Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz:Grüne wollen das Klimapaket über den Bundesrat verschärfen

  • Die Grünen wollen das Klimapaket der Bundesregierung über den Bundesrat verschärfen. Man wolle versuchen, mehr für den Klimaschutz "herauszuholen", sagte die Parteivorsitzende Baerbock.
  • Der Einfluss der Partei in der Länderkammer ist mit der Zahl der Landesregierungen, an denen sie beteiligt sind, gewachsen. Bisher sind es neun, je nach Ausgang der Koalitionsbemühungen in Brandenburg und Sachsen könnten es elf werden.

Die Grünen halten das Klimaschutzpaket der Bundesregierung für zu kurz gegriffen und wollen über den Bundesrat mehr erreichen. "Wir werden jede Chance nutzen, aus dem Wenigen ein Mehr an Klimaschutz herauszuholen", sagte die Co-Vorsitzende Annalena Baerbock der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S). Sie sei sich mit ihren Parteifreunden in den Landesregierungen einig, entsprechende Gesetzentwürfe der Regierung im Bundesrat genau zu prüfen.

Die Grünen sind an neun Landesregierungen beteiligt und können zustimmungspflichtige Gesetze im Bundesrat blockieren. Die Berliner Koalitionspartner Union und SPD haben über ihre Regierungen in der Länderkammer nur noch 12 von 69 Stimmen. Die Mehrheit liegt bei 35.

"Sinnvollen Maßnahmen" wie dem Ausbau der Ladeinfrastruktur wolle man sich indes nicht versperren, sagte die Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt dem Berliner Tagesspiegel. Grünen-Chefin Baerbock forderte unterdessen einen verstärkten Ausbau der Öko-Energie. Die Deckelung für den Ausbau von Windrädern an Land müsse verschwinden. "Da gibt es bereits Anträge im Bundesrat, die wir weiter voranbringen werden."

Die Grünen stören sich inbesondere an dem geplanten CO2-Preis. Die Bundesregierung plant für 2021 ein Einstiegspreis von zehn Euro je Tonne Kohlendioxid, mit einem Anstieg auf 35 Euro bis 2035. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich von den Beschlüssen der Bundesregierung "enttäuscht". Die Regierung nehme zwar viel Geld in die Hand, doch bringe das wenig, solange das Entscheidende fehle: "nämlich ein ehrlicher und ambitionierter CO2-Preis", sagte er der F.A.S.

"Dieser Preis kann so nicht bleiben", erklärte die Landesvorsitzende der Grünen in Sachsen-Anhalt, Susan Sziborra-Seidlitz. Auch Baerbock und andere führende Grüne seien mit dem Preis nicht einverstanden, berichtet die Zeitung. Wissenschaftler hätten Einstiegspreise von 35 bis 50 Euro je Tonne und danach ein schnelles Wachstum gefordert.

Das Klimapaket wird auch in der CDU kritisch aufgenommen

In der CDU werden die Klima-Vereinbarungen von Union und SPD unterschiedlich bewertet. "Das sind sehr rabiate Maßnahmen, die einen breiten gesellschaftlichen Diskurs erfordert hätten", sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer der Bild am Sonntag. "Ein großer Teil der Menschen ist mit den Entscheidungen überfordert." Konkret nannte er die höhere Besteuerung von Benzin, Diesel und Heizöl sowie die Erhöhung der Preise für Inlandsflüge. "So lange man mit dem Zug über sechs Stunden von Dresden nach Düsseldorf braucht, bringt eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets nichts."

Anders der Wirtschaftspolitiker Friedrich Merz. "Die Bundesregierung hat unter den gegebenen Umständen trotz aller Kritik ein ordentliches Paket vorgelegt", befand er in der Welt am Sonntag. "Ob die Summe der vielen Einzelentscheidungen ausreicht, um den Klimazielen näherzukommen, bleibt abzuwarten. Wichtig ist, dass eine CO2-Bepreisung das entscheidende Steuerungsinstrument ist, um langfristig und nachhaltig die Emissionen zu verringern."

Die Junge Union warnte davor, die Bewohner abseits städtischer Zentren zu überfordern. "Wir werden bei der Umsetzung des Pakets darauf achten, dass die Menschen im ländlichen Raum mitgenommen werden", sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Nachwuchsorganisation, Tilman Kuban, der dpa. Es gelte, in Forschung und Innovationen zu investieren und den "Klimaschutz zum ökologischen Geschäftsmodell zu machen".

Unter dem Druck erneuter Klima-Proteste hatte sich die große Koalition am Freitag auf ein milliardenschweres Paket geeinigt. Damit soll Deutschland seine verbindlichen Klimaziele für 2030 verlässlich erreichen. Als zentrales Element bekommt klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) auch im Verkehr und bei der Wärmeerzeugung einen Preis. Die Anschaffung klimaschonenderer Autos oder Heizungen sollen anfangs besonders gefördert werden, der Einbau neuer Ölheizungen soll ab 2026 verboten sein. Bahnfahrten sollen billiger werden, Flüge teurer. Um soziale Überforderungen zu vermeiden, wird die Pendlerpauschale angehoben.

Nach einer Umfrage halten die Deutschen die meisten Maßnahmen aus dem Klimapaket für richtig. Das gilt für das Verbot des Einbaus von Ölheizungen ab 2026 (54 zu 34 Prozent), die Erhöhung der Pendlerpauschale (88 zu 24) und eine höhere Steuer im Luftverkehr (68 zu 25), wie die Emnid-Erhebung für die Bild am Sonntag ergab. Negativ gesehen wird nur die Verteuerung von Benzin und Diesel (richtig: 38, falsch: 54). Insgesamt glauben nur 34 Prozent, dass die Maßnahmen gegen den Klimawandel helfen - 62 Prozent verneinen das.

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