Süddeutsche Zeitung

Klimaschutz:65 Seiten Sprengstoff

Umweltministerin Svenja Schulze findet mit ihrem Getzentwurf in der Union wenig Freunde - aber in der SPD.

Von Michael Bauchmüller, Cerstin Gammelin, Mike Szymanski, Berlin

Für Joachim Pfeiffer ist die Sache klar: "Eine Klimaplanwirtschaft wird es mit CDU und CSU nicht geben", sagt der CDU-Mann, der wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. Das Klimaschutzgesetz von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) "ist für die Union keine Gesprächsgrundlage". Fraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) hatte schon vorher Zweifel angemeldet, "dass dieses Gesetz die Ressortabstimmung übersteht". So ist die Stimmung in der Union zu Schulzes Gesetzentwurf: explosiv.

Seit Donnerstag ist der 65-seitige Entwurf publik. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik soll sich der Staat darin verbindlich zum Klimaschutz verpflichten, samt festen Zielen für einzelne Bereiche der Wirtschaft - und der Verantwortung für die Ministerien, für deren Einhaltung zu sorgen. Schafft etwa das Verkehrsministerium es nicht, die Emissionen von Autos, Lastwagen oder Flugzeugen unter die vorgegebenen Ziele zu drücken, muss es aus seinem Haushalt Strafzahlungen bestreiten. Denn nach EU-Recht müssen die Mitgliedstaaten Emissionsrechte bei anderen EU-Ländern kaufen, wenn sie ihre Klimaziele verfehlen. Anteilig sollen solche Strafen auf all die Ministerien verteilt werden, die keine wirksamen Antworten im Klimaschutz gefunden haben.

Kleiner Nebeneffekt: Derzeit betrifft das ausschließlich Ministerien von CDU und CSU. Das Verkehrsministerium von Andreas Scheuer (CSU) etwa, der Klimaschutz-Vorschläge eines Expertengremiums jüngst als "gegen jeden Menschenverstand" abgelehnt hat. Oder das Bauministerium von Horst Seehofer (CSU), der eine solche Klimagruppe bis heute nicht einberufen hat, obwohl das eigentlich lange geplant war. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner käme schärfer in die Pflicht, und womöglich auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (beide CDU).

Selbst das ferne Ziel ist umstritten: Schulze verlangt bis 2050 ein Treibhausgas-Minus von "mindestens 95 Prozent". Das ist mehr als jene 80 bis 95 Prozent, die bisher als offizieller Zielkorridor galten. "Schon 80 Prozent sind sehr ehrgeizig", lässt Kanzlerin Angela Merkel am Freitag durch ihren Sprecher Steffen Seibert ausrichten. Kurzum: Für den Koalitionsfrieden taugt das Gesetz nur bedingt.

Umso interessanter, wie klar sich die SPD-Spitze hinter Schulzes Entwurf stellt. Die Umweltministerin habe einen guten Vorschlag gemacht, sagt SPD-Chefin Andrea Nahles. "Statt in Fundamentalopposition zu gehen, sollten einige Kolleginnen und Kollegen in der Union lieber mithelfen, eine gute Gesamtlösung zu erreichen. Nur das hilft dem Klima." Auch Vizekanzler Olaf Scholz stellt sich hinter seine Parteifreundin. Schließlich sei im Koalitionsvertrag ein Gesetz vereinbart, das die Einhaltung der Klimaschutzziele 2030 gewährleistet. Schulze habe ihren Beitrag dazu jetzt geleistet, sagt Scholz. "Ich gehe davon aus, dass die anderen geforderten Ministerinnen und Minister nun fleißig ihre Beiträge erarbeiten."

"Der Plan A ist, dass wir den Koalitionsvertrag umsetzen", sagt Umweltministerin Schulze

Damit ist die Bühne bereitet. Schulze hatte den Gesetzentwurf zunächst ans Bundeskanzleramt geschickt, zur sogenannten "Früh-Koordinierung". Dieses Verfahren soll helfen, Streitpunkte früh auszuräumen. Die bisherige Kritik der Union allerdings ist so grundsätzlich, dass sich nicht besonders viel koordinieren lässt. Im schlimmsten Fall liegt der Entwurf im Kanzleramt und nichts passiert. Einen Plan B gebe es nicht, sagt Schulze: "Der Plan A ist, dass wir den Koalitionsvertrag umsetzen." Manche Parteifreunde werden deutlicher. "Ein pauschales ,Nein' der Union schadet nicht nur dem Klima, sondern auch der Koalition", warnt schon Sebastian Hartmann, Chef der nordrhein-westfälischen SPD. "Statt #FridaysforFuture heißt es dann bald #CoalitionwithoutFuture."

Die Drohung muss nicht leer sein - denn für das Gesetz tickt die Uhr. Noch dieses Jahr soll das Klimagesetz verabschiedet werden. So steht es im Koalitionsvertrag, so betont es auch die Union. Was aber, wenn sich die Koalitionspartner nicht einig werden? Dann wird der Klimastreit zum Teil der großen Zwischenbilanz, die zur Mitte der Legislatur über die Zukunft der Koalition entscheiden soll. Sollte sie dann zerbrechen, dann auch an der Zurückhaltung der Union in Sachen Klimaschutz. Was das für Gedankenspiele in der Union bedeuten könnte, nach Neuwahlen mit den Grünen zu koalieren, wird in der SPD nur süffisant angedeutet.

Schulze selbst baut ganz auf die Einsicht ihrer Kabinettskollegen. "Jeder, der gute Vorschläge hat, kann sie jetzt einbringen", sagt sie am Freitag gut gelaunt. "Ich bin sicher, dass die Union auch den Klimaschutz will." Im Übrigen habe das mit Planwirtschaft nichts zu tun, sondern schlicht mit der Verantwortung der anderen Ministerien. Sie führe ja kein Superministerium, sagt Schulze.

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SZ vom 23.02.2019
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