Klimaschutz:Einigung mit Fragezeichen

Der Vermittlungsausschuss billigt günstige Bahntickets, Steueranreize und höhere CO₂-Preise. Doch ein Haken bleibt.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Winter in Leipzig - Dampfende Schornsteine

Der Ausstoß von Kohlendioxid wird teuer: Rauch kommt aus Kaminen beheizter Häuser in Leipzig.

(Foto: Jan Woitas/dpa)

Ende November, noch vor der ersten Sitzung des Vermittlungsausschusses, stellte die Grünen-Fraktion eine Reihe pikanter Fragen an die Bundesregierung, es ging um den CO₂-Preis. Ob es sich beim geplanten "nationalen Emissionshandelssystem" denn ganz sicher um ein Emissionshandelssystem handele, wollte die Fraktion wissen. Und ob da nicht vielleicht das Bundesverfassungsgericht etwas zu beanstanden hätte. Die Antwort der Regierung war ausweichender als jene der Juristen.

Von Letzteren hatte das Land Baden-Württemberg vorigen Sonntag noch rasch Expertise eingeholt, für den Vermittlungsausschuss. Die Bewertung war deutlich: Dem Gesetz, mit dem von 2021 ein Kohlendioxidaufpreis auf Sprit und Heizstoffe eingeführt werden soll, "begegnen tief greifende verfassungsrechtliche Bedenken", heißt es in dem 24-seitigen Gutachten der Stiftung Umweltenergierecht. Nicht mal ausgeschlossen sei, dass Karlsruhe das Gesetz für nichtig erkläre, wie einst die Steuer auf Atombrennelemente. "Folge wäre die Pflicht zur Rückzahlung der eingenommenen Mittel." Bei einer Anhörung im Bundestag waren unlängst auch andere Juristen zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.

Doch all diese Bedenken hindern die Grünen an diesem Mittwoch nicht daran, dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses zuzustimmen. "Wir haben im Vermittlungsausschuss deutlich gemacht, dass es Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit gibt", sagt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Man werde darauf dringen, diese Baustelle anzugehen - "auch in eventuellen Koalitionsverhandlungen". Man habe das Kompromisspaket daran nicht scheitern lassen wollen, heißt es aus der Partei. Schließlich ist der höhere CO₂-Preis der größte Verhandlungserfolg der Grünen, wenn auch auf juristisch zweifelhafter Basis: Er soll 2021 statt bei zehn Euro je Tonne Kohlendioxid bei 25 Euro liegen; danach schrittweise bis 2025 auf 55 Euro steigen.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze lobt die breite Verständigung

Die Einigung am Mittwoch macht auch den Weg frei für weitere Teile des Klimapakets, die der Zustimmung der Länder bedurften. So kann nun vom 1. Januar an die Mehrwertsteuer auf Bahntickets auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent sinken. Stromkunden profitieren von einer Senkung der Ökostrom-Umlage, und die Pendlerpauschale kann ab dem 21. Kilometer steigen: Von 30 auf 35 Cent ab 2021, von 35 auf 38 Cent ab 2024. Geringverdiener, deren Einkommen so niedrig ist, dass sie mit der Pendlerpauschale keine Steuerlast verringern können, sollen Anspruch auf eine "Mobilitätsprämie" bekommen. Steuerausfälle für die Länder will der Bund kompensieren. Zudem sollen die Länder als Ausgleich für Mindereinnahmen jährlich 1,5 Milliarden Euro aus dem Umsatzsteueraufkommen erhalten.

Damit wiederum ist auch der Weg für neue Steueranreize frei: Wer ein selbst genutztes Haus oder seine Wohnung energetisch saniert, etwa durch neue Fenster, eine neue Heizungsanlage oder die Dämmung von Dach und Wänden, kann die Kosten dafür zu 20 Prozent von der Steuer absetzen, und zwar verteilt über drei Jahre. Künftig sollen dazu auch Kosten für eine Energieberatung zählen. Im mittlerweile dritten Anlauf sind Bund und Länder nun über diese Steueranreize einig. Schon die beiden Vorgängerregierungen hatten sich vergeblich daran versucht. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) lobte die breite Verständigung. "Klimaschutz ist eine Aufgabe, die uns noch über viele, viele Wahlperioden beschäftigen wird."

Das gilt auch für die laufende Wahlperiode: Denn für die Anhebung des CO₂-Preises hat die Koalition eine rasche Änderung des entsprechenden Gesetzes zugesichert. Theoretisch könnte sie bei der Gelegenheit auch dessen Grundstruktur ändern. Derzeit soll der Klimaaufschlag über ein kompliziertes Konstrukt erhoben werden, das anfangs zwar Emissionshandel heißt, aber in den ersten fünf Jahren einer Steuer mit fixen Sätzen ähnelt. Die Union hatte einen Emissionshandel gewollt, die SPD eine Steuer. Der Kompromiss ist ein Zwitter.

Doch Karlsruhe hatte im vorigen Jahr klargemacht, dass zum Emissionshandel auch ein knappes Gut gehört: eine vorab begrenzte Zahl von Emissionsrechten. Die Alternative wäre eine astreine Energiesteuererhöhung, wie sie auch die Grünen bevorzugen, oder aber ein Emissionshandel mit festen Kontingenten an Zertifikaten.

Nun plagt die Grünen nur noch die Sorge, sie könnten in Mithaftung geraten, sollte das Gesetz tatsächlich scheitern. Im Vermittlungsausschuss packten sie ihre juristischen Bedenken vorsichtshalber noch in eine kurze Protokollnotiz. Man habe der Koalition zwar "Nachhilfe in Sachen Klimaschutz" gegeben, sagt auch Grünen-Klimapolitikerin Lisa Badum. "Aber das Gesetz muss die Regierung schon selbst verbessern."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: