Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz:"Wir haben einen Notfall"

Die Klimaexpertin Rixa Schwarz wertet die Konferenz von Kattowitz als Fortschritt. Jetzt gebe es klare Richtlinien, wie das Pariser Klimaabkommen umgesetzt wird.

Interview von Michael Bauchmüller

Rixa Schwarz, 40, leitet das Team für internationale Klimapolitik bei der Entwicklungsorganisation Germanwatch. Das neue Regelwerk für den Klimaschutz, das die Staatengemeinschaft im polnischen Kattowitz beschlossen hat, hält sie für einen guten Anfang.

SZ: Frau Schwarz, Sie haben die ganze Konferenz verfolgt. War sie ein Erfolg?

Rixa Schwarz: Für die schwierigen Voraussetzungen, unter denen sie stattgefunden hat, unbedingt. Die Beschlüsse waren schlecht vorbereitet, die geopolitische Lage ist schwierig. Eigentlich war es nicht sehr wahrscheinlich, dass wir hier mit einem Regelwerk für das Pariser Klimaabkommen rausgehen.

Was bedeutet dieses Regelwerk konkret für den Klimaschutz?

Wir haben jetzt klare Richtlinien, wie das Abkommen umgesetzt wird. Das betrifft vor allem die nationalen Klimapläne: Wir wissen jetzt genau, wie sie vorbereitet, wie Fortschritte berichtet werden sollen und wie alle Staaten zusammen regelmäßig Bestandsaufnahme machen. Die wird dann die Stunde der Wahrheit.

Bislang galten für Industrieländer immer strengere Regeln als für Schwellenländer wie China - obwohl China inzwischen mehr Treibhausgase emittiert als jedes andere Land. Wird sich das ändern?

Es wird sich ändern, aber die Betonung liegt auf "wird". Noch ist es so, aber gerade kleinere, ärmere Länder sind da flexibler. Sie können sich von anderen Ländern unterstützen lassen und dann schrittweise auch nach strengeren Regeln verfahren. Man nähert sich an, aber das ist so auch in Ordnung. Und China wird kaum für sich in Anspruch nehmen können, ein kleines armes Land zu sein. Da gelten die strengen Regeln schon ab 2024.

Das reicht, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen?

Natürlich nicht. Wir brauchen dazu politischen Willen. Den haben die Staaten aber in einigen Entscheidungen bekräftigt. Nun geht es daran, das in konkreten Klimaschutz umzusetzen.

Zuletzt hat sich die Staatengemeinschaft vom Klimaziel eher entfernt. Die globalen Emissionen nehmen zu, statt zu sinken ...

... weshalb man auch auf dieser Konferenz nicht mehr von "urgency", Dringlichkeit, gesprochen hat, sondern von "emergency": Wir haben einen Notfall.

Was nutzt es, wenn sich die Worte ändern, aber die Taten nicht?

Natürlich reicht es nicht, und es ist manchmal auch zum Verzweifeln. Einzelne Staaten haben bisher darauf verwiesen, es gebe noch keine Regeln für den Klimaschutz. Diese Ausrede gibt es jetzt nicht mehr. Und es gibt positive Entwicklungen: Die Preise für Solarenergie fallen weltweit, und dieser Klimagipfel hat noch einmal bewiesen, dass ein multilaterales Forum funktioniert, dass es noch die globale Stoßrichtung vorgeben kann.

Es gab im Umfeld der Konferenz vermehrt Forderungen, diese riesigen Veranstaltungen seltener abzuhalten. Geht das?

Noch nicht. Aber die Frage ist, ob wir den Rhythmus noch brauchen, wenn wir einmal alles in trockenen Tüchern haben. Wenn die Architektur des Klimaschutzes steht, wenn die Regeln eingeführt sind, die versprochenen Finanzmittel fließen, dann kann man das Ganze entschlacken. Aber vor 2025 sehe ich das nicht.

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Quelle:
SZ vom 17.12.2018
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