Klimaschutz:Klimaerklärung mit China vorerst gescheitert

China Powers Market for Solar Energy

Platz an der Sonne: Bis 2020 will China mehr als 300 Milliarden Euro in saubere Energien stecken.

(Foto: Kevin Frayer/Getty)
  • Es gab hohe Erwartungen an den Gipfel. Am Ende kommt es aber nicht zu dem erhofften Abkommen.
  • Ratspräsident Tusk sagte dennoch, es sei "der vielversprechendste EU-China-Gipfel der Geschichte" gewesen.
  • China präsentiert sich derzeit als neuer Musterknabe im Kampf gegen den Klimawandel. Dabei gibt es auch dunkle Seiten an Chinas Umweltpolitik.

Von Thomas Kirchner, Brüssel und Kai Strittmatter, Peking

Es flutschte dann doch nicht beim europäisch-chinesischen Gipfeltreffen. Das weltweit erwartete klare Bekenntnis zum Klimaschutz, das deutliche Signal aus Brüssel nach dem Rückzug der USA aus dem Pariser Abkommen - es kam erst mal nicht. Lang und länger saßen die Spitzeneuropäer Jean-Claude Juncker und Donald Tusk am Freitag mit Chinas Ministerpräsident Li Keqiang zusammen. Man sei sich in allem einig, hieß es am Nachmittag, nur die Diskussion über den Handel dauere noch an.

Und so blieb es dann auch. Nach mehr als drei Stunden Verspätung sprach Ratspräsident Tusk zwar die Worte des Tages: Dies sei "der vielversprechendste EU-China-Gipfel der Geschichte" gewesen; beide Seiten hätten sich darauf verständigt, ihre Klima-Kooperation zu verstärken. Und: "Wir sind überzeugt, dass die gestrige Entscheidung von US-Präsident Donald Trump ein großer Fehler ist, größer als die Nicht-Ratifizierung des Kyoto-Protokolls." Aber die geplante gemeinsame Erklärung konnte wegen eines Streit über den Status von China als Marktwirtschaft formal nicht verabschiedet werden.

Noch in Kopenhagen war China der große Bremser. Heute gibt es den Musterknaben

China also, der neue grüne Partner der EU: ein heikler Partner, voller Widersprüche. Es ist nicht lange her, da waren zum Thema Umwelt noch ganz andere Töne aus diesem Land zu hören. Peking 2010: Die Klimaschutzpläne der internationalen Gemeinschaft seien "eine Verschwörung der entwickelten Nationen" gegen die Entwicklungsländer. So stand das damals in einem internen Bericht des chinesischen Umweltministeriums.

Der Unterschied zu heute: Donald Trump leugnet den Klimawandel weiterhin. China hingegen hat eine Kehrtwende von 180 Grad hingelegt. Noch beim Klimagipfel von Kopenhagen war China der große Bremser. Heute gibt es auf der internationalen Bühne den Musterknaben. Und zwar mit besonderer Lust, seit Trump Präsident ist. Die USA danken ab als globale Führungsmacht, China wittert das Vakuum. Ein erstes Signal war die Rede von Partei- und Staatschef Xi Jinping beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar diesen Jahres. Dort fand Xi nicht nur leidenschaftliche Worte für den Freihandel, er bekannte sich auch ohne Wenn und Aber zum Klimaschutz und zum "hart errungenen" Pariser Abkommen: "Wir tragen hier Verantwortung für künftige Generationen", sagte Xi.

Aber ebenso wie beim Freihandel sind auch beim Klimaschutz Chinas wohlklingende Worte nur das eine. Das andere sind seine Taten - und die oft noch immer sehr große Kluft zwischen Wort und Tat. Chinas Politik ist, was den Klimaschutz angeht, voller Widersprüche, und all jene, die das Land schon zum neuen globalen Anführer beim Kampf gegen den Klimawandel ausrufen, täten gut daran, noch einmal genau hinzusehen. Da ist viel Licht. Da ist aber auch mindestens ebenso viel Schatten. China verbraucht noch immer so viel Kohle wie der Rest der Welt zusammen. Seit mehr als einem Jahrzehnt stößt kein Land mehr Treibhausgase aus als China, im Moment sind es doppelt so viel wie in den USA.

Die Optimisten verweisen auf erstaunliche Entwicklungen im Land. China ist längst Weltrekordhalter in der Installation regenerativer Energien. Im vergangenen Jahr allein investierte das Land mehr als 78 Milliarden Euro in saubere Energien, die Hälfte mehr als die USA - und bis zum Jahr 2020 sollen insgesamt 321 Milliarden Euro fließen. Das Ziel ist die Schaffung von 13 Millionen neuen Jobs in dem Sektor und bis 2030 ein Anteil nichtfossiler Brennstoffe am Energiemix von 20 Prozent. Da ist neben Wind- und Wasserkraft und Solarenergie die Atomkraft auch dabei. Den meisten Mut macht vielen Klimaschützern dieser Trend: Der Kohleverbrauch in China stagniert und fällt seit ungefähr drei Jahren. Das ist deshalb wichtig, weil Chinas Abhängigkeit von schmutziger Kohle der Grund Nummer eins ist für den hohen Treibhausgasausstoß. China hatte sich ursprünglich dazu verpflichtet, den Höhepunkt an Kohlendioxidemissionen spätestens im Jahr 2030 zu erreichen - und dann Jahr für Jahr sauberer zu werden. Dieses Ziel scheint nun früher erreichbar zu sein, vielleicht schon 2025.

Skeptiker warnen allerdings vor zu früher Freude. Der Grund für den Rückgang der Emissionen zuletzt ist weit mehr im Erlahmen der Wirtschaft zu suchen als im aktiven Klimaschutz. Gleichzeitig boomt nicht nur die grüne Energie, es kommen auch nagelneue Kohlekraftwerke dazu. Noch 2015 genehmigten die Planer neue Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 55 Gigawatt. Kohleförderung und Kohlekraftwerkskapazitäten sollen bis mindestens 2020 steigen, so steht es im aktuellen Fünfjahresplan. Der wahre Test für die Entschlossenheit der chinesischen Führung beim Klimaschutz steht erst an, wenn die Wirtschaft wieder anzieht.

Sauberkeit predigen und Schmutz produzieren - vor allem als Exporteur muss China sich diesen Vorwurf gefallen lassen. China ist im Moment die größte Treibkraft hinter dem Bau neuer Kohlekraftwerke weltweit. Kein Staat exportiert Ausrüstung und Finanzierung neuer Kohlekraftwerke in diesem Maßstab, die meisten davon in Entwicklungsländern; aber China baut auch in Europa, in Bosnien-Herzegowina. Viele dieser Kraftwerke laufen mit veralteter Technologie und sind entsprechende Dreckschleudern. Im September vergangenen Jahres waren chinesische Firmen weltweit an fast 80 solchen Projekten beteiligt.

Es gibt also gute Gründe, China noch nicht zum Anführer des globalen Klimaschutzes auszurufen. Nicht zuletzt diesen: Vielen in China selbst ist sichtlich bange vor der Aussicht. Ein Leitartikel der Pekinger Global Times im März machte dies deutlich. Egal wie sehr Peking sich anstrenge, hieß es, es werde "nicht in der Lage sein, sich all die Verantwortung aufzubürden, vor der Washington sich drückt." China werde noch lange das größte Entwicklungsland der Welt bleiben, schrieb die Zeitung: "Wie kann man von ihm verlangen, Raum für die eigene Entwicklung zu opfern für all die reichen westlichen Nationen?"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: