Klimapolitik:Gericht: Frankreich tut zu wenig für den Klimaschutz

Klimapolitik: 2019 demonstrieren Klimaschützer in Paris gegen die Politik von Präsident Emmanuel Macron.

2019 demonstrieren Klimaschützer in Paris gegen die Politik von Präsident Emmanuel Macron.

(Foto: Francois Mori/AP)

Das Verwaltungsgericht in Paris macht den französischen Staat für Versäumnisse im Klimaschutz verantwortlich. Die klagenden Organisationen feiern das als "historischen Sieg".

Umwelt- und Klimaschützer, die enttäuscht sind von der Politik, ziehen seit Jahren vor Gericht, in der Hoffnung, dass die Justiz Regierungen zu effektiveren Maßnahmen verurteilt. Tatsächlich erzielen sie damit auch Erfolge - wie jetzt in Frankreich.

Dort haben Umweltorganisationen den Staat wegen Untätigkeit beim Klimaschutz verklagt. Das Pariser Verwaltungsgericht hat nun entschieden, dass der französische Staat für Versäumnisse im Kampf gegen die globale Erwärmung verantwortlich sei.

Wie das Gericht mitteilte, hätten die Richter überprüft, ob es einen Kausalzusammenhang zwischen Umweltschäden und den dem Staat vorgeworfenen Mängeln bei der Bekämpfung des Klimawandels gebe. Das Ergebnis: Der Staat sei zumindest für einen Teil dieses Schadens verantwortlich zu machen. Das Gericht hat sich eine zweimonatige Frist gegeben, um eventuelle Maßnahmen zu bestimmen.

Die Klage war 2019 von Greenpeace und Oxfam sowie Notre Affaire à Tous und der Stiftung Nicolas Hulot pour la Nature et l'Homme, eingereicht worden. Hulot war 2017 bis 2018 Umweltminister, war jedoch zurückgetreten, weil er in der Regierung nicht genug erreichen konnte. Die Organisationen hatten sich zu dem Bündnis. "L'Affaire du siècle" zusammengeschlossen, das von zahlreichen Prominenten unterstützt wird.

Der Staat kann gegen die Entscheidung Berufung einlegen. Trotzdem feierten die klagenden Organisationen die Entscheidung als "historischen Sieg für das Klima": Die Justiz habe anerkannt, dass die Untätigkeit des Staates in Bezug auf den Klimawandel rechtswidrig sei, hieß es von dort. Der Staat stehe nun unter einem noch nie da gewesenen Druck, endlich etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. "Das Gericht muss nun entscheiden, ob es den Staat anweist, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um seine Treibhausgasemissionen zu reduzieren und seine Klimaverpflichtungen zu erfüllen."

Erst im November hatte das Verwaltungsgericht in Paris nach einer Klage von Kommunen und Umweltschützern die Regierung aufgefordert, innerhalb von drei Monaten nachzuweisen, dass sie ausreichende Klimaschutzmaßnahmen vornimmt, um den Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen nachzukommen.

Historisches Urteil in den Niederlanden 2015

Mit einer ähnlichen Klage hatte die Organisation Urgenda in den Niederlanden 2015 einen historischen Erfolg. Der Staat wurde vor Gericht verpflichtet, die eigenen Klima-Versprechen tatsächlich einzuhalten. Gegenwärtig läuft in Den Haag ein Verfahren gegen Royal Dutch Shell, mit dem Ziel, dass der Konzern seine Klimaschutzziele deutlich verbessert: Er soll den Ausstoß von Treibhausgasen, der durch seine Geschäfte verursacht wird, bis 2030 um 45 Prozent senken. Und in Irland hat das Oberste Gericht die Regierung verpflichtet, die Klimaschutzpläne nachzubessern.

Auch in Deutschland haben Klimaaktivisten bereits mehrere Klagen eingereicht. So läuft seit 2018 eine Verfassungsbeschwerde gegen die Bundesregierung, weil das Land seine Klimaziele für 2020 verfehlen und so das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt werde. Unter den Klägern sind Organisationen wie der BUND, aber auch Einzelkläger, darunter Josef Göppel (CSU) und der Schauspieler Hannes Jaenicke.

Mit weiteren Klagen wollten etwa die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace, Fridays-for-Future-Aktivistinnen und -Aktivisten mehr Klimaschutz durchsetzen. Und seit 2015 fordert der peruanische Bauer Saúl Lliuya vom deutschen Energiekonzern RWE 17.000 Euro, weil die Gletscherschmelze aufgrund des Klimawandels sein Haus in den Anden bedroht und er Anpassungsmaßnahmen finanzieren muss. Das Verfahren läuft noch.

In Portugal haben Jugendliche gleich 33 Staaten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt, um diese zu mehr Klimaschutz zu zwingen. Und eine Reihe von Kindern und Jugendlichen, darunter Greta Thunberg, haben eine Individualbeschwerde vor dem UN-Kinderrechtsausschuss eingereicht, weil die Staatengemeinschaft ihrer Meinung nach zu wenig tut, um das Klima zu schützen.

Ein Erfolg ist natürlich nicht garantiert. In Norwegen etwa sind Klimaschützer jüngst mit einer Klage gegen den Staat gescheitert: Ihr Vorwurf war, dass die Erteilung von Erkundungs- und Förderlizenzen für Erdgas und Erdöl in der arktischen Barentssee die norwegische Verfassung verstoße. Aber schon damit, dass das Gericht die Klage überhaupt angenommen hatte, waren die Aktivisten in Norwegen glücklich.

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