Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz:Söders grünes Feuerwerk

Jeden Tag kommt der CSU-Chef mit neuen Vorschlägen zum Klimaschutz an. Meint er es wirklich ernst oder geht es nur um den schönen Schein? So oder so: Er bringt damit die Debatte voran.

Kommentar von Michael Bauchmüller, Berlin

Markus Söder ist ein Mann mit feinen Instinkten. Und sein Instinkt sagt Markus Söder nun: Im Klimaschutz muss die CSU nachlegen. Jetzt aber richtig.

Seit Tagen bombardiert der CSU-Chef die Republik mit Vorschlägen. Den Kohleausstieg will er vorziehen, von 2038 am liebsten auf 2030. Die Bahn will er so weit wie möglich von der Mehrwertsteuer befreien, damit mehr Leute den Zug nehmen statt den Flieger. Er will in Staatsforsten Windräder bauen und Behördengebäude klimafreundlich sanieren; bayerische Amtsleute sollen öfter elektrisch fahren, und Ölheizungen sollen im Freistaat nicht mehr gefördert werden. Mehr noch: Ein "Staatsvertrag" soll alle staatlichen Ebenen auf den Klimaschutz einschwören, und ins Grundgesetz soll er auch. Gemessen an den dürren drei Zeilen Klimaschutz im Landtagswahlprogramm der CSU zündet der Ministerpräsident gerade ein wahres Feuerwerk.

Wie jedes Feuerwerk beruht auch dieses auf Effekten, die das Publikum zwar staunen lassen, dem Feuerwerker aber nicht viel Mühe machen. Ein vorgezogener Kohleausstieg fordert sich leicht in einem Bundesland, das weder Kohle abbaut noch im großen Stil Strom daraus erzeugt. Ein paar Dutzend Windräder im Wald werden kaum wettmachen, was Bayern durch seine Abstandsregelungen für Windkraftanlagen in den letzten Jahren an sauberer Energie vereitelt hat.

Die Sanierung öffentlicher Gebäude schrieb Bayern schon 2008 in sein Klimaprogramm. Und wie viel ein Staatsziel Klimaschutz im Grundgesetz bringen würde, lässt sich schön am Staatsziel Umweltschutz demonstrieren, das seit 1994 in der Verfassung steht - ohne große Folgen für die Rechtsprechung. Der Einzelne kann sich nämlich auf so ein Staatsziel nicht berufen.

So verbreitet auch Söder allerhand Blendwerk - und bringt dennoch die Debatte voran. Es stimmt, dass der Bund allein die Klimaziele nicht erreichen kann, nicht mit dem schönsten Klimaschutzgesetz. Klimaschutz fängt in den Gemeinden an, braucht die Länder und den Bund. Söder hat recht, wenn er den Kohleausstieg 2038 mit einem Fragezeichen versieht: Gerade weil andere Bereiche, wie etwa Verkehr und Gebäude, nicht so schnell ihre CO₂-Bilanz aufbessern können, wie es das deutsche Klimaziel erfordert, muss das Ende der Kohle schneller kommen. Und den Klimaschutz im Grundgesetz zu verankern, kann gewiss nicht schaden, auch wenn das nur Symbolwert hätte. Nur darf es eben bei Symbolen nicht bleiben.

Klar, nicht zwingend leitet den Instinktpolitiker Söder allein die Sorge ums Weltklima. Eine Rolle dürften auch die rund 190 000 Wähler spielen, die bei der letzten Landtagswahl nicht mehr CSU, sondern Grüne wählten. Auch ist es für eine Volkspartei nicht schön, Freitag für Freitag am Pranger der jungen Generation zu stehen. Söder will raus aus der Defensive.

Dass alle das wollen - die CSU, die Kanzlerin, die SPD, selbst die FDP -, das ist die Chance dieser Tage. Nach Jahren des Stillstands in der Klimapolitik liefern sich nun die Bremser von gestern einen Wettlauf um die besten Vorschläge. Wie ernst es ihnen damit ist, und ob das Feuerwerk der Ideen nur dazu dienen soll, das klimapolitische Nichts mit schönem Schein zu umgeben, das wird sich schon kurz nach der Sommerpause zeigen: Dann schon soll den Worten wirksamer Klimaschutz folgen. Hunderttausende junge Augenpaare werden das kritisch verfolgen.

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Quelle:
SZ vom 30.07.2019
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