Greta Thunberg war sich anfangs selbst nicht sicher, ob "Fridays for Future" Bestand haben würde. "Natürlich mache ich mir Sorgen, dass die Bewegung bald nachlassen wird", sagte die Klimaaktivistin in einem Interview mit der SZ im Januar in Stockholm.
Rückblickend war diese Sorge unbegründet. In den vergangenen Monaten ist die von Schülern und Studenten getragene Bewegung "Fridays for Future" kräftig gewachsen, vor allem in Deutschland. Die ersten Streiks hierzulande fanden im Dezember statt, zunächst in Bad Segeberg, kurz darauf mal mit 50 Schülern in Köln, mal mit 150 in Berlin. Am 24. Mai gingen bundesweit mehr als 300 000 Demonstranten auf die Straße, Ende Juni bei einer Aktion in Aachen gegen Braunkohle waren es 20 000 Teilnehmer. Von Mittwoch an treffen sich mehr als tausend Aktivisten der Bewegung zu einem fünftägigen Kongress in Dortmund, zu Workshops und Debatten.
Wie ist aus Spontanprotesten eine Bewegung entstanden, die große Streiks und nun einen Kongress organisiert?
Wichtig waren anfangs vor allem die Symbolfigur Thunberg und das Internet. Im August 2018, als die Klimakrise in den Medien und im Alltag immer präsenter wurde, begann die damals 15-jährige Schwedin alleine ihren Schulstreik und berichtete davon auf Twitter. Im September nutzte sie erstmals den Hashtag #FridaysforFuture, bald wurde er von einem Motto zu einer Marke.
Während Thunberg viel beachtete Reden bei der UN-Klimakonferenz in Kattowitz und dem Weltwirtschaftsforum in Davos hielt, versammelten sich weltweit immer mehr Schüler unter dem mittlerweile bekannt gewordenen Label. Selbst wer nur zu dritt auf die Straße ging, konnte über den Hashtag Teil des großen Ganzen werden und weitere Teilnehmer motivieren. Das funktionierte auch deshalb so gut, weil das Thema als solches sehr konsensfähig ist: Die Klimakrise betrifft schließlich alle.
Eine "deutsche Greta Thunberg" ist nicht erwünscht
In Deutschland sind aus den Streiks bis heute um die 500 Ortsgruppen entstanden. "Am Anfang herrschte das Chaosprinzip: Alle haben einfach mal gemacht, wie sie gedacht haben", sagt Carla Reemtsma, 21, die Pressearbeit für die Bewegung macht. "Seitdem hat sich viel verändert, und Strukturen wurden geschaffen." Die Aktivisten diskutieren in Whatsapp-Gruppen und stimmen sich in Telefonkonferenzen ab. Delegierte vertreten dabei die Beschlüsse der Ortsgruppen. Zudem gibt es bundesweite Arbeitsgruppen zu Themen wie "Kampagnen" oder "Internationalismus".
Die "AG Struktur" hat vor Kurzem ein 21-seitiges Organisationspapier erstellt, in dem sich die Bewegung auf basisdemokratische Prinzipien beruft, um eine Graswurzelbewegung ohne Anführer bleiben zu können. Eine "deutsche Greta Thunberg" wollen sie nicht. Dass die Studentin Luisa Neubauer zum Gesicht der Bewegung wurde, hat bei vielen Aktivisten Unmut ausgelöst.