie den Wählern kaum ohne Weiteres mit höheren Preisen für Strom, Benzin, Lebensmitteln kommen kann, schadet es ihrem Ansehen, von der SPD vor sich hergetrieben zu werden. Das Dumme ist nur, dass sie dem Partner kaum mehr als den Satz: "Das ist ein Mach-mal-Gesetz, das machen wir nicht" von Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus entgegenzusetzen hat. Denn das Klimagesetz steht im Koalitionsvertrag.

An den Zielen kann die Union auch nicht rütteln. Wer glaubte noch einer Partei, die erst mit einer Klimakanzlerin Merkel Deutschland, Europa und die G 7 zu ambitionierten Klimaschutzzielen getrieben hat - sich dann aber weigert, diese umzusetzen? Und außerdem: Sähe die Union dann nicht noch mehr aus wie eine Partei, die auf Abstand zu ihrer Kanzlerin geht? Die SPD wird das bedacht haben, bevor sie Schulze losgeschickt hat. Es ist an der Union zu entscheiden, ob sie den Fehdehandschuh aufnimmt - und über Trennung nachdenkt. Dann aber müsste sie Kanzlerin und Koalitionspartner verabschieden.

© SZ vom 26.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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