Süddeutsche Zeitung

COP 27:Klimaschutz, aber natürlich

Die Krisen von Klima und Artenvielfalt hängen eng zusammen, über beides verhandeln die Staaten. Aber die nötigen Maßnahmen zu verbinden, fällt der Politik offenbar schwer.

Von Michael Bauchmüller, Scharm el-Scheich

Die Schätze der Natur müssten die Verhandler beim Klimagipfel in Ägypten nicht lange suchen. An den Stränden von Scharm el-Scheich stürzt das Meer nach wenigen Hundert Metern in die Tiefe, in eine Welt von Tausenden Fischen, bunten Pflanzen und Korallen. Jenen Korallen, die - nur als Beispiel - einer Erwärmung der Ozeane zum Opfer zu fallen drohen.

Denn die Klimakrise bedroht auch Tier- und Pflanzenarten, und umgekehrt dient der Naturschutz oft auch dem Schutz des Klimas. Die Ziele des Pariser Klimaabkommens, sagt Deutschlands Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), "lassen sich nur mit intakten Ökosystemen erreichen".

Die Gelegenheit, beides zusammen zu denken, ist günstig wie nie. Nicht nur verhandelt die Staatengemeinschaft derzeit in Scharm el-Scheich über den gemeinsamen Klimaschutz. In drei Wochen beginnt im kanadischen Montreal die Weltnaturschutz-Konferenz, sie soll einen Durchbruch bringen wie einst der Pariser Gipfel fürs Klima. Doch in Scharm el-Scheich zeigt sich auch: Die Verbindung zwischen beiden Vorhaben ist gar nicht so einfach, wie es nahe läge.

"Bei dieser Klimakonferenz müssen wir eine Brücke zur Biodiversitätskonferenz schlagen"

Lemke ist eigens nach Ägypten gereist, um diese Verbindung herzustellen. "Bei dieser Klimakonferenz müssen wir eine Brücke zur Biodiversitätskonferenz schlagen", sagt sie. Der Schlüssel sollen Klima-Lösungen sein, die auf der Natur basieren, im Konferenzsprech "nature based solutions".

Darunter fällt viel: Der Schutz der Meere etwa, die viel Kohlenstoff absorbieren, ebenso wie Wälder. Eine nachhaltige Landwirtschaft, die auch Böden schont, oder der Schutz von Mooren und Flussauen. Oft geht es darum, menschliche Eingriffe rückgängig zu machen, der Natur wieder Raum zu geben. Manchmal aber hilft die Natur auch, Auswirkungen des Klimawandels zu lindern. Etwa, wenn wiederhergestellte Mangrovenwälder Küstenstreifen schützen. Und meistens entstehen so auch neue Räume für Tiere und Pflanzen.

Bei der Klimakonferenz hat Lemke zu einer Pressekonferenz geladen, auch Elizabeth Maruma Mrema ist da, die Chefin des UN-Sekretariats zur Konvention über biologische Vielfalt. Es bereitet die Konferenz in Montreal vor. Auch Mrema würde in Ägypten schon gerne ein paar Pflöcke einschlagen für ihren Gipfel in drei Wochen. "Wenn wir sagen, beide Krisen sind verbunden, dann hat das Ergebnis dieser Konferenz hier direkte Auswirkungen auf die Konferenz im Dezember", sagt sie. Es brauche in Scharm el-Scheich eine "starke Botschaft".

Zu sehen ist davon allerdings bisher noch wenig. Schon vergangenes Jahr, bei der Klima-Konferenz in Glasgow, hatten die Staaten die Verbindung beider Krisen lediglich "anerkannt" - viel konkreter wurden sie in ihrer Schlusserklärung damals nicht. "Bedauerlich" sei das gewesen, sagt Lemke. Doch in diesem Jahr könnte die Sache ähnlich enden. Es gibt noch Widerstände.

Brasilien etwa, für das noch die Leute der abgewählten Regierung von Jair Bolsonaro verhandeln, lehnt den Bezug bisher ab - auch aus Angst vor neuer Bevormundung, was den Amazonas-Regenwald angeht. Immerhin kündigt der frisch gewählte neue Präsident Lula da Silva nun eine Kehrtwende in der Klimapolitik an, und das am Mittwoch direkt bei der Klimakonferenz. Vorbehalte äußert selbst die Entwicklungsländer-Gruppe G77, der auch China angehört; sie will die beiden Themen nicht vermengen. Und auch Bolivien, das mit einem sehr spirituellen Ansatz "Mutter Erde" und ihr Wohl zum Maßstab aller Klimapolitik macht, lehnt die naturnahen Lösungen ab - es sieht darin ein neues Instrument, mit dem reiche Länder ihre Lösungen in alle Welt exportieren wollen.

Nicht alles, was dem Klima dient, schützt auch die Natur

Zumal zwar vieles, was die Natur schützt, dem Klima dient - umgekehrt aber nicht unbedingt dasselbe gilt. An Lemkes Pressekonferenz in Scharm el-Scheich nimmt auch die philippinische Menschenrechtlerin Joan Carling teil, die sich für die Rechte indigener Völker einsetzt. So verlören auch Indigene im Namen von Klima- und Naturschutz ihre Heimat. Etwa, weil dort seltene Mineralien für die Energiewende abgebaggert werden sollen, oder weil sie aus neu geschaffenen Nationalparks vertrieben werden.

"Menschen werden getötet im Namen des Klimaschutzes", warnt Carling. "Wir müssen das Silo-Denken beenden." Was wiederum dafür spräche, bei der Klimakonferenz der Natur und ihrem Schutz gebührend Raum zu geben.

"Erstaunlich" sei es, dass dies nicht der Fall sei, sagt Jörg-Andreas Krüger, Chef des Naturschutzbundes Nabu. "Ohne gesunde Ökosysteme ist die Klimakatastrophe nicht abzuwenden." Der Kanzler müsse persönlich nach Montreal reisen, um der Konferenz dort mehr Gewicht zu geben.

Stattdessen hebt Deutschland am Mittwoch erst einmal eine neue Initiative aus der Taufe, sie soll die globalen Anstrengungen rund um die Natur-Lösungen besser koordinieren. Partner der Initiative ist kein Geringerer als das Gastgeberland Ägypten, das auch die Präsidentschaft beim Klimagipfel führt. Denn welche Brücke die Konferenz am Ende nach Montreal schlägt, liegt maßgeblich in seiner Hand.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5697119
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/mcs
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.